Trotz der Waffenruhe, die nach bisherigem Stand am Freitagabend enden sollte, gingen die Kämpfe in einigen Städten im Osten der Ukraine weiter. Die Europäische Union drohte Russland abermals mit Wirtschaftssanktionen. Der Westen wirft der Regierung in Moskau vor, die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen. Die Rebellen ließen indes vier internationale Beobachter frei, die sie wochenlang festgehalten hatten.
Poroschenko sagte, er wolle noch am Freitag in Kiew mit seinen Militärberatern und dem Verteidigungsminister über eine Verlängerung der Waffenruhe sprechen. Russland würde einen solchen Schritt begrüßen, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Es dürfe sich dabei aber nicht lediglich um ein längeres Ultimatum an die Separatisten handeln, die Waffen abzugeben. Der Westen hofft, dass die Waffenruhe für Friedensverhandlungen mit den Rebellen in der Ostukraine genutzt wird.
Die prorussischen Kräfte in der Ostukraine wollen Alexander Borodaj einer Verlängerung der Waffenruhe bis zu diesem Montag zustimmen. Die nicht anerkannte "Volksrepublik" Donezk sei bereit, den Vorschlag einer Feuerpause bis zum 30. Juni anzunehmen, sagte der Separatistenführer Borodaj am Freitag der Agentur Interfax zufolge.
Die 28 EU-Staats- und Regierungschefs forderten, dass bis Montag die übrigen festgehaltenen Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) freigelassen werden müssten - dann würde die in Aussicht gestellte neue Waffenruhe enden. Zudem sollen die Separatisten drei Grenzposten räumen und substanziell über den Friedensplan Poroschenkos verhandeln.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel machte deutlich, dass die EU schon in den nächsten Stunden Fortschritte erwarte. Wenn es keine Bewegung gebe, sei die EU bereit, "tiefgreifende Maßnahmen zu ergreifen." Dabei sei nicht festgelegt, ob dies nur Kontensperrungen und Reisebeschränkungen oder auch Wirtschaftssanktionen umfasse. Frankreichs Präsident Francois Hollande kündigte an, am Sonntag mit Merkel, Poroschenko und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonisch über die Situation zu beraten.
Zuvor hatten Separatisten ein seit mehr als einem Monat festgehaltene Beobachterteam in Donezk an Vertreter der OSZE überstellt. Die bedingungslose Freilassung der vier Männer sei eine Geste des guten Willens, sagte Borodai. Die vier Beobachter wirkten müde und angespannt.
Das OSZE-Büro in der Ukraine begrüßte die Freilassung, zeigte sich zugleich aber "sehr besorgt um das Schicksal von vier weiteren Kollegen", die ebenfalls Ende Mai in der Ostukraine entführt worden waren. Das Auswärtige Amt rief die Separatisten auf, ihre übrigen vier OSZE-Geiseln "unverzüglich" freizulassen.
Trotz der Waffenruhe griffen Separatisten Regierungstruppen an und töteten einem Militärexperten zufolge vier Soldaten. Die Kämpfer hätten einen Stützpunkt bei Kramatorsk gestürmt, berichtete der Blogger Dmitri Timtschuk, der gute Verbindungen ins Militär haben soll. Nach seinen Informationen haben die Rebellen Granaten eingesetzt und wurden von acht russischen Panzern unterstützt. Auch bei Slawjansk und Artemiwsk hätten die Rebellen Regierungstruppen angegriffen.
Poroschenko zementierte inzwischen die EU-Ausrichtung der Ukraine, gegen die sich Russland seit Jahren stemmt. In Brüssel unterzeichnete er den zweiten Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU. Nach der Zeremonie sprach er von einem "historischen Tag, dem wichtigsten seit der Unabhängigkeit" 1991. Sein Land habe nun eine "vollkommen neue Perspektive". EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy feierte einen "Meilenstein" in den Beziehungen zwischen Kiew und Brüssel.
Die Ukraine soll stufenweise freien Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten. "In den vergangenen Monaten hat die Ukraine den denkbar höchsten Preis gezahlt, um den europäischen Traum Wirklichkeit werden zu lassen", sagte Poroschenko.
Russland hatte sich energisch dagegen gestemmt. Nach der Unterzeichnung in Brüssel machte Präsident Wladimir Putin die EU für die fortdauernde Ukraine-Krise verantwortlich. "Die Versuche, die Ukrainer vor eine künstliche Wahl zwischen Europa und Russland zu stellen, haben zu einer Spaltung der Gesellschaft und einer schmerzvollen internen Konfrontation geführt", sagte er in Moskau.
(Quelle: salzburg24)