Moskautreue Milizen brachten am Mittwoch weitere Verwaltungsgebäude in ihre Hand. Zugleich dämpften die Separatisten Hoffnungen auf eine unmittelbar bevorstehende Freilassung der festgehaltenen westlichen Militärbeobachter. Unter den seit Freitag in der Stadt Slawjansk festgehaltenen Geiseln sind vier Deutsche - drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher.
Europarat besorgt wegen Geiseln
Das Ministerkomitee des Europarats hat sich "alarmiert und zutiefst besorgt" über die Lage der im Osten der Ukraine festgehaltenen Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gezeigt.
Die Vertreter der Europaratsländer forderten am Mittwoch in Straßburg die "unverzügliche Freilassung" der OSZE-Vertreter. Zugleich verurteilte das Komitee das Festhalten der Militärbeobachter als "klaren Verstoß" gegen die Wiener OSZE-Übereinkunft über vertrauens- und friedensbildende Maßnahmen aus dem Jahre 2011.
"Wir gehorchen Putin nicht"
Der prorussische Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow verneinte in dem Geisel-Drama jegliche Einflussnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir hatten bisher noch keinen Kontakt zu Moskau und gehorchen hier auch nicht Putin, wir sind die Volksrepublik Donezk", sagte der selbst ernannte Bürgermeister der Stadt Slawjansk "Bild Online". Zum Schicksal der festgehaltenen Beobachter sagte er: "Wir sind in einem guten Dialog, aber ich denke nicht, dass es eine Freilassung schon heute oder morgen geben kann."
Verhandlungen über Freilassung gehen weiter
Zuvor hatte Ponomarjow noch den Eindruck erweckt, es könne eine schnelle Lösung "ohne einen Geiselaustausch" geben. Die Separatisten hatten mehrfach erklärt, inhaftierte Gesinnungsgenossen freipressen zu wollen. Kreml-Chef Putin hatte am Dienstagabend in Weißrussland erklärt, er setze darauf, dass die Militärs die Region ungehindert verlassen könnten. Das Auswärtige Amt in Berlin sprach von schwierigen Verhandlungen zwischen der OSZE und den prorussischen Separatisten, die die Soldaten festhalten.
Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin kritisierte die Entsendung der OSZE-Militärbeobachter in die Ostukraine als "Dummheit". "Wie kann man Offiziere in einen Bus setzen und ohne Absprachen in eine solche Region senden - ohne Dokumente, die ihren Status bestätigen?", sagte er der Agentur Itar-Tass in New York. "Diese Fahrt war entweder eine Provokation der Führung in Kiew oder - verzeihen Sie - eine Dummheit."
Kiew verliert die Kontrolle über Ostukraine
Die Führung in Kiew räumte ein, die Kontrolle über Teile der krisengeschüttelten Ostukraine verloren zu haben. In den Gebieten Donezk und Lugansk seien einige Regionen in den Händen moskautreuer Aktivisten, sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow in Kiew. Er warf den Sicherheitskräften Versagen vor. "Ordnungshüter, die die Ukraine verraten haben und mit den Terroristen zusammenarbeiten, werden zur Verantwortung gezogen."
Trotz der verschärften Lage im Osten sehe man aber noch Möglichkeiten einer gütlichen Einigung mit den Separatisten. Dazu müssten allerdings die moskautreuen "Geiselnehmer" ihre Waffen niederlegen.
Separatisten wittern Morgenluft
Der prorussische Aktivistenführer und mutmaßliche russische Geheimdienstler Denis Puschilin lehnte bei einer Pressekonferenz im Zentrum von Moskau eine gütliche Einigung mit der prowestlichen Regierung in Kiew ab. Die Separatisten in der Ostukraine erhielten immer mehr Zulauf aus der Bevölkerung, behauptete der von der EU mit Sanktionen belegte Puschilin.
"Die Führung in Kiew stellt uns als Barbaren hin, aber in Wirklichkeit sind wir das Sprachrohr des ukrainischen Volkes", meinte der Protestführer. Die Separatisten hielten an einer für den 11. Mai geplanten Abstimmung für eine komplette Unabhängigkeit von der Führung in Kiew fest, sagte Puschilin.
"Putin will eine neue Weltordnung"
Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk geht nach eigenen Worten davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Kontrolle über alle ehemaligen Sowjetrepubliken zurückgewinnen will. "Seine Pläne gehen über die Ukraine hinaus", sagte Jazenjuk der Zeitung "Die Zeit" laut Vorabbericht vom Mittwoch. "Er will eine neue Weltordnung. In dieser neuen Weltordnung ist Russland wieder mächtig, eine Kopie der Sowjetunion." Putin wolle mit den russischen Streitkräften und seinen Atomwaffen die ganze Welt einschüchtern.
Als Russland die Krim eingegliedert habe, hätten alle gedacht, wenn man sie Russland gebe, werde Ruhe herrschen, sagte Jazenjuk. Nun erlebe man eine Aggression im Osten der Ukraine. Deshalb könne man niemand ernsthaft glauben, dass es diesmal nur um Donezk gehe.
In der Ostukraine sind die prorussischen Militanten weiter auf dem Vormarsch. Unbehelligt von ukrainischen Sicherheitskräften nahmen Separatisten am Dienstag auch die Gebietsverwaltung der östlichsten Großstadt Lugansk ein. In Lugansk und Gorlowka besetzten prorussische Demonstranten am Mittwochmorgen weitere Verwaltungsgebäude. (red/APA)
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(Quelle: salzburg24)