In Lille türmt sich der französische Meister und erste Verfolger als Hürde auf. Vor dem vorletzten Gruppenspiel führt Salzburg mit besten Aufstiegs-Chancen die Tabelle mit zwei Punkten Vorsprung an.
Bullen mit Zuversicht und Understatement
Mit demonstrativer Zuversicht und dem gewohnten Understatement brachen die Bullen am Montag nach Lille auf. "Wir fahren mit einer breiten Brust nach Lille und wollen sie natürlich noch mal ärgern. Wir sind guten Mutes und gut vorbereitet", sagte Trainer Matthias Jaissle am Salzburger Flughafen. Er betonte, nicht gern von Matchbällen sprechen zu wollen und warnte stattdessen vor einer "Top-Mannschaft" mit "unfassbarer Qualität". "Wir müssen auf der Hut sein."
Okafor in Lille fraglich
Dass der aktuelle Zwölfte der Ligue 1 schlagbar ist, zeigten die Salzburger beim 2:1-Heimsieg. Jaissles Personal ist unverändert, sogar dieselbe Startformation wie im Hinspiel Ende September gilt als wahrscheinlich. Hinter Angreifer Noah Okafor, der an einer Oberschenkel-Verhärtung laboriert, stand allerdings noch ein Fragezeichen. Oumar Solet trainiert wieder voll mit der Mannschaft mit, ein Einsatz über die vollen 90 Minuten komme laut Jaissle noch zu früh.
Erster Salzburg-Aufstieg zum Greifen nahe
Das Spiel im Norden Frankreichs hat das Potenzial für ein historisches Ereignis. Mit einem Sieg würden die Salzburger erstmals in der Klub-Geschichte in die K.o.-Runde der Königsklasse einziehen. Auch ein Remis würde reichen, wenn Sevilla gleichzeitig kein Heimsieg gegen Wolfsburg gelingt. Den Aufstieg aus der ersten Gruppenphase hat von österreichischen Klubs bisher nur Sturm Graz geschafft. 21 Jahre ist das mittlerweile her. Der Coup 2021 würde durch zusätzliche 9,6 Millionen Euro vergoldet, die von der UEFA für die Achtelfinal-Qualifikation ausgeschüttet werden. Aber auch ein Horror-Szenario mit zwei Siegen und dem internationalen Aus ist rechnerisch noch möglich.
"Tabelle im Hinterkopf"
Während sich Jaissle weiterhin auf keine Rechenspiele einlässt, gab Okafor zu, er würde die Dinge gerne schon am Dienstag regeln. "Wir haben uns eigentlich vorgenommen, immer von Spiel zu Spiel zu schauen", sagte der Schweizer, gestand aber: "Die Tabelle ist immer ein bisschen im Hinterkopf." Nach drei Spielen mit sieben Punkten schon fantastisch auf Kurs, könnte es doch noch knapp werden. Das 1:2 im vergangenen Gruppenspiel in Wolfsburg war ein erster kleiner Dämpfer.

Französischer Hexenkessel
Auch in der Liga agierte Salzburg mit einem 1:0 gegen Austria Wien und dem 0:0 gegen die Admira zuletzt ohne Glanz. Jaissle lächelte die Frage nach dem aktuell fehlendem Killerinstinkt bei Karim Adeyemi und Co. milde weg. "Am Wochenende hatten wir auch ein Stück weit Pech." Das habe er auch in seiner morgendlichen Ansprache an die Mannschaft klargemacht. "Ich bin mir sicher, dass wir das morgen schon wieder besser machen." Auch Okafor meinte: "Wir sind fähig, jeden Gegner zu ärgern und zu schlagen."
Vor pandemisch bedingten Geisterspielen in Österreich – darunter das Gruppen-Finale am 8. Dezember gegen Sevilla – dürfte es auch auf den Rängen noch einmal hitzig werden. Das knapp 50.000 Zuschauer fassende Stade Pierre Mauroy wird gut gefüllt sein. Das für die EM 2016 gebaute Stadion genießt durch sein schließbares Dach den Ruf eines Hexenkessels.
Okafor erwartet Tollhaus
Jaissle prognostizierte: "Das wird 'ne geile Atmosphäre sein." Okafor erwartete eine ähnliches Tollhaus wie in der Champions-League-Qualifikation in Bröndby. "Wenn wir versuchen, das so gut wie möglich auszublenden und uns auf uns fokussieren, werden wir es gut machen."
Der Gegner hat zu einem "match capital", einem Entscheidungsspiel, geladen. Zwanzig Jahre nach dem allerersten Königsklassen-Auftritt Lilles werden die damaligen Helden zum Daumendrücken erwartet. Zum Feiern war dem Sensationsmeister des Vorjahres zuletzt selten zumute. Zwar hievte sich die Mannschaft von Jocelyn Gourvennec durch den 2:1-Sieg in Sevilla im Europacup in eine ausgezeichnete Position, doch in der Ligue 1 läuft es holprig.
Lille ist sehr angeschlagen
Seit fünf Liga-Spielen ist Lille ohne Sieg. "Die Doggen sind müde", hieß es zuletzt – und ersatzgeschwächt. Das gesamte Dreiermittelfeld vom Sevilla-Erfolg könnte fehlen. Renato Sanches ist mit einer Adduktorenverletzung vom portugiesischen Nationalteam zurückgekommen, Benjamin André und Jonathan Ikoné sind gelbgesperrt. Zudem vermisste der Trainer zuletzt Abgeklärtheit und Reife. AS Monaco wurde am Freitag, dem Nationalfeiertag im Fürstentum, trotz Überzahl noch der Ausgleich geschenkt (2:2).
Gut in Schuss ist hingegen der kanadische Jungstar Jonathan David, der sieben der jüngsten neun Lille-Tore in Pflichtspielen erzielt hat. Geleitet wird die Partie vom Engländer Anthony Taylor, dem Schiedsrichter des EM-Achtelfinales zwischen Österreich und Italien.
(Quelle: salzburg24)