Zum Auftakt der viertägigen Visite traf der Direktor des Taiwanbüros (TAO) beim Staatsrat, der Ministerrang genießt, seinen taiwanesischen Konterpart Wang Yu-chi vom Festlandrat (MAC).
Bei der Ankunft sagte Zhang Zhijun, er wolle "die unterschiedlichen Stimmen hören", um sich aus erster Hand ein eigenes Bild über die taiwanesische Gesellschaft zu machen, wie ihn die Nachrichtenagentur CNA zitierte. Es ist die erste offizielle Visite eines hohen Regierungsvertreters aus Peking seit Ende des Bürgerkrieges zwischen den Kommunisten und den Nationalchinesen von der Kuomintang, die vor 65 Jahren mit ihren Truppen auf die Insel flüchteten.
Der Besuch war lange fraglich. Im März hatten Proteste gegen eine weitere Öffnung Taiwans für Chinas Unternehmen die Ratifizierung eines Handelspakts für den Dienstleistungssektor vorerst gestoppt. Drei Wochen lang hatten Studenten das Parlament in Taipeh besetzt. Eine halbe Million Menschen gingen auf die Straße.
Bei den Demonstrationen am Flughafen, wo das Treffen beider Politiker unter strengen Sicherheitsvorkehrungen in einem Hotel stattfand, standen Unabhängigkeitsaktivisten auch ein paar Dutzend Befürworter einer Wiedervereinigung gegenüber. Dass Zhang Zhijun trotz des aufgeheizten Klimas angereist ist, werteten Experten als Zeichen, dass China seine Haltung ungeachtet des wachsenden Widerstands unter den 23 Millionen Taiwanesen gegen eine engere Kooperation mit dem großen kommunistischen Nachbarn nicht geändert hat.
Gespräche mit Vertretern der "Sonnenblumenbewegung" der Studenten waren allerdings nicht geplant. "Wir sehen nicht, dass Zhang Zhijun ernsthaft einen Dialog mit der Zivilgesellschaft sucht", sagte Studentenführer Li Fei-Fan der Nachrichtenagentur dpa bei den Protesten am Flughafen. "Trotzdem wollen wir, dass er unsere Stimmen deutlich hört." Er forderte mehr Transparenz über die Gespräche zwischen beiden Regierungen.
Chinas Staatsmedien erwähnten die anti-chinesische Stimmung nicht direkt. "Es ist ein kleiner Schritt für Zhang, aber ein großer Sprung für die Beziehungen zwischen beiden Seiten", kommentierte die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua in Abwandlung des berühmten Satzes des ersten Menschen auf dem Mond, Neil Armstrong, den Besuch. Der Politiker wolle gegenseitiges Vertrauen fördern.
Zhang Zhijun erwidert einen Besuch seines Amtskollegen in Nanjing, wo beide Seiten im Februar den ranghöchsten offiziellen Dialog seit 1949 aufgenommen hatten. Peking betrachtet die Inselrepublik als "untrennbaren Teil Chinas" und droht mit einer gewaltsamen Rückeroberung, falls sich Taiwan formell unabhängig erklären sollte.
Taipeh wiederum ist seit 1949 der Regierungssitz der Republik China, die ebenso wie Peking lange den Anspruch erhoben hat, ganz China zu vertreten. Der Besuch von Zhang Zhijun ist bedeutend, weil die Regierungen sich eigentlich nicht offiziell anerkennen. Trotzdem hat die Zusammenarbeit in den sechs Jahren unter dem Peking-freundlichen Präsidenten Ma Ying-jeou von der Kuomintang rasant zugenommen.
Beide Seiten haben rund 20 Abkommen unterzeichnet, die die Wirtschaftskooperation ausgeweitet, Direktflüge ermöglicht, den Touristenverkehr erleichtert und Bankgeschäfte vereinfacht haben.
(Quelle: salzburg24)