Die Salzburgerinnen und Salzburger hat am Sonntag über die geplante Regionalstadtbahn S-Link abgestimmt. Dabei sprachen sich 58,3 Prozent gegen das milliardenschwere Projekt in seiner derzeitigen Form aus, 41,7 dafür. Die Wahlbeteiligung lag bei 22,35 Prozent. Das Ergebnis ist für die Stadtpolitik jedoch nicht bindend. Zudem hat die Landesregierung schon vor Wochen eine landesweite Befragung zum umstrittenen Vorhaben bis Mitte 2024 angekündigt - dann mit politisch verbindlichem Resultat.
Genau 113.578 Personen waren am Sonntag stimmberechtigt und konnten am Stimmzettel die Frage "Soll für das Bahnprojekt S-LINK ein unterirdischer Tunnel vom Hauptbahnhof zum Mirabellplatz und unter der Salzach hindurch bis in den Süden der Stadt Salzburg gebaut werden?" mit "Ja" oder "Nein" beantworten. Von den 25.269 gültigen Stimmen waren 10.536 (41,7 Prozent) für und 14.733 (58,3 Prozent) gegen das Projekt. Die Beteiligung lag damit knapp höher als bei der Bürgerbefragung zum Ausbau der Mönchsberggarage im Juni 2022 (21,98 Prozent). Damals stimmten 84,4 Prozent gegen die Erweiterung – die darauf abgesagt wurde.
Erste Reaktionen aus der Politik
Für die Grünen der Stadt Salzburg unterstreicht die "beeindruckend hohe Beteiligung das Bedürfnis der Bevölkerung, bei bedeutenden Infrastrukturprojekten mitzuentscheiden", so Bürgerlisten-Chefin und Stadträtin Anna Schiester in einer ersten Reaktion. Für sie zeige das heutige Ergebnis, dass offenbar noch viele Fragen zum S-Link offen sind – insbesondere was die Neu-Organisation des Verkehrs an der Oberfläche nach Bau des S-Link angeht.
Konträr ordnen die NEOS die Beteiligung an der Befragung ein: "Heute ist insgesamt ein schlechter Tag für die direkte Demokratie in der Stadt Salzburg. Die Bürgerbefragung zeigt an der Wahlbeteiligung, dass weder die Gegner noch die Befürworter mobilisieren konnten. Das ist das denkbar schlechteste Ergebnis für beide Seiten. Wenn Wahl ist und keiner hingeht, sind das auch schlechte Aussichten für die Gemeinderatswahl. Offenbar hebt sich die Politik immer mehr von den Menschen ab und macht Politik nicht mit den Menschen, sondern über sie hinweg", so NEOS-Spitzenkandidat für die Gemeinderatswahl Lukas Rupsch.
Für die SPÖ ist der S-Link als gescheitert. Salzburgs SPÖ-Landesparteivorsitzender appelliert daher an alle Parteien, insbesondere die ÖVP, das Ergebnis der Bürgerbefragung zu akzeptieren und fordert die Absage der landesweiten Befragung, welche Haslauers politischer Ziehsohn und ÖVP-Verkehrslandesrat Stefan Schnöll im Vorfeld angekündigt hatte: „Gegen den Willen der Stadt Salzburg darf und kann es keinen S-Link geben. Das Volk hat gesprochen, die Sache ist erledigt. Es geht hier um mehr als nur ein Infrastrukturprojekt. Es geht um die Achtung der Demokratie und der Stimme unserer Bevölkerung.“
Und die KPÖ meint zum Ergebnis: „Das Ergebnis ist zwar knapper als erwartet, ist aber ernst zu nehmen. Wenn die ÖVP das Projekt nicht versenken will, muss sie alle Karten auf den Tisch legen. Die ÖVP drückt sich z.B. bei der Frage der Oberflächengestaltung vor Antworten“, sagt Dankl: „Statt einer Propagandaschlacht braucht es Information, von allen Seiten. Nach dem heutigen Ergebnis ist klar: Das Land kann die Stadt nicht überstimmen. Es braucht 2024 eine doppelte Mehrheit, landesweit und in der Stadt, wenn man einen Gesamtverkehrsplan beschließen will.“
Die S-Link-Befürworter des Landes Salzburg (ÖVP und FPÖ) reagieren in einer gemeinsamen Aussendung: „Das vorliegende Ergebnis ist ein begrenztes Meinungsbild. Die nächstes Jahr stattfindende überregionale Befragung wird mehr Klarheit bringen, denn der S-LINK ist mit Sicherheit von überregionaler Bedeutung“, so Landeshauptmann Haslauer zum Ausgang der heutigen Befragung in der Stadt.
Landeshauptmann-Stellvertreter und Verkehrsreferent Stefan Schnöll weist einmal mehr auf die überregionale Bedeutung des S-LINK hin: „Wir nehmen den Ausgang der Befragung als erstes Stimmungsbild wahr, auch wenn die Beteiligung sehr gering war. Ich bin dennoch sehr überrascht, wie viele Menschen trotz der irreführenden Fragestellung und des verfrühten Zeitpunkts der Befragung ein Zeichen für das Projekt gesetzt haben. Es handelt sich um ein visionäres Projekt und um nichts Geringeres als das Rückgrat für die Verkehrsentlastung im Salzburger Zentralraum, von der alle Regionen profitieren werden. Daher werden wir mit allen Parteien gemeinsam eine überregionale Befragung vorbereiten, um alle betroffenen Salzburgerinnen und Salzburger zu Wort kommen zu lassen.“
Auch Landeshauptmann-Stellvertreterin Marlene Svazek betont, dass es sich bei der Bürgerbefragung lediglich um ein aktuelles Stimmungsbild handelt: „Direkte Demokratie bedingt nicht nur eine entsprechende Vorlaufzeit, sondern hat unter objektiven Bedingungen stattzufinden und braucht eine seriöse Fragestellung. Das heutige Ergebnis ist ein Stimmungsbild, das stark von den Projektgegnern geprägt wurde. Ein derartiges Generationenprojekt eignet sich aber nicht für billige Wahlkampfpunkte und braucht in Hinblick auf eine überregionale Befragung im kommenden Jahr auch noch objektive Aufklärung auf allen Ebenen“, so Svazek.
Befragung zum S-Link von Kritiker:innen initiiert
Die Befragung war von der Initiative "Stopp U-Bahn" eingeleitet worden, die das Projekt in seiner derzeitigen Form ablehnt. "Stopp U-Bahn" fordert ein vollständiges Mobilitätskonzept für die Region vor Baubeginn, zuerst eine Optimierung der bestehenden Öffis und bessere Rad- und Fußverbindungen. Zugleich favorisiert die Initiative eine oberirdische Routenführung: Eine U-Bahn sei nicht ökologisch im Bau, unzeitgemäß, unwirtschaftlich und viel zu teuer. Dem widerspricht die Projektgesellschaft des S-Link. Es seien insgesamt 14 Trassenvarianten geprüft würden, jene die gänzlich an der Oberfläche gelaufen wären, hätten bei Fahrzeit, Kapazitätsreserven, Verkehrssicherheit und Fahrplanstabilität gravierende Nachteile aufgewiesen.
S-Link ist eine Schnellbahn
Der S-Link ist die Verlängerung der Salzburger Lokalbahn vom Hauptbahnhof durch die Stadt bis weiter nach Hallein. Die Querung der Innenstadt und der Salzach ist unter Tage geplant, was dem Projekt den Beinamen U-Bahn oder Mini-U-Bahn beschert hat. Technisch und eisenbahnrechtlich gilt der S-Link aber als Schnellbahn. Insgesamt sind rund 17 Kilometer Neubaustrecke geplant, bis zu sieben Kilometer davon im Tunnel. Die Baukosten sollen je nach Länge der unterirdischen Strecke 1,985 bis 2,838 Mrd. Euro betragen.
Der erste, rund 900 Meter lange, Abschnitt vom Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz ist fertig geplant. Er wird - analog zur Wiener U-Bahn - zu 50 Prozent aus Bundesmitteln finanziert und befindet sich derzeit in der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die öffentliche Verhandlung findet am 11. Dezember statt. Abhängig vom behördlichen Genehmigungsverfahren wäre ein Baubeginn Anfang 2025 möglich, erste Züge bis zum Mirabellplatz könnten 2028 fahren. Darüber hinaus ist über die Pläne bis jetzt wenig bekannt: Für die zweite Etappe bis zur Akademiestraße liegt eine Empfehlung für einen Trassenkorridor vor, für die weiteren Abschnitte laufen die Trassenauswahlverfahren.
(Quelle: salzburg24)