Die Armee versucht seit der Einnahme der Rebellenhochburg Slawjansk am vergangenen Samstag auch die strategisch bedeutsamen Großstädte Donezk und Luhansk (Lugansk) einzukesseln, um die dortigen Aufständischen zu vertreiben. Am Freitag waren unter anderem rund um den schwer beschädigten und seit den Kämpfen im Mai geschlossenen Flughafen von Donezk Flugzeuge am Himmel zu sehen und schweres Artilleriefeuer sowie Flakgeschütze zu hören.
Aus Furcht vor Bombardierungen flohen dutzende Familien aus der Stadt. Im Hauptbahnhof standen etwa 200 Menschen Schlange vor den Fahrkartenschaltern. Die Rebellen zeigten sich unterdessen weiterhin entschlossen, Donezk und das 500.000 Einwohner zählende Luhansk zu verteidigen.
Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums starben allein am Freitag in der Früh 19 Soldaten bei einem Raketenangriff in der Nähe der Ortschaft Rowenki bei Luhansk, einer der schwersten Verluste der Regierungstruppen seit Beginn des Konflikts. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erklärte: "Für jeden toten Soldaten werden die Rebellen mit dem Tod von dutzenden und hunderten ihrer Kämpfer bezahlen". Die Armee teilte unterdessen mit, fast hundert Rebellen "eliminiert" zu haben.
In einem aktuellen Bericht von Amnesty International heißt es, sowohl Aufständische als auch Soldaten hätten sich "gravierende Menschenrechtsverletzungen" zuschulden kommen lassen. Aktivisten, Demonstranten und Geiseln seien nach eigenen Schilderungen auf "erschütternde" Weise behandelt worden. Vor allem die Rebellen nahmen Amnesty zufolge zahlreiche Geiseln. Diese seien "oft brutal geschlagen und gefoltert" worden.
Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin forderte die Führung in Kiew zu einer sofortigen Feuerpause auf. "Unter dem Deckmantel eines Friedensplans zieht Präsident Poroschenko unbarmherzig eine Militäraktion gegen die eigene Bevölkerung durch", sagte er. Tschurkin machte Druck wegen einer Ukraine-Resolution des UNO-Sicherheitsrats. "Wir haben heute einige Elemente kommuniziert und erwarten bis Montag, 10 Uhr (Ortszeit), Antworten", sagte er in New York. Bisherige Vorstöße waren am Widerstand westlicher Staaten gescheitert, die Moskau vorwarfen, einseitig Kiew zu beschuldigen.
Poroschenko versicherte nach Angaben des Präsidialamts in einem Telefonat mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Bereitschaft zu einer "beidseitigen Waffenruhe". Gleichzeitig habe Poroschenko in dem Gespräch am Donnerstagabend betont, dass eine Kontrolle der Grenze zu Russland unerlässlich sei. Nur so könne ein Einsickern von Waffen und Kämpfern aus dem Nachbarland verhindert werden.
Die deutsche Bundesregierung teilte mit, "Gespräche der Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE mit Vertretern der Separatisten" seien "dringend notwendig". Merkel mahnte Poroschenko demnach, "bei seinem legitimen Vorgehen gegen die Separatisten die Verhältnismäßigkeit zu wahren".
Merkel will am Sonntag am Rande des Fußball-WM-Finales in Rio de Janeiro kurz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Ukraine-Krise sprechen, wie Putins Sprecher Dmitri Peskow mitteilte. Merkel reist mit dem deutschen Bundespräsident Joachim Gauck zum Finale Deutschland gegen Argentinien. Dazu wird auch Putin erwartet. Russland ist 2018 nächster Gastgeber der Weltmeisterschaft. Regierungssprecher Steffen Seibert hielt ein Gespräch für "möglich".
Poroschenko hatte eine von ihm ausgerufene einseitige und ständig durchbrochene Waffenruhe in der vergangenen Woche für beendet erklärt. Das Militär setzte daraufhin seine Offensive gegen die Regierungsgegner im Osten fort. Das kommissarische Oberhaupt der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Metropolit Onufri, rief die Rebellen am Freitag auf, ihre Waffen niederzulegen.
(Quelle: salzburg24)