Tausende Demonstranten zogen am frühen Abend in Istanbul über die nahe Istiklal-Straße, berichteten Augenzeugen. Die Menschen trugen Fahnen und forderten in Sprechchören erneut den Rücktritt der islamisch-konservativen Regierung. Nach dem Rückzug der Polizei aus dem Stadtteil am Vortag verlief der Protest hier friedlich.
Die Proteste entzündeten sich an einem Bauvorhaben im Gezi-Park, einer an den Taksim-Platz angrenzenden Grünfläche, nahmen aber rasch eine allgemein regierungskritische Wendung und weiteten sich auf nahezu 50 türkische Städte aus. Kritiker werfen der türkischen Polizei seit Jahren unverhältnismäßigen Gewalteinsatz auch gegen friedliche Demonstranten vor.
Rund um den Taksim-Platz setzte die Polizei am Samstag Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Demonstranten reagierten mit Steinwürfen und forderten die Regierung zum Rücktritt auf. Schließlich zogen sich die Sicherheitskräfte zurück, obwohl Erdogan noch wenige Stunden zuvor angekündigt hatte, in der Auseinandersetzung hart zu bleiben. Der Regierungschef räumte jedoch ein, dass die Polizei in einigen Fällen "extrem" auf die Proteste reagiert habe.
Zugleich wies Erdogan am Sonntag Kritik an seinem autoritären Regierungsstil zurück. Die jüngsten Proteste seien von der Opposition angezettelt worden. Die Proteste hätten nichts mit seinen Plänen zum Umbau des Taksim-Platzes zu tun, sagte Erdogan am Sonntagabend im türkischen Fernsehen. Sie würden vielmehr von der größten Oppositionspartei provoziert, die an jeder Straßenecke zum Widerstand aufrufe. Es gehe darum, seine islamisch-konservative Regierungspartei AKP bei den kommenden Kommunalwahlen in Istanbul zu schwächen. Mit Blick auf die Demonstranten sprach Erdogan von "einigen Plünderern". Die Pläne zum Umbau des Taksim-Platzes werde er fortsetzen, bekräftigte er.
(Quelle: salzburg24)