Es ist nicht der erste Massen-Hungerstreik in israelischen Haftanstalten - und wahrscheinlich nicht der letzte. Um in Zukunft weniger erpressbar zu sein, will Israels Regierung am Montag ein umstrittenes Gesetz im Parlament durchbringen, das die Zwangsernährung hungerstreikender Häftlinge erlaubt.
Der Minister für Innere Sicherheit, Yizthak Aharonovitch, sagte bei einer Debatte, Hauptziel des Gesetzes sei es, "Häftlinge daran zu hindern, den Staat Israel mit Hungerstreiks unter Druck zu setzen".
Oppositionelle Abgeordnete wie Tamar Sandberg von der linksliberalen Merez-Partei haben das Gesetz jedoch scharf verurteilt, weil es eine künstliche Ernährung aus politischen Gründen erlaube. Das Ziel sei lediglich, den Häftlingen Erfolge in ihrem Kampf um ihre Rechte zu verwehren und daher sei das Gesetz unmoralisch, sagte Sandberg der israelischen Zeitung "Haaretz". "Zwangsernährung ist eine Form der Folter."
Auch in einem Positionspapier des israelischen Bürgerrechtsverbands heißt es, Zwangsernährung verstoße "gegen das Recht eines Menschen, medizinische Behandlung abzulehnen, das Recht auf körperliche Autonomie und das Recht auf Würde".
Bei dem letzten Hungerstreik richtete der Protest sich vor allem gegen die sogenannte Administrativhaft in Israel. Diese ermöglicht es, Häftlinge für einen immer wieder verlängerbaren Zeitraum von sechs Monaten festzuhalten - ohne Anklage und ohne Prozess und mit stark eingeschränkten Besuchsrechten. Gegenwärtig sitzen weniger als 200 von insgesamt etwa 5700 palästinensischen Häftlingen in Administrativhaft. Rund 250 Insassen verweigerten laut israelischen Angaben am Höhepunkt des Streikes die Nahrungsaufnahme, gar 400 waren nach Angaben der palästinensischen Seite.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert Israel schon seit Jahrzehnten dazu auf, diese Praxis zu beenden. Der israelische Inlandsgeheimdienst Shin Bet rechtfertigt diese Form der Haft jedoch als notwendiges Mittel im Kampf gegen den Terror und will sie nicht aufgeben. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu folgt diesen Empfehlungen und nahm deshalb bei den Verhandlungen mit den hungernden Häftlingen auch eine harte und kompromisslose Haltung ein.
Bei dem Gesetzesentwurf, der am Montag vorgelegt werden soll, handelt es sich um eine abgeschwächte Version einer früheren Version. Darin heißt es, Zwangsernährung sei nur dann erlaubt, wenn das Leben des Häftlings unmittelbar in Gefahr sei. Kritiker sprechen jedoch von rein "kosmetischen Änderungen".
Ärzte warnten, eine Zwangsernährung könne auch tödlich enden. Der Vorsitzende des israelischen Ärzteverbands, Leonid Idelman, sprach von einem unmoralischen Gesetz, das zudem nicht umzusetzen sei. "Man kann nicht jeden Tag eine Magensonde legen und man kann einen Häftling nicht daran hindern, eine Hand mit Venenkanüle zu bewegen", sagte Idelman bei einer Diskussion in einem Knessetausschuss. "Israelische Ärzte werden diesem Gesetz nicht Folge leisten."
Die Zeitung "Haaretz" erinnert die Abgeordneten an die Pflichten des Staates. "Israel, das sich als demokratischer Rechtsstaat versteht, muss versuchen, Hungerstreiks mithilfe eines Dialogs und der Wahrung der Häftlingsrechte zu verhindern", schrieb ein Kommentator. "Sonst bleiben nur zweifelhafte Methoden wie das Gesetz über eine Zwangsernährung als Mittel der Wahl."
(Quelle: salzburg24)