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Salzburgs Rollstuhltanz-Obfrau Kerstin Govekar im Sonntagstalk

Kerstin Govekar (re.) im Sonntagstalk mit S24-Sportredakteur Mathias Funk
Veröffentlicht: 04. August 2024 09:34 Uhr
Wie läuft das Training ab? Wer finanziert die langen Reisen auf andere Kontinente und was ist Rollstuhltanzen eigentlich? Wir fragen die Obfrau der Wheel-Chair-Dancers Salzburg, Kerstin Govekar. Die 59-jährige Deutsche erzählt auch, wie es um den Rollstuhltanzsport in Österreich bestellt ist und welche persönlichen Ziele sie verfolgt.
Mathias Funk

Wer in Salzburg an Sport denkt, denkt schnell an Fußball, Skifahren oder Eishockey. In der Stadt Salzburg gibt es aber auch einen Verein, der sich speziell auf Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer spezialisiert hat: die Wheel-Chair-Dancers. Hier tanzen Menschen im Rollstuhl um Punkte. Vorsitzende des Vereins ist Kerstin Govekar. Die 59-jährige gebürtige Chemnitzerin erzählt von ihrer Aufgabe als Vereinschefin und den täglichen Herausforderungen. Hört rein!

Sonntagstalk mit Kerstin Govekar zum Nachlesen

SALZBURG24: Wie genau kann man sich das vorstellen, Obfrau der Wheel-Chair-Dancers in Salzburg zu sein und was ist es eigentlich genau?

Kerstin Govekar: Vielen Dank, dass ich an diesem Podcast teilnehmen darf. Ich bin die Obfrau des Salzburger Rollstuhltanzsportvereins Wheelchair Dancers. Gleichzeitig bin ich auch Präsidentin der Wheelchair-Dance-Board-Federation-Austria. Da sind die Vereine, die es in Österreich gibt, die Rollstuhltanz machen, integriert. Und ich bin die Referentin für Rollstuhltanzsport im Österreichischen Behindertensportverband. Das heißt, alles was in Österreich rollt und tanzt, muss über mich laufen.

Das klingt auf jeden Fall sehr spannend und ist sicherlich täglich auch eine große Herausforderung. Was sind denn die größten, die dieses Amt für dich mit sich bringen?

Auf der einen Seite ist es natürlich den Salzburger Verein zu vergrößern, das wöchentliche Training abzuhalten, zu den Wettkämpfen zu fahren, die Sportler zu motivieren und auch weiterzubringen. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch die Aufbauarbeit im Land, dass man schaut, dass möglichst in allen Bundesländern Rollstuhltanzsport angeboten wird oder natürlich auch die einzelnen Vereine, die es gibt, zu betreuen, zu fördern, zu motivieren. Das gehört alles dazu. Die Öffentlichkeitsarbeit ist auch meine Aufgabe.

Daher kennen wir uns ja auch. Du bist mit den Salzburgerinnen und dem Nationalteam ja nicht nur hier in Salzburg unterwegs, sondern in Österreich oder auch international. Wie kann man sich das vorstellen, lange, weite Reisen mit Rollstuhltänzerinnen- und Tänzern zu machen?

Das muss natürlich gut organisiert sein. Also wenn jetzt ein Wettkampf ansteht, zum Beispiel in Asien, dann muss man schon bei der Flugbuchung darauf achten, dass man den Rollstuhlfahrer und auch den Rollstuhl und auch den Wettkampfrollstuhl anmeldet. Das gilt auch, wenn man vielleicht umsteigen muss. Das muss von Anfang bis Ende gut organisiert sein, damit alles dort ankommt und funktioniert, wo es hin soll.

Jetzt ist Urlaubszeit und viele Leute fliegen in den Urlaub. Jeder merkt, dass das Fliegen nicht mehr ganz so günstig ist wie früher. Es ist bei euch natürlich auch so. Wie macht ihr das und wie finanziert sich dieser Verein eigentlich? Habt ihr da Sponsoren oder werdet ihr da irgendwie von Privatpersonen gefördert? Oder ist das doch so, wie bei einigen anderen Sportarten auch, dass da viel privates Geld reinfließt?

Es fließt auch schon privates Geld hinein. Aber der Salzburger Verein kann sich eigentlich nicht beklagen. Wir werden vom Salzburger Behindertensportverband gut unterstützt. Das Land unterstützt uns und die Stadt unterstützt uns auch schon seit Jahren. Ohne das ginge es nicht. Und natürlich auch nicht ohne Kleinsponsoren und Kleinspenden. Sonst könnte man das alles nicht machen.

Du hast das Training gerade angesprochen. Wenn man es jetzt vergleicht mit anderen Sportarten wie zum Beispiel Unterhausfußball, da ist ja doch schon drei oder viermal die Woche Training. Wie läuft das bei den Rollstuhltänzerinnen und Tänzern ab? Ich kann mir vorstellen, aufgrund verschiedener Berufe ist es nicht immer so einfach da, einen geregelten Ablauf von Training zu finden?

Wir trainieren immer mittwochs und das schon seit Jahren. Gemeinsam mit den Sportlerinnen und Sportlern aus dem Breitensport und aus dem Leistungssport, weil beide voneinander lernen können. Wir haben da wirklich die Erfahrung gemacht, dass es gute Synergieeffekte gibt. Die Kleinen lernen von den Großen und die Großen natürlich auch von den Kleinen. Das ist schon sehr spannend. Freitags haben wir dann unser Freestyle-Training für die Nationalmannschaft und am Wochenende. Bevor wir zu den Wettkämpfen fahren, gibt es natürlich noch Intensivtrainings oder dann auch Trainingslager. Also da sind wir schon drei- bis viermal die Woche auch unterwegs.

Und wie viele seid ihr da ungefähr in Salzburg?

Also wenn alle da sind, die jetzt leider auch krankheitsbedingt ausgefallen sind, dann sind wir zehn Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen hier in Salzburg, die am Training teilnehmen könnten. Der Verein hat jetzt knapp 40 Mitglieder. Das ist ganz gut.

Kerstin Govekar Privat
Kerstin Govekar im Sonntagstalk mit S24-Sportredakteur Mathias Funk. 

Wie steht Salzburg im österreichischen Vergleich? Habt ihr hier eine Vorreiter-Position?

Die Wiener sind so groß wie wir. In Tirol gibt es eine Rollstuhltanzformation, aber die sind nicht bei Turnieren. Die machen mehr Showauftritte und just for fun. Die sind, glaube ich, acht Leute. In Kärnten haben wir fünf. Und in Oberösterreich gibt es im Moment leider nichts. Da gab es mal eine Sektion, aber die hat sich jetzt aufgelöst. Aber ich hoffe, dass wir da in nächster Zeit wieder was machen können, dass da was passiert.

Woran kann es liegen, dass in Oberösterreich momentan wenig geboten ist in der Richtung?

Corona hat uns sehr getroffen, wie alle anderen Sportarten auch. Dann haben wirklich viele aufgehört und leider noch nicht wieder den Weg zurück gefunden.

Das heißt aber, da ist jetzt auch wieder Besserung in Sicht?

Ja, ich denke schon. Wir arbeiten daran.

Ist man da unter den Obfrauen ein bisschen im Austausch? Ich meine, in Salzburg, wie du jetzt siehst, läuft es ja ganz gut. Gibt es da vielleicht aus Oberösterreich einmal eine WhatsApp oder so? "Hey, wie kannst du uns da helfen oder was können wir tun, dass das Ganze wieder ein bisschen nach oben geht?"

Wir sind schon im Austausch. Das ist auch mein, sage ich mal, Nebenjob als Referentin im österreichischen Behindertensportverband, dass ich schaue, dass wir dort wieder etwas aktivieren können oder vielleicht einen Workshop machen können. Das ist natürlich schwierig, weil die Akteure dort auch arbeiten gehen. Das muss man sich anschauen. Aber ich denke, im Herbst wird dort sicher wieder etwas anlaufen.

Alles, was du mir bis jetzt erzählt hast, klingt nach einer großen Herausforderung. Auch besonders für dich sehr intensiv. Das ist ja, wie du gerade gesagt hast, eine Art Nebenjob. Du arbeitest ja auch noch hauptberuflich und bist verheiratet. Wie schaffst du das, dass du da immer alles unter einen Hut bekommst?

Indem man dann wirklich abends, wenn man nach Hause kommt, die Sportmails checkt, die Sachen abarbeitet, die zu erledigen sind, die Flüge am Wochenende bucht. Also es ist wirklich sehr viel nebenbei im Ehrenamt. Das hilft nicht. Also entweder bist du mit ganzem Herzen dabei oder du lässt es bleiben.

Und es hat sich sicherlich auch schon ausgezahlt. Kannst du uns vielleicht erzählen, was deine größten Erfolge waren in deiner langen Laufbahn als Obfrau?

Die größten Erfolge für Salzburg hat sicher Sanja Vukasinovic für uns geholt. Sie ist unsere Europameisterin im Freestyle und Vizeeuropameisterin im Single Woman. Sie war bereits 2010 mit ihrem damaligen Partner Peter Schauer WM-Dritte in der Disziplin Kombination Latein. Im Vorjahr war sie Vierte bei der Weltmeisterschaft in Italien und wir sind natürlich sehr stolz, dass wir Eva-Maria Nussdorfer jetzt im Nationalteam haben. Eine junge Sportlerin im Elektrorollstuhl, die derzeit auf Platz 7 der Weltrangliste steht und sich wirklich auch dort bemüht, dass sie tolle Erfolge einbringt.

Das heißt also, du hast in diesem Bereich schon einige Erfolge erlebt und auch schon viel gesehen. Wie schaut deine persönliche Zukunft beim Rollstuhltanzsportverein aus und welche persönlichen Ziele verfolgst du eigentlich noch als Obfrau? Wie lange geht das denn noch mit dir?

Das ist eine gute Frage. Natürlich gibt es im Vereinsleben, wie überall, Höhen und Tiefen, wo man auch mal keine Lust hat und sagt, wofür mache ich das eigentlich. Aber spätestens dann, wenn wir wieder im Training sind und in unseren Rollstühlen sitzen und mit unseren Athleten arbeiten, dann stellt sich die Frage nicht mehr, denn wir sind nicht nur Trainer, wir sind auch Choreographen. Wir machen die Choreographien für unsere Athleten und ich kümmere mich um die Kostüme, dass sie das perfekte Outfit für ihre Disziplin haben. Da geht einem einfach das Herz auf und man denkt nicht darüber nach, ob man das jetzt wegwirft und vielleicht aufhört, weil es mal nicht so funktioniert. Man lässt es einfach laufen.

Dein Mann ist ja auch dabei. Du hast gerade erzählt, es gibt manchmal Momente, wo du dich fragst, wieso mache ich das überhaupt? Ist er dann auch einer, der dich da als Ehemann oder als Partner in dem Fall dann auch ein bisschen wieder pusht und wieder aus dem Loch herausholt?

Ich würde nicht sagen, dass es ein Loch ist. Wir sind eigentlich ein Dreamteam. Wir sind immer zu zweit und ziehen wirklich an einem Strang. Es gibt natürlich auch Trainings, wo es mal nicht so läuft. Dann lässt man es und sagt, okay, dann gehen wir alle mal einen Kaffee trinken. Und beim nächsten Training läuft es wieder besser. Das ist so, das gehört dazu.

Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's ab sofort wieder jede Woche. Am kommenden Sonntag ist Florian Niederseer vom queeren Verein Heublumen bei uns zu Gast – einfach reinhören!

(Quelle: salzburg24)

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