Die ehemalige Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, Marina Davydova, hat im führenden Onlinemedium des russischen Exils massive Kritik an ihrem Ex-Chef Markus Hinterhäuser geübt: "Ich hätte nicht daran geglaubt, dass ich 2024 im Zentrum Europas und nach allen MeToo-Wellen einen Intendanten treffe, der eine Frau anschreit." Das sagt sie in einem Dienstagvormittag veröffentlichten Interview auf "Meduza.io", das im Laufe des Tages um manche Passagen entschärft wurde.
Das Festival hatte Ende November 2024 das Dienstverhältnis "infolge von Verstößen gegen vertragliche Dienstpflichten, insbesondere durch die weder angezeigte noch genehmigte Tätigkeit Marina Davydovas bei einem Berliner Theaterfestival" mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Rund zwei Wochen nach dem Rauswurf wurde eine außergerichtliche Einigung bekannt gegeben und betont, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Davydova sei keine Alleinentscheidung Hinterhäusers gewesen, wozu er gar nicht befugt wäre, sondern sei einstimmig vom Direktorium, nach Hinzuziehung des Betriebsrates, getroffen und auch vom Kuratorium der Salzburger Festspiele einstimmig bestätigt worden.
Davydova: "Tatsächlicher Grund meiner Entlassung"
"Ich kenne keinen einzigen Menschen in Österreich, der glauben würde, dass meine Beratungstätigkeit für das Voices Berlin Festival, mit dem ich bis März 2025 keinen Vertrag gehabt habe und von dem ich (zuvor, Anm.) kein Gehalt bekommen habe, der tatsächliche Grund meiner Entlassung war", erklärt die Theaterverantwortliche dieses Berliner Festivals für "kosmopolitische Expats" nun auf die Interviewfrage nach den wahren Entlassungsgründen in Salzburg. Zum Verständnis dieser Gründe sei es dabei nötig, die Struktur des Festivals zu erklären, betont sie. Es gebe ein Opern- und ein Theaterprogramm, wobei der Intendant selbst das Opernprogramm verantworte und die Schauspielleitung in Wirklichkeit völlig vom Intendanten abhängig sei und de facto keine Entscheidungsgewalt habe.
Diese objektiven Schwierigkeiten würden zudem dadurch verschärft, dass Hinterhäuser den Theaterteil als Konkurrenz zu seinem Opernteil auffasse. Sie habe naiv geglaubt, dass sie nach Salzburg berufen worden war, um das Theaterprogramm wieder international bemerkbar zu machen und sie habe dafür auch maximale Anstrengungen unternommen. Krystian Lupas Fünf-Stunden-Stück in litauischer Sprache sei etwa für die Salzburger Festspiele völlig unüblich gewesen. Deshalb sei 2025 auch ausländisches Publikum gekommen, das schon lange nicht mehr wegen Theaterproduktionen nach Salzburg angereist sei. Das von Davydova geplante Schauspielprogramm für 2025 war wie geplant umgesetzt worden.
Änderungen in Online-Artikel
Davydova meint in dem Interview, Hinterhäuser habe einen Schauspielchef gebraucht, der bescheiden in seinem Schatten gestanden wäre. "Bei mir hat das aber nicht gut funktioniert", erklärt sie. In einer ursprünglich veröffentlichten Variante des Interviews fanden sich detaillierte Charakterisierungen Hinterhäusers und seines Verhaltens, die jedoch bis Dienstagabend von der Webseite des Onlinemediums entfernt wurden. "Nach der Publikation dieses Interviews wurden einige Antworten auf Bitte von Marina Davydova redigiert", merkte Meduza.io dazu an.
Im Zuge der Affäre hatte das Kuratorium der Salzburger Festspiele im Dezember 2024 "zu der von externen Personen geäußerten Kritik am Führungsstil von Markus Hinterhäuser" festgehalten, "dass es eine professionelle Arbeit und einen wertschätzenden Umgang für selbstverständlich hält. Ganz grundsätzlich nimmt das Kuratorium jede Form von Kritik ernst. Ungeachtet dessen sind natürlich vor allem in künstlerischen Fragen Auffassungsunterschiede offen im Interesse der Qualität der Produktionen der Salzburger Festspiele anzusprechen", hieß es damals.
Schwere Vorwürfe gegen Hinterhäuser
Hinterhäuser sei ein feinsinniger und kluger Mensch mit Gespür für Kunst, betont Davydova nun in dem Interview. "Aber es zeigt sich, dass intellektuelle Brillanz vor psychischen Problemen nicht schützt." Im politischen Leben habe der Narzissmus des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump den Charakter der USA verändert. Festivals sollten aber diese politische Realität nicht nachahmen, sondern sich ihr entgegenstellen, erklärt sie.
Es sei auffällig, dass ein Jahr nach ihrem Ausscheiden die Position des Schauspielchef noch immer vakant sei, sagt Davydova in dem Interview. Nach der vorwöchigen Kuratoriumssitzung wurde verlautbart, die Schauspielleitung werde ausgeschrieben, die Entscheidung darüber werde der Intendant bis Februar 2026 treffen. Das Festspielprogramm für 2026 wird bereits am 4. Dezember 2025 präsentiert, wie am Mittwoch die Salzburger Festspiele bekanntgaben.
(Quelle: apa)







