Dort hatte der US-Außenminister die Kurden auch davon abbringen wollen, sich vom irakischen Staatsgebiet abzuspalten und einen eigenen Staat zu gründen. Kerry hatte zuvor während eines überraschenden Besuches in Bagdad die politische Elite des Landes unter Verweis auf den Vormarsch der ISIS zur Eile gedrängt.
"Der Irak steht vor einer existenziellen Bedrohung, und die irakischen Führer müssen dieser Bedrohung mit der gebotenen Eile begegnen", sagte Kerry. Die Bildung einer solchen Regierung sei derzeit die größte Herausforderung des Landes, fügte Kerry am Dienstag in der kurdischen Hauptstadt Erbil hinzu.
ISIS-Extremisten haben nach Angaben der Vereinten Nationen allein im Juni mindestens 1075 Menschen getötet. Die weitaus meisten waren Zivilisten. Allein in den drei nördlichen und westlichen Provinzen Ninive, Diyala und Salaheddin seien mindestens 757 Zivilisten umgebracht worden, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, in Genf.
Bei der Parlamentssitzung am kommenden Dienstag sollen zuerst der Parlamentssprecher und danach der Präsident und Ministerpräsident gewählt werden. Nach den Worten eines US-Regierungsbeamten ist in Bagdad zu hören, dass die Kurden wieder den Präsidenten, die Schiiten den Ministerpräsidenten und die Sunniten den Parlamentssprecher und Vizepräsidenten stellen wollten. Bisher hätten sich die Parteien allerdings nicht auf die Kandidaten einigen können. Rücktrittsforderungen an die Adresse des umstrittenen irakischen Regierungschefs Nuri al-Maliki kommentierte Kerry in dem ABC-Interview nicht.
Kerry traf am Dienstag mehrere führende kurdische Politiker, unter ihnen den Präsidenten der Autonomieregion Massoud Barzani. Die Kurden genießen im Nordirak eine weitgehende Autonomie. So haben sie eine eigene Regierung. Zuletzt waren jedoch Rufe nach einem eigenen kurdischen Staat wieder lauter geworden. Präsident Barzani hatte vor dem Treffen mit Kerry in einem CNN-Interview angedeutet, bald die formelle Unabhängigkeit zu suchen. "Die Zeit ist reif, dass die Kurden ihre Zukunft bestimmen", sagte er.
Kerry reagiert mit seinem Besuch im Irak auf den weiteren Vormarsch der extremistischen Sunnitenmiliz Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (ISIS), die weite Teile des Nordens und Westens des Landes beherrscht. Laut Medienberichten sollen mutmaßliche ISIS-Kämpfer nun auch die irakische Ölraffinerie in Baiji vollständig eingenommen haben. Der rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad gelegene Ort ist strategisch bedeutend. Dort steht auch ein Kraftwerk, von dem aus Bagdad mit Strom versorgt wird.
Laut irakischen Medien bombardierte die irakische Armee Baiji. Bei dem Angriff seien 19 ISIS-Kämpfer getötet worden, hieß es. Das irakische Militär bekommt im Kampf gegen die ISIS-Milizen zudem offenbar Hilfe von der syrischen Armee. Arabische Medien berichteten am Dienstag, syrische Kampfflugzeuge hätten den Ort Al-Kaim im syrisch-irakischen Grenzgebiet angegriffen. Dabei seien mindestens 18 Menschen getötet und mehr als 90 verletzt worden. ISIS-Milizen hatten Al-Kaim am Wochenende laut Medienberichten eingenommen.
(Quelle: salzburg24)