Putin betonte, dass aus russischer Sicht immer noch der im Februar gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch legitimer Staatschef sei. "Grundsätzlich kann es keine Wahl geben, da Janukowitsch als Präsident im Amt ist. Aber auch wir wollen, dass endlich Ruhe einkehrt (in der Ukraine) und werden die Wahl des ukrainischen Volkes respektieren."
Angesichts der andauernden gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Sicherheitskräften im Osten des Landes hatte Moskau die Legitimität des Urnengangs und des künftigen Präsidenten jüngst wiederholt offen angezweifelt. Der Westen hatte Russland mit Wirtschaftssanktionen gedroht, sollte es versuchen, den Urnengang zu vereiteln. "Alle Versuche, die Wahlen unmöglich zu machen oder im Voraus zu delegitimieren, müssen unterbleiben", bekräftigte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Freitag.
Putin bekräftigte seine indirekte Drohung an den Westen, dass Sanktionen gegen Russland einen Bumerang-Effekt haben würden. Das Streben der USA nach einer unipolaren Weltordnung sei gescheitert, sagte er vor zahlreichen Wirtschaftsmanagern. Die große Sorge Russlands sei, dass die Ukraine der NATO beitreten könnte, betonte der Kreml-Chef. Zuvor hatte der russische Vizepremier Igor Schuwalow unterstrichen, dass die Integration des postsowjetischen Raumes eine Strategie Russlands sei. Jene Leute, die dies behindern, "versuchen, die Basis unserer wirtschaftlichen Stärke zu zerstören", sagte Schuwalow.
Putin verteidigte den Anschluss der Krim, weil damit eine ähnliche Eskalation der Gewalt wie in den mehrheitlich russischsprachigen Gebieten der Ostukraine verhindert worden sei. "Wir haben eine solche Tragödie abgewendet", sagte er. Das Land befinde sich in einem "echten Bürgerkrieg", für den die USA die Mitverantwortung tragen, kritisierte Putin. Auf die Weigerung des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, ein EU-Annäherungsabkommen zu unterzeichnen, "folgte ein Putsch, der durch unsere amerikanischen Freunde unterstützt wurde. Das Ergebnis ist Chaos und ein echter Bürgerkrieg."
Moskau konkretisierte auch die von Putin zu Wochenbeginn gemachte Abzugsankündigung. Vize-Verteidigungsminister Anatoli Antonow sagte, "innerhalb von wenigen Tagen" würden "100 Prozent" der an die ukrainische Grenze verlegten Einheiten wieder abgezogen. Der Abzug wurde damit begründet, die Präsidentenwahl nicht zu stören.
Kiew hat Russland am Freitag erneut vorgeworfen, die für den Sonntag geplante Präsidentschaftswahl in der Ukraine sabotieren zu wollen. "Russland versucht weiter, unser Land zu destabilisieren. Die Versprechen von Präsident Putin stimmen nicht mit seinen Taten überein", sagte der ukrainische UNO-Botschafter Juri Sergejew in New York. "Trotz mehrfacher Versprechen hat Russland seine Soldaten nicht von der Grenze abgezogen. Stattdessen gibt es Manöver der Luftwaffe, bei dem vor allem der Angriff auf Bodenziele geübt wird." Sergejew warf Moskau vor, terroristische Gruppen zu unterstützen.
"Russland hat ein Interesse an Unruhe, insbesondere im Osten unseres Landes." Die Separatisten würden nicht einmal mehr verstecken, dass sie Unterstützung aus Russland bekämen. "Wir werden von Lügen und Propaganda überflutet. Russland verbreitet die Lüge, dass es quasi einen Bürgerkrieg in der Ukraine gibt. Aber es schießen keine Ukrainer auf Ukrainer, selbst wenn wir unsere Differenzen haben." Sergejew erwartet nach eigenen Worten eine Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent, "in Donezk und Lugansk sicher etwas weniger, woanders mehr". Die Wahl werde ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der Situation sein.
In den ostukrainischen Unruhegebieten gingen die Kämpfe unterdessen weiter. Mindestens fünf Menschen kamen in der Nähe des Dorfes Karliwka bei Donezk ums Leben, berichtete ein Augenzeuge. Vier Opfer seien Kämpfer aus den Rehen der prorussischen Separatisten. Pro-ukrainische Milizen hatten zuvor von Kämpfen in der Nähe von Donezk berichtet. Am Donnerstag waren mindestens 13 ukrainische Soldaten bei einem Feuergefecht mit Rebellen getötet worden. Die Separatisten hatten rund um die Industriestadt Donezk eine eigene "Volksrepublik" ausgerufen und wollen die Präsidentenwahlen boykottieren.
Die Kiewer Behörden teilten mit, dass im Osten auch Mitarbeiter von Wahlkommissionen in der Ostukraine entführt worden seien. Wahllokale in den gewaltüberschatteten Ostregionen würden attackiert und Wahlunterlagen und Büros zerstört, sagte Mykola Holomsha, Vize-Generalstaatsanwalt, am Freitag der Presse. "Kriminelle Gruppen" versuchten die Wahl zu stören. Vize-Innenminister Mykola Velykovych berichtete, dass 55.000 Sicherheitskräfte die rund 32.000 Wahllokale schützen sollen.
Auch 2.700 Wahlbeobachter aus 19 Ländern sollen im Einsatz sein. Eine eigene Mission mit 800 Beobachtern aus Russland finanziert der russische Ex-Ölmagnat und Regimekritiker Michail Chodorkowski, der Kreml will jedoch keine Beobachter schicken. "Wir werden uns anschauen, wie diese Wahl verläuft", sagte der Chef der Kremlverwaltung, Sergej Iwanow.
Der Favorit bei der Präsidentenwahl, Petro Poroschenko, versprach unterdessen rasche Parlamentswahlen nach seinem Amtsantritt. "Das ist eine der Forderungen des Maidan. Ein Neustart der Macht ist das, was die Mehrheit der Menschen wünscht", sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Itar-Tass. "Nach den Wahlen muss eine neue Koalition gebildet werden auf Grundlage unseres gemeinsamen Ziels, der europäischen Integration."
(Quelle: salzburg24)