Zwei Seiten der Medaille

Salzburgs Vollbeschäftigung hat auch Nachteile

Veröffentlicht: 18. Jänner 2023 15:06 Uhr
Obwohl das Bundesland Salzburg die geringste Arbeitslosenquote Österreichs aufweist, gibt es nicht nur Grund zur Freude. Denn zu viele offene Stellen sorgen für Sorgenfalten bei den Betrieben und bremsen das Wirtschaftswachstum. Es brauche Lösungen, fordern AMS, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer unisono.
Oliver Klamminger

Das Land Salzburg hat die niedrigste Arbeitslosenquote aller österreichischen Bundesländer. AMS-Landesgeschäftsführerin Jacqueline Beyer freute sich daher bei der heutigen Präsentation der Jahresstatistik für 2022 über eine Vollbeschäftigung und mit nur 3,7 Prozent Arbeitslosigkeit über einen historischen Wert. Die Salzburger Wirtschaft sei somit gestärkt aus der Corona-Pandemie herausgekommen. Im Jahresschnitt waren im Bundesland Salzburg 10.230 Personen arbeitslos gemeldet, im Jahr 2021 waren es noch 15.130. Das ist ein Rückgang um 4.900 Personen bzw. -32,4 Prozent. Über ein Viertel der Arbeitslosen (27,8 Prozent) habe zudem eine Einstellzusage.

 

Gründe für Vollbeschäftigung in Salzburg

Als Gründe dafür ortet Bayer unter anderem, dass die Fachkräfteausbildung verstärkt wurde und auch die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft werden konnte. 43 Prozent aller Menschen, die länger auf Arbeitssuche waren, konnten erfolgreich vermittelt werden, heißt es. Auch Lehrlinge hätten im Bundesland Salzburg die Qual der Wahl. Auf jeden Suchenden kommen fast 5,5 offene Lehrstellen. „Hier macht sich auch der demografische Wandel bemerkbar. Es treten weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt ein“, so Beyer.

Peter Buchmüller; Jacqueline Beyer; Peter Eder AMS/Tschandl
WK-Präsident Peter Buchmüller, AMS-Landesgeschäftsführerin Jacqueline Beyer und AK-Präsident Peter Eder (v.li.n.re.) präsentierten die Jahresbilanz des Salzburger Arbeitsmarkts 2022 und wagten einen Ausblick.

Zu viele offene Stellen am Salzburger Arbeitsmarkt

Das sei allerdings auch die Kehrseite der Medaille, weißt Beyer auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vollbeschäftigung hin. Salzburger Betriebe in allen Sparten suchen händeringend nach Arbeitskräften. Auch auf dem Stellenmarkt insgesamt gibt es eine hohe Dynamik, das betrifft nicht nur Lehrlinge, sondern den gesamten Arbeitsmarkt. 11.808 offene Stellen wurden 2022 verzeichnet, im Jahr davor waren es 8.049.

 

Offene Stellen bremsen Wirtschaftswachstum

43 Prozent aller Salzburger Betriebe suchen derzeit nach zusätzlichen Arbeitskräften, gab die Wirtschaftskammer auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit AMS und Arbeiterkammer bekannt. „Wir müssen am Arbeitsmarkt einen massiven Paradigmenwechsel zur Kenntnis nehmen“, zeigte Salzburgs Wirtschaftskammer-Präsident Peter Buchmüller auf. Das begrenze die Expansionsmöglichkeiten der Unternehmen enorm, bremse Investitionen und behindere so den notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung.

Demografischer Wandel und viele Selbstständige

Die Wirtschaftskammer sieht mehrere vielschichtige Gründe für die aktuelle Not am Arbeitsmarkt. Einerseits gehen geburtenstarke Jahrgänge – die 60er – in den wohlverdienten Ruhestand. Diese Stellen sind durch die eher geburtenschwächeren Jahrgänge, die nun in den Arbeitsmarkt eintreten, nicht aufzufüllen. Hinzu kommt, dass sich in den letzten zwei Jahren offenbar extrem viele Salzburger:innen selbstständig gemacht haben. „Noch nie gab es so viele Selbstständige“, verkündete Buchmüller. Diese Personen fehlen nun natürlich den Betrieben.

 

Es wird weniger gearbeitet

Auch die Einstellung zur Arbeit habe sich gewandelt. Der vermehrte Wunsch nach Teilzeitarbeit und einer 30-Stunden-Woche führen dazu, dass insgesamt weniger gearbeitet wird. Insgesamt werden heute weniger Arbeitsstunden geleistet als vor der Pandemie. Im dritten Quartal 2022 arbeiteten die Österreicher:innen im Schnitt 28,1 Stunden pro Woche. Im Vergleich zu 2019 ist das ein Rückgang von einer Stunde. Das erkläre sich durch weniger geleistete Überstunden und sei auf einen Anstieg der Teilzeitarbeit zurückzuführen.

„Arbeitslosenquote zeigt Fehler im System auf“

Auch Salzburgs Arbeiterkammer-Präsident Peter Eder blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Zahlen. „Die Arbeitslosenquote zeigt die Fehler in unserem System auf“, sagte Eder und fordert Lösungen seitens der Politik. „Wir können den Parteien nur Rezepte liefern, um Lösungen zu finden“, nimmt er die Politik kurz vor den Salzburger Landtagswahlen im April in die Pflicht. Aus Sicht der AK brauche es mehr positive Anreize, um dem Mangel in den Branchen entgegenzuwirken. Es solle in höherwertige Ausbildungen und individuelle Lösungen investiert werden.

Kinderbetreuung könnte Teilzeitarbeit eindämmen

Den Anstieg der Teilzeitarbeitnehmerinnen ortet Eder auch in der mangelnden Kinderbetreuung. Dabei gebe es enormen Aufholbedarf. Nur die Hälfte aller Einrichtungen im Land Salzburg hat länger als neun Stunden geöffnet. Von 236 Kindergärten im Bundesland schließen 20 Prozent vor 14 Uhr und mehr als drei Viertel vor 17 Uhr. „Diese kürzeren Öffnungszeiten sind der Hauptgrund für die hohe Teilzeitbeschäftigung von Frauen“, ist sich Eder sicher. Bei den Kindergärten dürfe man jedoch nicht aufhöhren. Die AK fordert zudem den Ausbau der Ganztagsschulen.

Drei Gründe für den Arbeitskräftemangel in Salzburg

Im Bundesland Salzburg liegt die Arbeitslosenquote aktuell bei 3,3 Prozent, was einer Vollbeschäftigung gleichkommt. Dennoch suchen viele Branchen händeringend nach Arbeitskräften. Wie kann das sein?…

Doch nicht nur bei den Jüngsten, sondern auch bei den Älteren drückt der Schuh. Zu viele Menschen über 50 seien gesundheitlich angeschlagen und schaffen keine 40-Stunden-Woche mehr. Dieses Problem müsse präventiv angegangen werden.

Gleiche Probleme am europäischen Arbeitsmarkt

Mit diesen Problemen plagen sich jedoch nicht nur Österreich bzw. Salzburg. Die Suche nach Arbeitskräften sei fast in allen europäischen Staaten dieselbe. Das wirke sich direkt auf die heimischen Betriebe aus, da kaum noch dringend benötigte Arbeiter:innen aus anderen Ländern nach Österreich kämen. Am internationalen Arbeitsmarkt gebe es daher ein regelrechtes „Griss“ um die Arbeitswilligen, gaben Beyer, Eder und Buchmüller zu bedenken. Unser unmittelbares Nachbarland Deutschland sei dabei der größte Konkurrent, da es dort unkomplizierter für Ausländer:innen sei, an Jobs zu kommen.

 

Wie entwickelt sich Arbeitsmarkt 2023?

Der Salzburger Arbeitsmarkt ist also ein zartes Pflänzchen, das vielen Einflüssen von außen und innen ausgesetzt ist. Wird es mit Arbeitslosen überschwemmt, lässt es ebenso den Kopf hängen, als würde man es verdursten lassen. Nur wenn der Gärtner einen grünen Daumen beweist, freuen sich Betriebe, Arbeitneher:innen und der Wirtschaftsstandort Salzburg zugleich. Wie sich die wirtschaftliche Wetterlage in naher Zukunft präsentieren wird, ist schwer vorherzusagen. Dennoch wagt AMS-Chefin Beyer einen Blick in die Glaskugel: „Heuer wird es zu einer Zunahme bei der Anzahl der Beschäftigten kommen, aber laut Prognosen eben auch bei der Arbeitslosigkeit. Personal zu finden und auch zu halten, wird also auch heuer eine wichtige Herausforderung für die Betriebe sein“.

(Quelle: salzburg24)

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