Die Jagd auf den "bösen Wolf" in Salzburg ist eröffnet – und dass es so schnell geht, bis der erste sogenannte Problemwolf geschossen wird, damit haben wohl die wenigsten gerechnet. Auch nicht Wolfsbeauftragter Hubert Stock, den wir vergangenen Freitag in Tenneck in Werfen (Pongau) zu einem Waldspaziergang trafen. Kein anderes Tier erzeuge so viele Emotionen wie der Wolf, sagt Stock noch vor Beginn des eigentlichen Interviews. Und es gebe auch kein anderes Raubtier, das mit dem Wolf und dessen Jagd-Charakteristik verglichen werden könne. „Nur der Wolf tötet und verletzt so viele Schafe einer Herde. Wenn der Luchs reißt, dann nur ein einziges Schaf.“
Hubert Stock ist Bio-Bauer, Berufsjäger, Historiker, ÖVP-Bürgermeister und seit 2018 Wolfsbeauftragter des Landes Salzburg. In dieser Funktion koordiniert er Herdenschutzmaßnahmen, begutachtet Risse und sieht sich als Vermittler zwischen den Naturschutzorganisationen und Salzburgs Landwirt:innen.
Rund 30.000 Wölfe zählt man aktuell in Europa und pro Jahr würden es rund 30 Prozent mehr. In Salzburg sollen sich derzeit drei bis vier Wölfe befinden. Seit Samstag ist es einer weniger. Denn die Jäger:innen im Gebiet Maria Alm/Dienten/Mühlbach hatten aufgrund der am 30. Juni in Kraft getretenen Problemwolf-Verordnung den Wolf mit dem Namen „215FATK“ im Visier. Dieser soll für Risse von mehr als 30 Schafen und Lämmer verantwortlich sein. Ob es sich bei erschossenen Wolf tatsächlich um einen der beiden sogenannten Problemwölfe handelt, ist aktuell noch nicht klar und wird derzeit noch untersucht.
FFH-Richtlinie für Stock veraltet
Die von NGOs und den Grünen als nicht rechtskonform kritisierte Verordnung werde „auf jeden Fall“ halten, sagt Stock im Interview mit SALZBURG24: „Natürlich ist der Wolf durch die FFH-Richtlinie besonders geschützt. Aber in Artikel 16 eben dieser Richtlinie ist auch der Ausnahme-Tatbestand eines Problemwolfes formuliert, bei dem dann die Bejagung möglich ist“, so Stock. Dass der falsche Wolf geschossen wird, könne man nicht ausschließen. In der FFH-Richtlinie werde das auch toleriert.
Die FFH-Richtlinie aus den 1990er-Jahren ist für den Wolfsbeauftragten jedoch veraltet. Die rechtlichen Bestimmungen müssten den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Denn während der Wolf damals „zurecht in den Schutzstatus gehoben wurde" – europaweit wurden nur mehr 1.500 Wölfe gezählt – sei das Tier heute nicht mehr gefährdet.
Was macht ein Wolf zum Problemwolf?
Dass nicht jeder Wolf auch gleich ein Problemwolf ist, darin sind sich Naturschutzorganisationen, Landwirt:innen, Jäger:innen und Politik einig. Doch in der Frage, was macht ein Problemwolf zum Problemwolf, scheiden sich die Geister. „Um als Problemwolf zu gelten, reicht es aber nicht, wenn der Wolf ungeschützte Weidetiere reißt, das Tier muss Herdenschutzmaßnahmen überwinden oder ein aufdringliches Verhalten Menschen gegenüber zeigen", sagt etwa Kimbie Humer-Vogl, Tierschutzsprecherin der Salzburger Grünen. Die Forderung von Wolfsabschüssen sei ein Ablenkungsmanöver für die fehlgeleitete Landwirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte.
„Als Problemwolf bezeichnen wir das Tier dann, wenn in einem Gebiet vermehrt Risse auftreten und dadurch ein massiver wirtschaftlicher Schaden entsteht oder zu erwarten ist“, erklärt Stock. Mittels DNA-Analysen könne man das jeweilige Raubtier dann genau identifizieren und benennen. Die Verordnung ermöglicht dann den dort jagenden Jägerinnen und Jägern innerhalb eines Radius von zehn Kilometer um den letzten Riss diesen Problemwolf zu erlegen. „Diese Genehmigung dauert dann vier Wochen ab dem letzten Riss“, so Stock. Den Wolf schießen dürften ausnahmslos jagdausübungsberechtigte Jäger:innen, wobei nur sehr wenige davon wirklich die sein wollen, die einen Wolf erschießen, ist sich der Berufsjäger sicher. „Den Jägern geht es darum, den Bauern zu helfen, wirklich schießfreudig sind nur die wenigsten" – zumal gerade beim Wolf ein großer psychologischer Faktor mitspiele: „Jäger haben fast immer Hunde dabei. Der Wolf ist wie ein großer Hund, das ist schon ein Thema.“
Nach dem Abschuss werden die toten Tiere untersucht, präpariert und letztendlich ausgestellt.
„Wolfsbestand in Salzburg muss reguliert werden“
Einer Regulation beim Wolf werde man nicht umherkommen. „Wenn wir durch reißfreudige Wölfe die Almen verlieren, verlieren wir die Biodiversität. Das kann nicht im Sinne des Naturschutzes sein“, sagt Stock, der sich aber gleichzeitig vehement gegen ein „wolffreies Salzburg“ ausspricht. Wo Herdenschutz verhältnismäßig finanzier- und logistisch umsetzbar sei, müsse man das weiterhin forcieren – und das werde in Salzburg derzeit auch getan. 830.000 Euro sei bereits in den Herdenschutz investiert worden, 80 Prozent davon finanziert vom Land Salzburg. „Die Förderungen werden auch angenommen, das ist gut“, so Stock, auf dessen Schreibtisch täglich mehrere Förderanträge landen. Schlichtweg nicht möglich sei Herdenschutz jedoch im Hochgebirge – weder Zäune, noch Hirten und Herdenschutzhunde seien hier realistische Szenarien. „Almen können nicht eingezäunt werden, die wenigen Hirten, die es gibt, sind in der Schweiz und bei Herdenhunden stellt sich die Frage nach deren Haltung abseits der Sommermonate auf der Alm“, fasst Stock die aktuelle Problematik zusammen. Gemeinschaftsalmen, wie etwa in der Schweiz oder Vorarlberg, gebe es in Salzburg nicht. Das mache das Ganze noch schwieriger.
Es gibt nicht nur den „bösen Wolf“
Wölfe, die unauffällig sind, wie etwa jener in Forstau im Pongau, sollen in Salzburg auch weiterhin leben können, sagt Stock. Und mehr noch: Genau diese solle man fördern. „Wir sehen, es gibt Wölfe, die sich auf Nutztierrisse spezialisieren und es gibt Wölfe, die scheu sind. Mit der Entnahme der rissfreudigen Wölfe können wir das regulieren.“ Eine Charaktereigenschaft also, die über Tod oder Leben des Wolfes entscheidet. Der Charakterzug der Rissfreudigkeit, der im Rudel und an Jungtiere meist weitergegeben wird, habe mit einer Fehlentscheidung von Menschen in der Vergangenheit jedoch nichts zu tun, bekräftigt Stock.
Ein erwachsener Mensch müsse sich jedoch nicht unbedingt vom „bösen Wolf“ fürchten, sollte er etwa beim Wandern einem der Raubtiere begegnen. „Wenn aber ein Wolf im Wald auftaucht und ein vier-/fünf-jähriges Kind Angst bekommt und zu laufen beginnt, da kann es durchaus sein, dass der Jagdinstinkt geweckt wird und der Wolf das Kind angreift.“ Sollte der unwahrscheinliche Fall einer Begegnung mit dem Raubtier eintreten, gibt es folgende Verhaltensregeln:
- Laut sprechen und kräftig in die Hände klatschen.
- Nicht weglaufen, unter Blickkontakt langsam rückwärts weggehen.
- Sollte der Wolf wider Erwarten folgen, stehenbleiben und versuchen, ihn einzuschüchtern
- Groß machen und lautstark anschreien. Das hält den Wolf auf Distanz.
Fakt ist, der rissfreudige Wolf schädigt Salzburgs Landwirtinnen und Landwirte, vor allem dort, wo es (noch) keinen Herdenschutz gibt. Fakt ist auch, der Wolf wird bleiben. Und nachdem die Jagd in Österreich Ländersache ist, ist auch die schwarz-blaue Landesregierung gefordert, weiterhin an Lösungen zu arbeiten und Wege im Umgang mit dem Wolf zu finden – im Sinne der Bäuerinnen und Bauern und im Sinne der Natur.
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(Quelle: salzburg24)