Die Journalisten wurden beschuldigt, die inzwischen verbotene Muslimbruderschaft unterstützt und falsche Nachrichten verbreitet zu haben. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Medienleute sehen sich als Opfer des politischen Disputs zwischen Ägypten und Katar. Al-Jazeera gehört der Herrscherfamilie des Emirats Katar und hat seinen Sitz in der Hauptstadt Doha. Katar unterstützt die Muslimbruderschaft, die in Ägypten nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär 2013 verboten wurde. Militärchef war damals der heutige Präsident Abdel Fattah al-Sisi.
Die USA haben Ägypten zur Begnadigung der zu langen Haftstrafen verurteilten Al-Jazeera-Journalisten aufgefordert. Die Strafen seien "politisch motiviert", kritisierte der Sprecher von Präsident Barack Obama, Josh Earnest, am Montag in Washington. Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi müsse für die "sofortige Freilassung" der Journalisten sorgen. Das Urteil verletze "die grundlegenden Standards der Pressefreiheit" und sei ein "Rückschlag für den demokratischen Prozess" in Ägypten.
US-Außenminister John Kerry nannte die Entscheidung der ägyptischen Justiz "schauerlich und drakonisch". Am Rande eines Besuchs in der irakischen Hauptstadt Bagdad beklagte Kerry, dass der Prozess gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen habe. Kerry erklärte, er habe die Regierung in Kairo auf den "Unmut" der USA wegen des Urteils hingewiesen.
Die Verteidigung nannte die Vorwürfe des Gerichts "absurd". International riefen die Urteile Empörung hervor. Der Prozess habe es an fundamentalen Normen des Rechtsstaates mangeln lassen, heißt es in einer Erklärung von US-Außenminister John Kerry. "Die heutigen Verurteilungen widersprechen völlig der bedeutenden Rolle der Zivilgesellschaft, einer freien Presse und des Rechtsstaatsprinzips." Er forderte die ägyptische Regierung auf, alle "politischen Verurteilungen" der vergangenen Jahre zu überprüfen und Begnadigungen erwägen.
Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich "tief besorgt" über die Urteile. "Vorgänge, die ganz klar nicht die Standards eines fairen Prozesses erfüllen, untergraben die Aussichten auf langfristige Stabilität", erklärte Ban in New York. Friedliche Proteste oder Kritik an der Regierung dürften keine Gründe für Verfolgung und Bestrafung sein.
Großbritannien bestellte den ägyptischen Botschafter Ashraf Elkholy ins Außenministerium ein. Die australische Außenministerin Julie Bishop kündigte eine Intervention bei der ägyptischen Regierung an. "Wir sind darüber bestürzt, dass es eine Verurteilung gab und entsetzt über die Härte des Richterspruchs", sagte sie.
Unter den 20 Angeklagten waren fünf ägyptische Studenten und weitere Journalisten, die sich außer Landes aufhalten. Zwölf Personen wurden in Abwesenheit zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt - unter ihnen zwei britische Al-Jazeera-Mitarbeiter und ein niederländischer Radiojournalist. Drei ägyptische Studenten, die nach eigener Aussage nichts mit dem Nachrichtensender zu tun haben, sich aber über Misshandlungen im Gefängnis beklagt hatten, erhielten jeweils sieben Jahre Haft. Zwei Studenten wurden freigesprochen.
Prozessbeobachter von Amnesty International äußerten Unverständnis über die Urteile. Der Menschenrechtsanwalt Mohammed Lutfi sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Die Verteidigung hat die Unschuld der Angeklagten sehr gut dargelegt." Die konfiszierten Videos bestanden seinen Angaben nach aus Aufnahmen, "die jeder Journalist in Ägypten" machen würde. Die Organisation Reporter ohne Grenzen sprach von einem "neuen Tiefschlag für die Pressefreiheit".
Ägypten geht seit Mursis Entmachtung massiv gegen Muslimbrüder und ihre Unterstützer vor. Erst am Wochenende wurden 183 Todesurteile gegen Islamisten wegen gewalttätiger Proteste und Mordes bestätigt. Im vergangenen Herbst haben Ägyptens Behörden wegen angeblich positiver Berichterstattung über die Muslimbruderschaft die Schließung des Tochterkanals Al-Jazeera-Live-Ägypten angeordnet. Dieses Verfahren läuft noch.
(Quelle: salzburg24)