Der Sommer 2024 stand mit der Fußball-EM und den Olympischen Spielen ganz im Zeichen sportlicher Mega-Events. Zwar zog Österreichs Olympia-Team eine positive Bilanz, mit Beachvolleyballer Julian Hörl und Sportschützin Sylvia Schneider haben es aber nur zwei von insgesamt 17 Athlet:innen aus dem Salzburger Olympia-Kader nach Paris geschafft. Eine der erhofften Medaillen blieb jedoch aus.
Der Weg zu olympischen Sommerspielen bleibt steinig und hart. Der Salzburger Olympia-Kader wurde vor vier Jahren mit dem Ziel ins Leben gerufen, um möglichst viele Sportlerinnen und Sportler aus Salzburg zu Olympischen Spielen zu entsenden. Ein eigens dafür geschaffenes Förderprogramm soll den heimischen Medaillenhoffnungen neben einem monatlichen Olympia-Bonus in Höhe von 500 Euro auch Unterstützung für trainingsbegleitende Maßnahmen.
Interview mit Minas Dimitriou: Auszug zum Nachlesen
Minas Dimitriou ist Fachkoordinator des Masterstudium "Sport-Management-Medien" und Leiter des Universitätslehrgangs "Sportjournalismus" an der Uni Salzburg sowie Leiter der Salzburger Landessportstrategie.
SALZBURG24: Wie schwer ist es eigentlich als Einzelsportlerin oder als Einzelsportler aus Salzburg bei Olympischen Spielen teilzunehmen?
MINAS DIMITRIOU: Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Im Grunde genommen ist die Teilnahme sehr abhängig von verschiedenen Faktoren, wie zum Beispiel der Sporttradition eines Ortes oder Landes. Nehmen wir zum Beispiel hier in Österreich das Skifahren und alpine Bewerbe. Es gibt eine lange Sporttradition und die Wahrscheinlichkeit, dass man sehr gute Sportlerinnen und Sportler hat, die tatsächlich auch Medaillen gewinnen, ist viel größer als im Vergleich zu einer anderen Sportart oder zu einem anderen Land.
Andererseits geht es einfach um die Sportmentalität innerhalb des Landes, also wie die Bevölkerung den Sport sieht. Es geht um den Stellenwert des Sports innerhalb der Gesellschaft, also wie etwa Olympiasieger:innen in einem Land empfangen werden. In Griechenland – wo ich herkomme – kommen mehrere tausend Menschen zum Empfang der Sportlerinnen und Sportler. Die Medaillengewinner werden auf den Schultern getragen und genießen unglaubliche Privilegien. Sie werden überall geschätzt und sind tatsächlich gesellschaftliche Vorbilder. Wenn Kinder und Jugendliche so etwas sehen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie dadurch motiviert sind, um sowas auch zu erleben, viel höher. Die sind die sozialpsychologischen Aspekte.
Bei den rationalen Aspekten geht es zum Beispiel um die Sportinfrastruktur und die Nachwuchsförderung – ist diese gut konzipiert und sind Trainerinnen und Trainer geeignet? Das bestehende Sportsystem leistet natürlich einen Beitrag dazu.
Gibt es ein konkretes Beispiel?
Bei den Paralympics zeigen Untersuchungen, dass der Zusammenhang zwischen Erfolg und Gesundheitssystem in einem Land sehr eng zusammenliegen. Je besser das Gesundheitssystem, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei den Paralympics Medaillen gewinnt. Allerdings gibt es tatsächlich sehr viele Situationen, die ein anderes Bild zeigen. Griechenland hat zum Beispiel 13 Medaillen bei den Paralympics gewonnen – mit einem desolaten Gesundheitssystem. Man muss sich genau sehen, wie die Nachwuchsförderungssysteme oder die Rekrutierung – im Parasport sehr wichtig – funktionieren.
Salzburg bzw. Österreich gilt als Land mit einer sehr sportlichen und aktiven Bevölkerung. Dennoch zeigen Studien, dass die Bevölkerung dicker und unsportlicher wird – gibt es eine Schieflage zwischen grundlegender sportlicher Förderung und Spitzensport?
Dass die Bevölkerung in Salzburg sehr aktiv und sportlich ist, möchte ich relativieren. Das zeigen Studien, die wir im Rahmen des Sportleitbilds in der Stadt Salzburg durchgeführt haben. Das Sportbarometer auf europäischer Ebene zeigt auch, dass in Österreich tatsächlich nur ein Drittel der Bevölkerung sehr aktiv ist. Wir müssen die Zielgruppen getrennt behandeln. Kinder und Jugendliche haben eine andere Lebenslage, weil sie stark abhängig sind von Bildungsinstitutionen oder Sportinstitutionen, wie Vereine. Erwachsene sind durch Ausbildung oder Beruf mit anderen Strukturen konfrontiert. Das heißt, man muss von Anfang an sehen, wie die Lebenssituationen sind und wie diese Menschen entsprechend handeln. Es geht um die Frage, welche Rahmenbedingungen sollen geschaffen werden, damit Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie ältere Personen aktiver werden. Dafür gibt es bereits eine Menge Studien und Strategien, die alle einen gemeinsamen Nenner haben: Sie orientieren sich an die verschiedenen Zielgruppen und deren Bedürfnisse.
Bei Kindern könnte es ein Förderprogramm schon im Kindergarten geben, wie etwa die tägliche Bewegungsstunde, die in Österreich langsam umgesetzt wird. Das ist einer der Wege, um Menschen zum Sport zu bringen. Andererseits geht es um Verbindungen zwischen Vereinen und Schulen, damit der Nachwuchssport aktiviert wird und der Übergang zum Erwachsenensport funktioniert.
Ein weiterer Aspekt ist die Sportinfrastruktur: Gibt es genug Fuß- und Fahrradwege in meiner Gemeinde oder Parks bzw. öffentliche Räume, wo Menschen jedes Alter aktiv werden können? Und es geht um Events und Sportfeste, damit die Menschen zusammenkommen und neue Bewegungsformen kennenlernen. Dort haben Spitzensportler und -Sportlerinnen die Möglichkeit, sich zu zeigen, zu präsentieren und vielleicht als Vorbilder für Kinder und Jugendliche zu agieren. Wir haben in Salzburg mit dem "Tag des Sports" ein Event, das sehr gut ist, um diesen Schwung zu generieren. Und zum Schluss geht es einfach auch darum, dass man ein Angebot schafft. Das heißt, Städte und Gemeinden müssen Projekte anbieten, damit die Bevölkerung die Möglichkeit hat, einiges auszuprobieren und einen einfachen Zugang dazu finden.
Diverse Studien zeigen, dass man dadurch tatsächlich viele Erfolge generieren kann. Es gibt einfach zu tun, aber ich glaube, wir sind auch sowohl in der Stadt, aber auch im Land jetzt auf einem guten Weg, solche Initiativen einfach aufzugreifen.
Was läuft in Salzburg schon ganz gut und wo gibt es Verbesserungs- und Nachholbedarf?
Meines Erachtens haben wir ein sehr vielfältiges Angebot. Das ist ein Plus, das muss man ganz klar sagen. Dann geht es um die Nutzung der öffentlichen Räume, also etwa Parks. Das funktioniert zwar ganz gut, aber es gibt Schwierigkeiten mit den jeweiligen Zielgruppen.
Während es für Kinder und Jugendliche bzw. für die Erwachsenen viele Projekte gibt, sieht es für Pensionistinnen und Pensionisten schwieriger aus, wobei es mittlerweile auch Initiativen gibt. Aber diese Zielgruppe muss aus unseren Erkenntnissen anders behandelt werden. Und da muss man sehen, mit welchen neuen Maßnahmen diese Menschen aktiviert werden können, wie zum Beispiel durch Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen, etwa Uni 55-PLUS. Wir versuchen den Sport oder körperliche Aktivität als Gegenstand zu thematisieren – gerade für diese Zielgruppe, weil wir wissen, wie schwierig es ist, diese Menschen zu erreichen. Das muss man viel mehr machen.
Eine andere Geschichte ist die Situation mit der Infrastruktur. Das Projekt Schwimmunterricht funktioniert sehr gut und die Nachfrage ist enorm. Aufgrund der fehlenden infrastrukturellen Kapazitäten kann das aber nicht für alle Volksschulen angeboten werden. Es begrenzt sich nur auf bestimmte Schulklassen und da muss man tatsächlich viel mehr machen.
Inwieweit hängt die Förderung des Breitensports mit der Spitzensportförderung zusammen?
Früher – in den 1980er- und 1990er-Jahren – wurde der Sport oft als Pyramide betrachtet: an der Basis der Breitensport, darauf aufbauend der Leistungs- und schließlich der Spitzensport. Je größer der Breitensport, desto mehr Talente schafften es nach oben. Das ist heute nur bedingt der Fall. Es gibt viele kleine Länder, die trotz ihrer Größe im internationalen Sport sehr erfolgreich sind. Das zeigt, dass es nicht nur auf die Masse an Sportlern ankommt, sondern auf die Strukturen und Prozesse, die den Nachwuchs fördern.

Nehmen wir Länder wie China oder die USA, wo es zwar viele potenzielle Athleten gibt, aber selbst dort sieht man, dass Erfolg nicht allein durch die Bevölkerungszahl bestimmt wird. In Deutschland wird immer wieder kritisiert, dass das Sportsystem nicht optimal funktioniert, obwohl es ein großes Land ist. Kleinere Nationen wie Norwegen oder Schweden hingegen holen oft mehr Medaillen, weil ihre Nachwuchsförderung und die Verknüpfung zwischen Schulen und Vereinen besser abgestimmt sind.
Neben rationalen Faktoren wie Förderung und Infrastruktur spielt aber auch das Irrationale eine Rolle. Es gibt immer wieder Sportler, die ohne umfassende Unterstützung durch das System großartige Erfolge erzielen. Diese Menschen haben oft eine starke intrinsische Motivation und eine klare Vision.
Insgesamt müssen wir also beides berücksichtigen: die systematische Förderung und die individuellen Antriebe der Athleten. Nur so können wir eine solide Grundlage für den zukünftigen Erfolg im Spitzensport schaffen.
Stichwort Spitzensport: Was läuft gut und wo gibt es Nachholbedarf?
Die Herausforderung besteht darin, wie die Auswahl der geförderten Athleten erfolgt. Das Olympiazentrum greift erst dann ein, wenn Nachwuchssportler bereits Potenzial auf internationalem Niveau gezeigt haben. Hier müssen wir auf eine tiefere Ebene gehen und die Strukturen im Schulsportmodell und die Verbindung zum Vereinssport hinterfragen. Gibt es genügend Schnittstellen, um Talente zu entdecken und zu fördern? Ein positives Beispiel ist der Salzburger Olympiakader, der seit 2020 existiert und gezielt Winter- und Sommersportler fördert. Das zeigt, dass nicht einfach überall Geld mit der Gießkanne verteilt wird, sondern gezielt Talente gefördert werden.
Es gibt jedoch auch Bereiche, die verbessert werden müssen, wie etwa die Rolle der Fachverbände, die Koordination der Trainer und die Qualität der Trainingsmöglichkeiten. Ein weiterer Aspekt ist die sportwissenschaftliche und sportmedizinische Betreuung, die heutzutage unverzichtbar ist. Es gibt also viele positive Strukturen, die Hoffnung geben, dass Salzburg auf einem guten Weg ist, auch wenn noch Luft nach oben besteht. Besonders im Vergleich zu anderen Bundesländern sind Verbesserungen in Bereichen wie der Schwimminfrastruktur notwendig. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Salzburg trotz einiger Herausforderungen gute Ansätze hat, aber weiterhin daran arbeiten muss, mit den anderen Bundesländern Schritt zu halten. Es gibt jedoch Gründe zur Hoffnung, dass dies in Zukunft gelingen wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Quelle: salzburg24)