Veggie-Bowl und Fruchtsmoothie statt Tschick und Bier zum Mittagessen: So lässt sich etwas überspitzt formuliert die Veränderung im Lebenswandel der Salzburger:innen in den vergangenen 15 Jahren zusammenfassen. Vegane und vegetarische Ernährungsformen sind auf dem Vormarsch, die Zahl der Rauchenden sinkt. Dafür wird die Bevölkerung immer älter, das medizinische Personal immer weniger. Die Sorgen im Gesundheitsbereich sind heute andere als vor 15 Jahren.
Nach der Vogelgrippe ist vor Corona
Salzburg im Jahr 2007: Eine global sich ausbreitende Krankheit, die im Vorjahr auch Österreich erreicht hatte, war längst wieder vergessen: Nein, nicht die Corona-Pandemie – die Vogelgrippe war ein medizinisches Thema, das damals auch die Salzburger:innen zwischenzeitlich beschäftigte.

Beim Arztbesuch hatten Herr und Frau Salzburger:in seit zwei Jahren die e-card zur Hand, zur elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) wurden gerade Grundlagenstudien durchgeführt. Die Beschwerden, wegen derer die Salzburger:innen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben, hätten sich in den letzten 15 Jahren nicht verändert, erklärt Dr. Christoph Dachs, Hausarzt aus Hallein-Rif (Tennengau), im Gespräch mit SALZBURG24. „Infekte, Kreuzschmerzen oder die eine oder andere Grippewelle beschäftigen uns damals wie heute.“
Was sich seit 2007 gewandelt hat: „Heutzutage gibt es eine Fülle an Medikamenten und es kommt vermehrt vor, dass Patient:innen mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen. Das zu steuern, ist eine große Herausforderung.“
Salzburgs Bevölkerung altert
Die Patient:innen werden immer älter, wie auch der Hausarzt feststellt: „Ein 100-Jähriger in meiner Praxis ist keine Sensation mehr.“ Die Zahlen geben Dachs recht: So steigt die Zahl der Über-65-Jährigen in Österreich stetig: Gab es bei der Volkszählung 2011 insgesamt 1.492.113 Menschen in Österreich, die 65 und älter waren, wuchs die Gruppe bis 2022 auf 1.745.690 Personen an. Das Durchschnittsalter der 562.606 Salzburger:innen (Stichtag 1. Jänner 2022) beträgt 43,1 Jahre.
Der alternden Bevölkerung müsse jedoch auch aus medizinischer Sicht Rechnung getragen werden, betont der Allgemeinmediziner: „Das heißt, dass diese älteren Menschen betreut werden müssen. Nicht nur medizinisch, sondern auch durch Pflege.“
„Wir erleben ein Systemversagen“
Dachs legt damit den Finger in eine Wunde, die jüngst in Salzburg wieder für Aufregung gesorgt hat. „Wir hätten bereits vor 15 Jahren investieren müssen, um den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten“, moniert der Mediziner, der dem Gesundheitssektor in seiner aktuellen Situation kein gutes Zeugnis ausstellt: „Ich glaube, wir erleben ein Systemversagen: Wir haben zu wenige Ärzt:innen und Pflegekräfte ausgebildet. Wir wissen seit 20 Jahren, dass wir einen Pflegemangel bekommen werden, den wir jetzt haben.“
Die Corona-Pandemie habe die Situation drastisch verschärft: „Viele Pflegekräfte haben eine Überforderung erlebt und sind abgesprungen. Bei den Ärzt:innen haben wir ebenfalls zu wenig Nachwuchs in allen Bereichen. In manchen Bundesländern gibt es bereits Kassenstellen, die nicht mehr besetzt werden können.“ Ist keine adäquate medizinische Versorgung mehr gewährleistet, drohen Konsequenzen: „Wir erwarten dadurch einen Rückgang der Lebenserwartung“, erklärt Dachs.
Zigarette und Bier
Dabei trugen in den vergangenen 15 Jahren Trends in der Lebensführung zu einem Anstieg der Lebenserwartung bei. So gaben 2006 noch deutlich mehr Menschen an, zu rauchen (27,5 Prozent der Männer, 19,4 Prozent der Frauen) als etwa 2019 (23,7 Prozent der Männer, 17,9 Prozent der Frauen). Auch beim Thema Ernährung hat sich seit 2007 einiges getan. Mittlerweile geben 13 Prozent der Österreicher:innen an, vegetarisch oder vegan zu leben.
Zum Thema Ernährung hat der Mediziner eine klare Meinung: „Jede Ernährungsform hat ihre Berechtigung. Wichtig ist, dass man alle wichtigen Nährstoffe bekommt und nicht zu üppig lebt.“ Letzteres sei das große Problem der Österreicher:innen: „Wir essen im Schnitt zu viel, trinken zu viel Alkohol und rauchen zu viel.“ Hier gelte es in Zukunft anzusetzen: „Wir müssen frühzeitig das Gesundheitsbewusstsein schärfen“, fordert Dachs.
Übergewicht und psychische Probleme
So kämpft aktuell etwa die Hälfte der Menschen in Österreich mit Übergewicht. Laut dem europäischen Adipositas-Report der WHO sind 54,3 Prozent der Erwachsenen in Österreich (61,8 Prozent der Männer und 46,8 Prozent der Frauen) übergewichtig oder adipös. Alarmierende Zahlen gibt es auch aus dem Bereich der psychischen Gesundheit: Erfahrungswerte mit psychischen Erkrankungen wie Depression, Angststörung oder Burn-out haben rund 40 Prozent der Österreicher:innen. Die steigende Zahl psychischer Erkrankungen erklärt sich Dachs wie folgt: „Es hat in den letzten Jahren sicherlich eine Enttabuisierung des Themas gegeben.“ Zudem würden aktuelle Krisen wie die Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Klimakrise oder die Teuerung die Menschen beschäftigen.
Neue Viruserkrankungen?
In Zukunft die Medizin beschäftigen wird die Herausforderung, möglicherweise mit neuen Viruserkrankungen umzugehen, prognostiziert der Salzburger Arzt: „Ich glaube, dass wir mit Infekten und Viruserkrankungen, möglicherweise auch pandemischen, konfrontiert werden. Auch Corona wird uns nicht verlassen.“
In Kombination mit der steigenden Weltbevölkerung eine nicht ungefährliche Mischung: „Aus der Geschichte der Virologie wissen wir, dass immer, wenn zu viele Menschen auf zu wenig Raum zusammengelebt haben, Krankheitserreger entstanden sind“, führt Dachs aus. Auch deshalb hofft der Experte, dass man aus der Corona-Pandemie gelernt hat: „Corona hat neben gesundheitlichen Folgen auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Begleitschäden verursacht.“
Wie das Gesundheitssystem funktionieren soll
Wie muss das Gesundheitssystem also aufgestellt sein, um zukunftsfit zu werden? „Wir haben kein schlechtes Gesundheitssystem, es muss nur effizienter werden“, erklärt der Experte, aus dessen Sicht vor allem eines verbessert werden soll: „Wir müssen die Patientenströme besser lenken. Das heißt, wir müssen schauen, dass die Patient:innen dort hingehen, wo sie gut versorgt sind.“
Das aktuelle System erlaube es Patient:innen Fachärzt:innen, Hausärzt:innen oder Kliniken aufzusuchen. „Fühlt er oder sie sich bei einem Mediziner nicht wohl, geht es weiter zum nächsten, bekommt dort wieder eine andere Diagnose – und kennt sich am Ende vielleicht gar nicht mehr aus. Die Frage ist daher, ob der Patient an diesen Stellen immer die für ihn beste Versorgung bekommt.“ Geht es nach Dachs, sollen die Patient:innen in Zukunft von gut ausgebildeten Hausärzt:innen durch das Gesundheitssystem geleitet werden.
Fortschritt in der Krebsforschung
Zurückgreifen können diese auf immer wirksamere Medikamente. So habe sich die Medizin in den vergangenen 15 Jahren merklich weiterentwickelt. „Wir haben zum Beispiel große Fortschritte bei der Krebstherapie gemacht“, erklärt Dachs, der hier sogar noch Luft nach oben sieht: „Ich denke, dass sich die Früherkennung, wo wir anhand von Parametern eine mögliche Krebserkrankung diagnostizieren können, noch verbessern wird.“
All der medizinische Fortschritt werde aber eines nie ersetzen können: Den Lebensstil. „Wir behandeln mithilfe von Medikamenten nur Symptome, arbeiten letztendlich nur nach. Die Vorsorge, dass es überhaupt nicht so weit kommt, dass wir Medikamente brauchen, wäre der bessere Weg“, betont der Hausarzt.
Tipps für gesundes Leben
Und welchen Tipp hat der Hausarzt parat, damit wir in den nächsten 15 Jahren und noch möglichst länger fit und gesund bleiben? „Die meisten Erkrankungen haben mit dem Lebensstil zu tun“, erklärt Dachs. Sein Rat daher: Risikofaktoren wie Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum vermeiden. „Wobei nichts gegen einen moderaten Alkoholkonsum in geringen Mengen spricht.“
Von großer Bedeutung ist die richtige Ernährung: „Egal ob Allesesser, Flexitarier, Vegetarier oder Veganer: Entscheidend ist das bewusste Essen, der Genuss, aber auch der Verzicht“, betont der Arzt, der anschließend den grundlegenden Faktor für einen gesunden Lebensstil benennt: „Bewegung ist am wichtigsten und hilft in nahezu jeder Form. Sie schützt das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat, beeinflusst den Stoffwechsel und die Psyche positiv. Es gibt kein Medikament, das den gleichen Effekt hat wie Bewegung.“
(Quelle: salzburg24)