80 Verletzte wurden in Sarajevo und 50 in Zenica gezählt. Die Flammen am Sitz der Präsidentschaft in Sarajevo breiteten sich bis zum zweiten Stockwerk aus, wie die amtliche Nachrichtenagentur Fena meldete. Das Präsidentschaftsgebäude hatten Demonstranten zuvor bereits mit Steinen beworfen. Andere Demonstranten stürmten das benachbarte Gebäude der Regionalregierung von Sarajevo, schlugen alle Fenster ein und legten auch dort Feuer.
In Tuzla drangen die vermummten Jugendlichen mit Abzeichen des örtlichen Fußballklubs in das Gebäude der Regionalregierung ein, zerstörten die Einrichtung und warfen Fernseher aus den Fenstern. Mehr als 5.000 Demonstranten applaudierten den Jugendlichen. Aus der ersten Etage des zehnstöckigen Gebäudes drangen Flammen und dichter schwarzer Rauch. Hunderte Polizisten, die das Gebäude zuvor gesichert hatten, zogen sich zurück. Sie riegelten stattdessen ein Gebäude in der Nähe ab, in dem die Notdienste der Stadt untergebracht sind.
Einer der Anführer des Protests in Tuzla, Aldin Siranovic, forderte in einer Rede an die Menge den Rücktritt der Regierung. "Sie bestehlen uns seit 25 Jahren und zerstören unsere Zukunft", rief er zur Begründung. Am Abend versuchte die Feuerwehr, zwei Brände in Gebäuden der Stadtverwaltung zu löschen. In Zenica im Zentrum des Landes wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen 3.000 Demonstranten und Sicherheitskräften fünf Polizisten verletzt.
Die Demonstrationen sind die größten seit dem Bosnienkrieg (1992-95). Sie sind Ausdruck der Verzweiflung der Menschen und ihrer Wut über eine vielfach korrupte Führungsschicht, die sich außerstande zeigt, die verheerende Wirtschaftslage in den Griff zu bekommen.
Die Lage hat sich indessen am Abend beruhigt. Dies sagte der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko am Abend in der ZiB2 des ORF. Allerdings seien noch nicht alle Brände gelöscht und das gesamte Stadtarchiv in Sarajevo verbrannt. Das Archiv habe drei Kriege überstanden, "der Schaden ist immens", zeigte sich Inzko erschüttert.
Es ginge bei den Protesten "um die soziale Lage vieler und den Reichtum einiger weniger", so Inzko, der durchaus Verständnis für den Unmut der Bevölkerung äußerte. Der Dayton-Vertrag sei eben ein Friedensvertrag gewesen und habe nicht zu einer perfekten Verfassung geführt. So gebe es allein im bosnisch-kroatischen Landesteil 150 Minister und 14 Regierungschefs sowie viele Doppelgleisigkeiten. Man arbeite aber an einer Verfassungsänderung im größeren Landesteil, so sei zur Zeit ein Entwurf mit 188 Änderungsvorschlägen auf dem Tisch.
"Ausländer waren von den Ausschreitungen nicht betroffen", so Inzko. Der österreichische Botschafter habe ihm am Abend versichert, dass alle Österreicher wohlauf seien und alle in Bosnien-Herzegowina tätigen österreichischen Firmen die Ausschreitungen unbeschadet überstanden hätten.
Über ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft soll in einer Sitzung am Dienstag entschieden werden, meinte Inzko. Allerdings hätten die Leute ein Recht auf einen friedlichen Protest, nur wenn es weitere Ausschreitungen und Hooliganismus gebe, würde man dies in Betracht ziehen. In Bosnien-Herzegowina sind 800 Friedenssoldaten stationiert, darunter 300 Österreicher.
(Quelle: salzburg24)