Wie kann nachhaltige Landwirtschaft gelingen – und wo gibt es Grenzen? Die Käserei Woerle in Henndorf (Flachgau) setzt etwa auf umfangreiche Nachhaltigkeitsinitiativen. "Wir haben 2022 die Produktion modernisiert, unsere Produktionsmenge könnte in den nächsten Jahren noch gesteigert werden und dabei wird gleichzeitig klimafreundlicher gearbeitet", sagt Geschäftsführer Gerrit Woerle im Gespräch mit SALZBURG24. Die Käserei hat in moderne Energie- und Klimaschutztechnik wie Abwärmenutzung durch eine Wärmeschaukel und Photovoltaik zur Stromerzeugung investiert. "Wir versuchen uns ständig weiterzuentwickeln." Ziel sei ein "enkeltaugliches System" – also eine Produktion, die auch für kommende Generationen erhalten bleiben kann.
Die österreichische Energieagentur schätzt derartige technische Verbesserungen grundsätzlich als effektiv ein – allerdings machen sie oft nur einen Teil der gesamten Klimabilanz eines Molkereibetriebes aus. Prozessenergie und Rohstoffbeschaffung gelten weiterhin als große Herausforderungen.
Motivation, um CO2 einzusparen
Die Milchwirtschaft ist jedenfalls der bedeutendste landwirtschaftliche Sektor in Österreich. Das Familienunternehmen Woerle arbeitet mit rund 400 bäuerlichen Betrieben zusammen, vor allem mit kleinstrukturierten, extensiv wirtschaftenden Betrieben im Flachgau und dem angrenzenden Mondseeland. Über 70 Prozent der Partnerbetriebe nehmen an Biodiversitäts- und Klimaschutzprojekten teil. Beispielsweise unterstützt Woerle Maßnahmen zur CO2-Einsparung mit Prämien: Pro vermiedener Tonne CO2 erhalten die bäuerlichen Betriebe 50 Euro. "In den ersten Jahren wurden so 15.000 Tonnen CO2 eingespart eingespart. Das Leuchtturmprojekt findet starken Anklang und wird sehr gut angenommen“, schildert der Firmenchef.
Aber nicht nur bei Emissionen, auch bei der Artenvielfalt setzt das Henndorfer Unternehmen an. Biodiversität bezeichnet Woerle als Schlüssel für funktionierende landwirtschaftliche Systeme, da sie Bestäuber und Nützlinge erhält. Durch verschiedene Biotopstrukturen – "Rettungsinseln" aus Blühstreifen, Totholzflächen oder Teichrändern – soll die Artenvielfalt gezielt gefördert werden. "Im Prinzip schaffen wir so kleine Mosaiksteine in der Landschaft, die die Natur bereichern und vernetzen“, erklärt der Ökologe Martin Schlager gegenüber S24. Er hält solche Maßnahmen für wertvoll, "wenn sie im Verbund mit naturnaher Bewirtschaftung und niedrigen Düngergaben umgesetzt werden". Allerdings seien die positiven Effekte meist lokal begrenzt und abhängig vom Engagement der Betriebe.
Die Kuh als Klimakiller?
Immer wieder wird die Rinderhaltung als "Klimakiller" ins mediale Kreuzfeuer genommen. Während Organisationen wie das Umweltbundesamt die Rinderhaltung generell als klimabelastend einstufen, betonen viele Landwirt:innen ihre Rolle im Naturkreislauf. Gerrit Woerle widerspricht dabei pauschalen Schuldzuweisungen: "Natürlich hat die Kuh einen gewissen CO2-Rucksack, aber sie ist im Kreislauf der bäuerlichen Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil. Sie erhält das Grünland, fördert Humusaufbau und speichert CO2 im Boden." Während große, intensive Tierhaltungsbetriebe durchaus problematische Emissionen verursachen würden, seien extensive Formen – wie sie im Flachgau überwiegend praktiziert werden – Teil eines ökologischen Kreislaufs. So könne die Tierhaltung naturnah und ressourcenschonend gestaltet werden.
Das bestätigt auch Ökologe Schlager, der betont, dass die österreichische Kulturlandschaft historisch stark von Weidetieren geprägt wurde. "Grünlandwirtschaft mit niedrigen Tierdichten kann die Artenvielfalt sogar stärken – besonders, wenn althergebrachte Weideformen und extensive Nutzung gepflegt werden." Dafür bedarf es aber einen sehr niedrigen Besatz, räumt Schlager ein. "Das ist oftmals schwierig, weil die Betriebe auch wirtschaften müssen."
Doch die Salzburger Landwirtschaft ist laut Schlager in Teilen zu intensiv, trotz traditioneller Strukturen. Monokulturen, hohe Düngung, fehlende Fruchtfolgen und Einsatz von Spritzmitteln seien zentrale Probleme. Düngerüberschuss verarmt artenreiche Magerrasen, fehlende Offenbodenstellen nehmen vielen Wildbienen und anderen Bestäubern den Lebensraum.
Freiwilligkeit als Schlüssel bei Woerle
Motivation durch Anreize scheint hier erfolgreicher zu sein als starre Vorgaben. "Die Bauern sind bereit, naturnahe Flächen zu belassen, wenn Aufwand und Nutzen im Verhältnis stehen", sagt der mit dem Woerle-Projekt vertraute Schlager. "Die Erfahrung zeigt, dass motivierende Zusammenarbeit oft mehr bewirkt als pauschale Vorschriften." Gesetzliche Vorgaben betrachtet er als schwierig, weil sie häufig nicht die Unterschiede zwischen verschiedenen Regionen und Betriebsausprägungen berücksichtigen: "Pauschalregelungen laufen Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen oder an den Realitäten vorbei zu gehen."
Herausforderung Klimaneutralität
Trotz aller Innovation bleiben Herausforderungen. Die Herstellung von Käse ist energie- und prozessintensiv. Eine vollständige Klimaneutralität ist aus Sicht von Woerle kaum erreichbar, zumindest nicht, solange Milch und Käse als Kernprodukt im Mittelpunkt stehen. Wichtig sei das Zusammenspiel von Wirtschaftlichkeit, Kreislaufwirtschaft und Biodiversität. Auch Schlager betont: "Grünland ist ein unterschätzter CO2-Speicher – aber bei stark industriell verarbeiteten Milchprodukten stößt man an technische und wirtschaftliche Grenzen." Eine Studie des Thünen-Instituts bestätigt: Nur durch einen Mix aus betrieblichen Innovationen, politischem Rahmen und verändertem Konsumverhalten könne der gesamte Agrarsektor seine Klimabilanz verbessern.
Konsum und die eigene Verantwortung
Ganz ohne die Konsumentinnen und Konsumenten geht es freilich nicht. Am einfachsten, betonen Woerle und Schlager unisono, lässt sich Nachhaltigkeit fördern, indem auf regionale Produkte mit nachvollziehbaren Lieferketten gesetzt werde. Für den Wandel der Ernährungs- und Landwirtschaft sieht Schlager das Konsumverhalten als wichtigen Hebel: "Am stärksten fördern eine nachhaltige Entwicklung ein vermehrt pflanzlicher, regionaler und möglichst direkt vermittelter Konsum. Wer saisonale Produkte aus der Region bevorzugt und Bauern direkt unterstützt, sorgt dafür, dass Umweltmaßnahmen tatsächlich in der Praxis greifbar werden." Nachhaltige Landwirtschaft sei am glaubwürdigsten, wenn sie im eigenen Ort nachvollziehbar praktiziert werde.
Die Konsumdialoge sind eine Initiative der gemeinnützigen Stiftung Común, die sich der Bewusstseinsbildung und Wissensvermittlung im Bereich nachhaltigen Konsums widmet. Ziel ist es, einen Dialog zu fördern, insbesondere zwischen Produzent:innen und Konsument:innen, um ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen unseres Konsumverhaltens zu schaffen. Die Veranstaltungsreihe endet am Freitag in Hallein (Tennengau).
(Quelle: salzburg24)