Der 24. April könnte Red Bull Salzburg noch länger verfolgen. Die ebenso überraschende wie verdiente 3:4-Niederlage bei Austria Klagenfurt kostete den Serienchampion die Tabellenführung und drängt die Bullen plötzlich in die Rolle des Außenseiters. Just vor dem möglicherweise vorentscheidenden Heimduell mit dem um drei Punkte enteilten Sturm Graz am Sonntag setzte es für Alexander Schlager und Co. einen mentalen Tiefschlag. "Nicht würdig", urteilte der Tormann.
Salzburg-Trainer Cinel "hat keine Erklärung"
Eigentlich hatte man nach dem frühen Doppelpack von Karim Konate (10., 18.) im zweiten Spiel unter Neo-Coach Onur Cinel die Trümpfe in der Hand. Dann aber ließen die Gäste alles vermissen, was vom nominell besten heimischen Team zu erwarten ist. "Wir haben nach der 2:0-Führung unverständlicherweise nicht mehr die Intensität und Energie auf den Platz bekommen, die wir normalerweise haben", bemängelte ein konsternierter Cinel, der drei Tage zuvor beim Heim-4:2 über Klagenfurt noch ein Spektakel Marke Salzburg bejubeln hatte dürfen.
"Ich habe keine Erklärung für diesen Rückfall, denn wir haben vor wenigen Tagen noch gegen die gleiche Mannschaft richtig gut Fußball gespielt", erinnerte der Deutsche. Schon in der ersten Hälfte geriet seine Equipe gegen die von Beginn an mutig und aktiv auftretenden Hausherren mehrmals in Bedrängnis, vergab durch Roko Simic aber auch die Topchance auf das 3:0 (38.). Der Kroate war zu eigensinnig und entschied sich für einen Schuss, anstatt den freistehenden Oscar Gloukh zu bedienen, der vor dem leeren Tor nur noch einzuschieben brauchte. Bald nach Wiederbeginn bestrafte Solomon Bonnah (52.) dann Salzburgs Verwaltermentalität mit dem Anschlusstreffer. "Klagenfurt hat unsere Fehler eiskalt ausgenützt", konstatierte Cinel.
Vier (!) Bullen-Gegentore in einer Halbzeit
Seine Truppe, in der jüngeren Vergangenheit defensiv ohnehin vergleichsweise anfällig, bot dem Gegner einmal mehr zu viel an und zeigte zudem, wie fragil der mentale Zustand derzeit ist. "Wir sind verunsichert, wenn wir ein Gegentor bekommen", stellte Schlager fest. Der ÖFB-Teamtormann musste in einer Halbzeit schließlich vier Mal hinter sich greifen. Dreimal war Andy Irving mit einem lupenreinen Hattrick (63., 74., 85./Foulelfmeter) zur Stelle und sorgte dafür, dass Salzburg erstmals seit 2008 noch eine 2:0-Führung verspielte. "Da war heute etwas in der Luft, ich habe das gespürt", meinte der schottische Goalgetter nach seiner Gala. Solomon Bonnah (52.) erzielte den 1:2-Anschlusstreffer vor Irvings Dreierpack.
Für Salzburg riecht es hingegen nach einem Abschied vom liebgewonnenen Titelhamstern. In der aktuellen Form ist der Ligakrösus gegen die auf der Welle surfenden Grazer derzeit nur noch der Außenseiter. Cinel gab sich freilich optimistisch. "Wir müssen besprechen, woran es lag, dass wir den Schalter nicht von Beginn an gefunden haben, die Aktivität und die Intensität nicht gefunden haben. Dafür müssen wir sofort, noch vor Sonntag eine Lösung finden. Da gibt es jetzt auch eine mentale Komponente. Das ist lösbar, aber es muss sehr, sehr schnell gehen."

Bitter auch, dass Innenverteidiger Strahinja Pavlovic nach seiner fünften Gelben Karte in Klagenfurt gegen Sturm gesperrt ist. Die Reklamationen des Serben nach seinem - vorerst nicht gegebenen - Anschlusstreffer zum 3:4 (87.) kosten ihn die Teilnahme am Schlager. Da half es auch nichts mehr, dass das Tor nach VAR-Studium doch gegeben wurde. Cinel war ihm aber nicht gram. "Aus der Emotion heraus ist das nachvollziehbar." Der Interimstrainer und Pavlovic wurden für das zu große Risiko bestraft.
Totales Chaos bei Red Bull Salzburg droht
Vieles spricht derzeit also dafür, dass Salzburgs Herrschaft nach elf Jahren endet. Eine titellose Saison wäre für die Mozartstädter nach dem Cup-Aus und ohne Europacup-Spiele im Frühjahr der Super-GAU. Die Bullen-Krise ist trotz Millionen-Erlöse und des höchsten Klubs-Budgets der Liga unübersehbar, ein totales Chaos droht. Durchhalteparolen sind derzeit das stärkste Argument, über das die Bullen verfügen. "Wir werden versuchen, die Köpfe für Sonntag aufzurichten. Wenn es zu hundert Prozent passt, dann können wir gewinnen", betonte Schlager. "Es geht ganz viel um die Einstellung. Wir haben es in der Hand, können viele Dinge sofort verändern. Aber wir müssen es machen."
Klagenfurts Trainer Peter Pacult hatte nach dem ersten Sieg in der Meistergruppe hingegen gut lachen. Vier Runden vor Schluss liegt sein Team nun einen Punkt vor Hartberg auf Rang fünf. "Hut ab vor meiner Mannschaft, die enormen Charakter gezeigt und ein 0:2 gegen den regierenden Meister weggesteckt hat", meinte der 64-Jährige. "Auch nach dem Rückstand hatten wir nie das Gefühl, dass Salzburg uns beherrscht hätte. Wichtig war das schnelle Tor nach der Pause, dann hat sich die Mannschaft in einen Flow gespielt."
Sturm Graz zogen am Mittwochabend mit einem 3:1-Triumph gegen Rapid Wien an den Bullen vorbei. Zur Ausgangslage: Auch wenn Sturm neuer Tabellenführer ist, können die Bullen mit einem Heimsieg gegen die Steirer – aufgrund der direkten Bilanz – am Sonntag wieder auf den Thron klettern und vier Runden vor Saisonende ein totales Chaos verhindern.
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(Quelle: salzburg24)