Wie die Ukraine hat auch Georgien jedoch Russland bei der Westanbindung zum Gegner. Probleme mit Moskau ist die Regierung in Tiflis allerdings gewöhnt - bis hin zum Krieg. 2008 standen russische Truppen im Konflikt um die von Georgien abtrünnigen und von Russland unterstützten Regionen Südossetien und Abchasien im georgischen Kernland. Schon durfte das mit einem Embargo belegte Georgien jahrelang keinen Wein und kein Mineralwasser in die Russische Föderation verkaufen.
So gab sich der georgische Staatsminister für EU- und NATO-Integration, Aleksi Petriaschwili, jüngst im APA-Gespräch in Batumi gelassen, was mögliche russische Schikanen rund um die Ratifizierung oder die geplante, verstärkte Zusammenarbeit mit der NATO im Herbst im Herbst betrifft. Der Leiter des EU-Russia Centre in Brüssel, Fraser Cameron, meint: "Russland kann immer Probleme machen (...) auf die verschiedensten Arten." Angesichts der Ukraine-Krise und weiterer Sanktionen, die im Raum stehen, ortet er allerdings ein "Umdenken in Moskau, was die ganzen Versuche betrifft, die Länder der Östlichen Partnerschaft zu untergraben".
Für Cameron gibt es keine "Unvereinbarkeit für frühere Sowjetrepubliken zwischen freundschaftlichen Beziehungen zu Russland und einer EU-Mitgliedschaft". "Es war Russland, das gesagt hat: "Ihr müsst wählen!"", betont er.
Auch Staatsminister Petriaschwili sieht das so. Die Regierung, der er angehört, hat nach dem Krieg den Dialog mit Moskau wieder aufgenommen: "Wir sind zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame Sprache mit unserem nördlichen Nachbarn finden und zugleich die europäische Integration fortsetzen können." Gerne wolle man den neu gestarteten Handel mit Russland intensivieren.
Im Hintergrund des Streits um die Westannäherung Georgiens stehen freilich handfeste Interessen. Georgien erhofft sich mit EU-Unterstützung - 400 Mio. Euro sollen es in den nächsten paar (MONATEN/JAHREN???) sein, wie Luc Devigne von der EU-Kommission auf einer internationalen Konferenz in Batumi sagte - vor allem eine Modernisierung und durch das Freihandelsabkommen, das gemeinsam mit der Assoziierung kommt, den ungehinderten Zugang zum riesigen EU-Markt.
Aber auch die EU hat etwas davon, dass Georgien und andere Ex-Sowjetrepubliken den Weg nach Europa beschreiten. Für sie stehen geostrategische Interessen im Vordergrund. "Es ist eine Frage, ob wir wollen, dass sie gut regiert werden, demokratisch sind und Marktwirtschaften oder (...) irgendwelche Dazwischen-Staaten, unter russischer Kontrolle und korrupt", bringt es der Politik-Analyst Cameron auf den Punkt.
Hinzu kommt ganz speziell im Fall Georgien die Positionierung als Energietransitland von der Kaspischen Region und Zentralasien nach Europa unter Umgehung des Energielieferanten Russland. Und vor allem hier liegt der Konfliktpunkt mit Moskau. Waren es in früheren Jahrhunderten Osmanen und Russen, die um den Einfluss im Südkaukasus ritterten, sind es heute Europäer und Russen.
Dass Moskau erkennen könnte, dass es selbst von einem europäischen Georgien profitiert, wie Cameron meint, ist nach außen nicht sichtbar geworden. Was es zu einem Umdenken bewegen könnte, deutet ein Analysepapier der Denkfabrik European Council On Foreign Relations an. Der georgische Ex-Vizeaußenminister Sergi Kapanadse schreibt darin, dass Moskau keinen umfassenden Schalthebel habe, um Tiflis an der EU- und NATO-Annäherung zu hindern. Es müsste schon an vielen Stellschrauben drehen und zugleich Wirtschaftsblockaden verhängen - die Georgien schon einmal überstanden hat - Heimat-Überweisungen der Hunderttausenden Georgier in Russland stoppen oder diese Arbeitsmigranten gar in Massen ausweisen - was schon einmal geschah und vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt wurde - und vor allem erneut Zwist an den Grenzlinien zu Abchasien und Südossetien säen.
Wenn dann die georgische Regierung die Bevölkerung auf dem Weg in EU und NATO verliert, könnte es kritisch werden. "Die Zustimmung kann fallen, wenn unpopuläre Maßnahmen sich beginnen auszuwirken", mahnt Cameron. Aber gerade daran arbeitet Tiflis, wie Staatsminister Petriaschwili versichert. Mit der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben und visafreiem Reisen in die EU-Staaten, das womöglich 2015 erreicht werden könnte, will man für Bürger und Unternehmer trotz teils schmerzhafter Reform- und Anpassungsmaßnahmen positive Effekte der EU-Assoziierung rasch spürbar machen.
(Quelle: salzburg24)