Nach Angaben örtlicher Wahlbeobachter kam es am Montag in Kairo, Alexandria und mehreren Provinzstädten zu Protestaktionen der Muslimbruderschaft, die zu einem Boykott des Urnengangs aufgerufen hatte. Die Demonstranten bezeichneten die Wahl als "Theater". Vor einigen Wahllokalen detonierten kleine Sprengsätze Marke Eigenbau. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde niemand verletzt. Damit blieb die Abstimmung friedlicher als frühere Wahlen in Ägypten.
Ein Sprengsatz wurde vor eine Schule im Kairoer Stadtteil Giza geworfen. In der Oase Fajum erschraken Wähler, als ein Mann einen Sprengsatz gegen die Mauer einer Grundschule warf, in der abgestimmt wurde. Ein weiterer Sprengsatz sei im Fajum vor einer Schule in einem Müllhaufen versteckt worden, sagte Mohammed Abdel Wahab, ein Wahlbeobachter der Ägyptischen Menschenrechtsorganisation (EOHR). Die Polizei habe die Bombe entschärft. Ein mit Zement verstärkter Sprengsatz produzierte vor einem Wahllokal in Al-Mahalla Al-Kubra eine große Rauchwolke.
In Alexandria löste die Polizei laut Augenzeugen zwei Demonstrationen der Muslimbrüder mit Gewalt auf. Im Fajum und im Kairoer Viertel Kerdesa vertrieb die Polizei Demonstranten, die eine Straße blockiert hatten. In Al-Sagasig schoss die Polizei in die Luft, um demonstrierende Mursi-Anhänger zu vertreiben. Das Nachrichtenportal "Al-Ahram" meldete, sieben Studenten seien festgenommen worden.
Die Wahlbeteiligung war in den meisten Bezirken eher niedrig. Die Wähler haben allerdings noch bis diesen Dienstagabend Zeit, ihre Stimme abzugeben. Bei dem bis Dienstag dauernden Urnengang gilt der frühere Armeechef, Verteidigungsminister und Vizeregierungschef Abdel Fattah al-Sisi als haushoher Favorit. Der 59-Jährige versprach den Wählern einen Aufschwung und will seinen Kampf gegen die Islamisten fortsetzen.
Al-Sisi ist seit der Absetzung Mursis durch das Militär im Juli vergangenen Jahres unbestritten der starke Mann des Landes. In der etwa 86 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Ägyptens genießt er großen Rückhalt. Sein einziger Gegenkandidat ist der Linkspolitiker Hamdeen Sabbahi, dem aber keine Chancen eingeräumt werden.
Die Wahl wird von den Sicherheitskräften mit einem massiven Aufgebot überwacht, es werden Anschläge von militanten Anhängern Mursis befürchtet. Seine islamistische Muslimbruderschaft wurde inzwischen verboten, tausende Unterstützer sitzen wie Mursi selbst in Haft, hunderte wurden zu langen Gefängnisstrafen oder zum Tod verurteilt.
"Die ganze Welt schaut auf uns, wie die Ägypter Geschichte schreiben und ihre Zukunft aufbauen", sagte al-Sisi am Montag bei der Abgabe seiner Stimme in der Hauptstadt Kairo, wo ihn zahlreiche Anhänger erwarteten und ihre Unterstützung bekundeten. Seine Landsleute sollten zuversichtlich sein, dass die Zukunft "schön und groß" werde, sagte al-Sisi. Für ihn war es die erste Wahl. Denn als Armeeangehöriger hatte er bisher nicht abstimmen dürfen.
Zu dem Urnengang in Ägypten waren etwa 53 Millionen registrierte Wähler aufgerufen. Al-Sisi rief während des Wahlkampfes zu einer regen Beteiligung auf. Er versprach den Wählern vor allem Stabilität und Wirtschaftswachstum. Nach seiner Ansicht kann es noch "20 bis 25 Jahre" dauern, bis in Ägypten "wahre Demokratie" Einzug hält. Mit ersten Ergebnissen wird Mittwoch gerechnet. Das offizielle Ergebnis soll am 5. Juni verkündet werden.
(Quelle: salzburg24)