Gewalt gegen Frauen

Warum Selbstverteidigung allein nicht ausreicht

An einem Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen arbeitet die Bundesregierung. Die Leiterin der ARGE Gewaltschutzunterkünfte Salzburg hält ein gemeinsames Vorgehen für sinnvoll, spricht sich aber auch dafür aus, dass potenzielle Täter und deren Umfeld stärker in die Pflicht genommen werden. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 21. Mai 2025 13:31 Uhr
An einem österreichweiten Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen arbeitet die Bundesregierung momentan. Erste Vorschläge für Maßnahmen soll es im Herbst geben. Bereits im Juni startet in Niederösterreich zudem eine Selbstverteidigungsinitiative für Frauen und Mädchen. Die Leiterin der ARGE Gewaltschutzunterkünfte Salzburg erklärt, wie Frauen davon profitieren können und was es beim Thema Selbstverteidigung zu beachten gibt. Außerdem fordert sie, (potenzielle) Täter und deren Umfeld stärker in die Pflicht zu nehmen.

Physische und psychische Gewalt an Frauen ist allgegenwärtig – auch in Salzburg. Erst Anfang Mai wurde eine 34-Jährige in Maria Alm (Pinzgau) getötet. Unter Verdacht steht ihr ehemaliger Lebensgefährte. Jede dritte Frau in Österreich erlebt in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt, mehr als jede fünfte Frau ist von Stalking betroffen. Über 850 Betretungs- und Annäherungsverbote wurden im Jahr 2023 allein im Bundesland Salzburg ausgesprochen. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein.

Zuspruch für Nationalen Aktionsplan aus Salzburg

Ein Nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen (NAP) soll dazu beitragen, "dass Frauen und Mädchen in Österreich in allen Lebensbereichen sicher und frei von Gewalt leben können". Das kündigte Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) am Dienstag an. Unterstützung für diesen Schritt gibt es aus Salzburg: „Ein nationales Vorgehen ist sinnvoll“, sagt Gabriele Rechberger, Projektleiterin der ARGE Gewaltschutzunterkünfte, am Mittwoch im SALZBURG24-Gespräch.

Selbstverteidigungsinitiative in Niederösterreich

Im Herbst sollen Vorschläge für Maßnahmen zur Gewaltprävention auf dem Tisch liegen. Bereits Anfang Juni startet in Niederösterreich die Initiative „Nicht mit mir“. Im Rahmen des Pilotprojekts werden Frauen und Mädchen ab 14 Jahren Selbstverteidigungskurse angeboten. Zu zahlen ist für die Teilnehmerinnen ein Selbstbehalt von 15 Euro, heißt es auf der Homepage von Sportland Niederösterreich. „Selbstverteidigung ist immer gut, sofern sie wirklich dem Selbstschutz dient. In Salzburg bieten die Polizei und auch andere Einrichtungen Kurse an, die Frauen helfen und gut genutzt werden. Die Angebote sind teilweise kostenlos“, berichtet Rechberger. Zusätzliche Initiativen könne sie sich in Salzburg dennoch gut vorstellen.

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Beim Thema Selbstverteidigung gebe es jedoch Gefahren: „Wenn sich Körpergröße und -masse sehr unterscheiden und der Mann zum Beispiel zwei Meter groß ist und die Frau nur 1,60 Meter, sollte man besser versuchen, sich aus der Situation zu entfernen. Denn in diesen Fällen wird es mit der Hebelwirkung schwer.“ Zudem weist Rechberger darauf hin, dass die verschiedenen Selbstverteidigungstechniken auf die jeweilige Person abgestimmt werden müssten. „Ältere Frauen sind zum Beispiel womöglich nicht mehr so beweglich.“ Möglichkeiten gebe es jedenfalls genug.

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Innere Stärke soll gefördert werden

Durch das Erlernen der Selbstverteidigung würden Frauen eine andere innere Haltung annehmen und diese auch gegenüber möglichen Angreifern ausstrahlen. Auf die innere Stärke komme es an. Dabei gelte das Motto: Üben, üben, üben. „Wenn man merkt, dass ich mich wehre, können andere meine Bedürfnisse nicht so leicht überrumpeln. Wehrt sich eine Frau nicht, bekommen Männer das Gefühl, dass sie das sogenannte Oberwasser haben“, führt Rechberger aus.

"Gewalt kommt oft in Wellen"

Doch auch die möglichen Täter nimmt die Leiterin der ARGE Gewaltschutzunterkünfte in die Pflicht. „Wir raten ihnen, wenn sie zornig werden, ihre Jacke zu nehmen und hinauszugehen.“ Es komme darauf an, zu lernen, mit Aggression umzugehen. Denn Gewalt – zum Beispiel innerhalb einer Familie  – komme oft in Wellen. „Es ist ein friedliches Miteinander und plötzlich wollen Menschen ihre eigenen Bedürfnisse um jeden Preis durchsetzen.“ Damit es nicht so weit kommt, sei die richtige Kommunikation unverzichtbar. Denn wenn alle wissen, was der oder die andere gerade braucht, könne man gemeinsam schwierige Phasen eines Familienmitglieds oder einer Person im Freundeskreis abfedern, ohne dass es zu einer Eskalation kommt.

Umfeld von möglichen Tätern in der Verantwortung

Eine große Verantwortung kommt aus Rechbergers Sicht zudem dem Umfeld der potenziellen Täter zu. Frauenhäuser und andere Schutzeinrichtungen würden oft gefragt, was sie tun. „Aber wir fragen auch das Umfeld, was es nicht getan hat. Es wird viel weggeschaut – gerade, wenn es der eigene Bruder, Sohn oder Freund ist. Das Umfeld hat aber einen ganz anderen Einfluss als Außenstehende.“ Um den Salzburgerinnen und Salzburgern diese Verantwortung noch stärker vor Augen zu führen, spricht sich Rechberger für spezialisierte Kampagnen aus. 

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Die Gewaltschutz-Expertin merkt abschließend an, dass Salzburgs Frauenhäuser offen für Input und Vorschläge seien. In den Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen und mediale Berichterstattung setzt sie große Hoffnung: „Wenn wir keine Frauenhäuser mehr brauchen, haben wir gewonnen. Das wird allerdings noch dauern.“

Wir hätten gerne auch mit der für Frauen zuständigen Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) gesprochen. Schon vor zwei Jahren wurde Eine SALZBURG24-Anfrage blieb bis Mittwochmittag unbeantwortet. 

(Quelle: salzburg24)

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