Handel und Metall

Faire Löhne und die Gratwanderung bei Kollektivverträgen

Die vierte KV-Verhandlungsrunde in der Metalltechnischen Industrie ist ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Die Gewerkschaften kündigen Warnstreiks an. (ARCHIVBILD)
Veröffentlicht: 10. November 2023 12:42 Uhr
Kollektivvertragsverhandlungen – die eine Seite will mehr Geld, die andere dieses nicht bezahlen. So einfach ist es aber nicht. Aktuell wollen Gewerkschaften und Arbeitgeber in den Branchen Handel und Metallindustrie eigentlich dasselbe – faire Löhne und Gehälter sowie Betriebe, die sich diese auch leisten können.
SALZBURG24 (StephKö)

Ein Verhandlungszimmer, zwei Seiten und es geht um viel Geld – für die einen um zu viel, für die anderen um zu wenig. Kollektivverträge (KV) regeln in Österreich seit 1919 bindend Gehälter, Löhne und jede Menge mehr zu den Arbeitsbedingungen. Sie werden mit einzelnen Ausnahmen jedes Jahr aufs Neue frisch aufgelegt. Aktuell liegen die Verhandlungen auf Eis.

„Jährliche Turnus eingebürgert“

„Jedes Jahr einen neuen KV auszuhandeln ist wegen der Inflation notwendig. Allgemein hat sich der jährliche Turnus eingebürgert“, erklärt Michael Huber, Geschäftsführer der Gewerkschaft GPA Salzburg, am Freitag im Gespräch mit SALZBURG24. Ein einheitlicher KV gebe laut Huber auch den Arbeitgebern die Sicherheit, dass sie von anderen Mitgliedern der Branche nicht durch Lohndumping verdrängt werden können.

Die Arbeitgeber sehen es ähnlich. „Jedes Jahr wird die Lohnentwicklung diskutiert. Der KV spiegelt eine vernünftige Basis wider, auf der die Betriebe ihre Planbarkeit aufbauen“, sagt Rainer Trefelik, Bundesspartenobmann Handel der Wirtschaftskammer, auf S24-Nachfrage.

„Wünsche nicht von Ertragsentwicklung gedeckt“

Die Wichtigkeit eines Kollektivvertrags ist also allen Verhandlungsseiten klar. Was fehlt also in dieser Vorweihnachtszeit zu einer Einigung? „Es fehlt der Wille der Arbeitgeber, die Inflation anzuerkennen. Bleibt diese auch kommendes Jahr auf einem ähnlichen Niveau, kommt es zu Einkommensverlusten“, beschreibt Huber.

 

Rezession und Inflation sieht auch der Fachverband Metalltechnische Industrie als Einigungshürden. Man gehe auf S24-Nachfrage im Moment mit schwierigen Rahmenbedingungen um, heißt es vom Fachverband. Für zahlreiche Betriebe sei eine Abgeltung der Inflation schlicht nicht leistbar. Das wären in zwei Jahren insgesamt 20 Prozent mehr Personalkosten.

Trefelik versteht die Gewerkschaftsseite. „Der Wunsch, die Inflation ausgeglichen zu bekommen, ist nachvollziehbar. Leider gibt das aber die aktuelle Umsatz- und Ertragsentwicklung in den Branchen nicht her“, so der Bundesspartenobmann.

Forderungen treffen auf Angebote

Die Metaller fordern bei einer Inflationsrate von 9,6 Prozent laut Gewerkschaft eine Lohn- bzw. Gehaltserhöhung von 11,6 Prozent. Im Handel liegt eine 11-Prozent-Forderung auf dem Verhandlungstisch. „Der Unterschied in den Forderungen fußt auf den verschiedenen Geltungszeiträumen und damit auf einem kleinen Berechnungsunterschied bei der Inflation. Die Kollektivverträge der Metaller gehen immer vom 1. September bis zum 31. Oktober. Im Handel gilt der Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 30. September“, sagt Huber.

Dass in der ersten Verhandlungsrunde keine Ergebnisse erzielt wurden, ist für Trefelik nicht ungewöhnlich. „Am Anfang legen die Gewerkschaften ihre Wunschzahlen auf den Tisch. Diese diskutieren wir Arbeitgebervertreter intensiv, lassen uns aber nicht auf ein reines Zahlenspiel ein. Uns geht es, wie ehrlich gesagt auch den Gewerkschaften, um eine konstruktive Verhandlung. Leider müssen beide Seiten hier eine Brücke über einen Ozean bauen, nicht über einen kleinen Bach“, schildert Trefelik.

 

Die Metallarbeitgeber stehen im Augenblick mit zwei Modellen in den Verhandlungen. Angebot eins bedeutet 2,5 Prozent und 100 Euro brutto mehr Geld im Monat. Dazu erhalten alle eine Einmalzahlung von 1.050 Euro im Jahr 2023. Angebot zwei soll für zwei Jahre gelten und beinhaltet für 2023 eine Brutto-Erhöhung von sechs Prozent (max. 250 Euro) samt einer Einmalzahlung von 750 Euro. 2024 würden nochmal 750 Euro fließen und die Lohn- bzw. Gehaltserhöhung läge bei vier Prozent. „Dieses Angebot steht vollkommen unabhängig von der realen Inflation im Raum“, sagt Huber.

Was sind faire Löhne?

Alle Verhandlungsseiten betonen, dass es um einen fairen KV-Abschluss ginge. Was ist aber ein fairer Lohn bzw. ein faires Gehalt? „Es sollte beispielsweise im Handel mindestens über 2.000 Euro brutto liegen. Eine faire Erhöhung sollte immer die Inflation ausgleichen“, argumentiert Huber.

Für den Fachverband Metalltechnische Industrie soll ein faires Gehalt die Kaufkraft der Mitarbeitenden stärken und für die Betriebe leistbar sein. „Ein fairer Lohn soll die Arbeitsleistung, die Verantwortung und den betrieblichen Kontext abbilden“, ist Trefelik überzeugt. Wichtig sei seiner Überzeugung auch, dass eine faire Entlohnung auch die Arbeitsplätze erhalte. „Was nutzt ein hohes Gehalt, wenn der Betrieb dadurch insolvent geht“, sagt der Bundesspartenobmann Handel.

Ab Montag wird wieder verhandelt

Kommenden Montag gehen die Metaller in die nächste Verhandlungsrunde. Die Sozialpartner im Handel setzen sich kommenden Donnerstag wieder zusammen. "Große Abschlüsse gehen selten vor den Metallern über die Bühne, denn diese sind traditionell richtungsweisend", sagt Huber über die Wichtigkeit der kommenden Gespräche. Bereits in trockenen Tücher seien laut Huber allerdings die Abschlüsse bei den Brauer:innen (9,2 Prozent) und Bäcker:innen (9,7 Prozent).

Neben den großen Abschlüssen würden die Gewerkschaften in Österreich laut Huber mehr als 400 weitere, mitunter kleine KVs verhandeln. "Darunter sind unter anderem Zuckerbäcker oder auch Kosmetikerinnen", erklärt der Salzburger Gewerkschafter. Für die Asfinag würde beispielsweise ein eigener Betriebs-KV verhandelt.

Unabhängig von den Fortführungen der Gespräche ruft die GPA für Dienstag ihre Mitglieder ab 11.30 Uhr in Salzburg für ihre Forderungen auf die Straße. "Treffpunkt ist beim Platzl in der Salzburger Linzer Gasse", sagt Huber.

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken