Bunte Party und Regenbogenflaggen auf der einen, eine schwarz gekleidete Menge und Hitlergrüße auf der anderen Seite: Diese Szenen des Christopher Street Days in Leipzig gehen seit Samstag durch die Sozialen Medien. Sie verdeutlichen einmal mehr, dass speziell die queere Community häufig zum Ziel von Angriffen durch Rechtsextreme wird. Aber woran erkennt man Rechtsextremismus heute – und was kann man tun, wenn man Zeug:in wird oder gar selbst betroffen ist? Beim Pride Festival Salzburg vom 30. August bis 8. September soll diese Thematik im Rahmen eines Workshops behandelt werden. Wir haben uns die Inhalte des Info-Events schon vorab für euch angesehen und euch ein paar Erkenntnisse mitgebracht.
Rechtsextremismus – welche Codes die Szene nutzt
Rechtsextremismus optisch auszumachen sei oftmals gar nicht so schwer, erklärt Leonie Zangerl, Bildungsreferentin der Dokumentation Obersalzberg (Lkr. Berchtesgaden), am Dienstag im Gespräch mit SALZBURG24. Die Szene bediene sich nach wie vor klassischer Codes, die sehr unmissverständlich rechtes Gedankengut propagieren. Als Beispiele nennt sie dafür bekannte Zahlencodes wie die 18 (für die Buchstaben AH, Adolf Hitler) und 88 (für HH, „Heil Hitler“) sowie Handzeichen wie etwa jenes für „white power“, das aussieht wie die Okay-Geste. Auf Demos werde zudem gerne die Reichsflagge gehisst – „weil sie im Gegensatz zu vielen Nazi-Symbolen nicht verboten ist, aber dennoch ein klares Signal sendet“, führt Zangerl aus. Runen und einschlägige Slogans wie etwa „Festung Europa“, eine Bezeichnung die auch in der NS-Propaganda Anwendung fand und heutzutage von rechten Parteien in Europa genutzt wird, seien ebenfalls gängig.
Online stelle sich die Situation anders dar. Hier kämen oft Codes zum Einsatz, die auf den ersten Blick gar nicht als rechte Symbolik erkennbar seien, denn sie werden getarnt als Emojis. Das sei insofern problematisch als dass online „sehr viel schneller sehr viel mehr Menschen erreicht werden“, meint Zangerl.
Beispiele für rechte Online-Codes:
- Zwei Blitze: Sollen die Buchstaben „SS“ symbolisieren
- Emoji mit erhobenem Arm: Als „digitaler Hitlergruß“
- Okay-Handzeichen: Für White Power
- Vampir-Emoji: Antisemitischer Stereotyp, nachdem Jüdinnen und Juden als „Blutsauger“ dargestellt werden
- Vampir-Emoji plus Duschkopf: Als Anspielung auf die Gaskammern
Verändert habe sich die rechtsextreme Szene in den vergangenen Jahren vor allem in ihrer Ästhetik, schildert die Historikerin. Das Klischee mit Glatze und Springerstiefeln sehe man kaum mehr, generell werde das äußerliche Erscheinen unauffälliger. Beliebt seien aber bestimmte Marken. Manche Modelabels wie etwa Thor Steinar und Ansgar Aryan würden sogar ganz konkret Kleidung für Rechte produzieren. Aber auch eigentlich politisch neutrale Marken wie etwa Lonsdale, Alpha Industries oder Fred Perry werden laut Zangerl gerne von Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten getragen.
Ist das noch radikal oder schon extrem?
Was zeichnet nun aber die Ideologie des Rechtsextremismus aus, was unterscheidet sie von rechtem oder rechtsradikalem Gedankengut? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten – und die Fachmeinungen gehen auseinander, wie Zangerl betont. Was man aber sagen könne: Während Rechte und Rechtsradikale sich mit ihren Vorstellungen im Rahmen des demokratisch möglichen bewegen und den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung nach wie vor achten, sei das bei Rechtsextremen nicht mehr der Fall. In ihrer Vision hat also das Prinzip „Gleiche Rechte für alle“ keinen Platz.
Queere Community als Ziel für Rechtsextreme
Warum Rechtsextreme es aktuell vermehrt auf queere Veranstaltungen und Demonstrationen abgesehen haben, liegt für Zangerl auf der Hand: „Queerness stellt sich gegen das traditionelle Familienbild. Das ist für Rechtsextreme aber essenziell und Heterosexualität damit alternativlos.“ Zudem sei gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einer der Grundpfeiler der rechtsextremen Ideologie und die LGBTIQ*-Community werde als Gruppe immer sichtbarer in der Gesellschaft. Mit Gegenkampagnen wie dem Hashtag „nopridemonth“ setze sich die Szene dann gegen die von ihnen geortete „Genderpropaganda“ zur Wehr – denn es gelte, Kinder vor dem Regenbogen-Einfluss zu schützen. Dieses Narrativ sei auch ein Mittel, um weitere Menschen „auf ihre Seite zu ziehen“, ist sich Zangerl sicher: „Einfach weil man mit dem Schutz von Kindern viele überzeugt.“ In Wien etwa wurde im Vorjahr zu Protesten gegen eine Drag-Queen-Lesung für Kinder mobilisiert.
Wie „salonfähig“ rechtsextreme Aussagen in unserer Gesellschaft heutzutage wieder sind, findet die Bildungsreferentin bedenklich. „Was man machen darf, wird Stück für Stück weiter nach rechts verschoben. Es ist erschreckend.“ Denn je radikaler die Ansichten, desto höher sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Gewalt käme.
Workshop bei HOSI Salzburg soll Handlungsmöglichkeiten aufzeigen
Was aber tun, wenn man mit Rechtsextremismus konfrontiert ist? „An die Polizei wenden, sofern es um Gewalt oder Drohung geht“, rät Zangerl. Handle es sich um Graubereiche oder man sei sich schlichtweg unsicher, dann gebe es Beratungsstellen, die Tipps für das weitere Vorgehen haben. In Österreich kann man sich etwa an die Beratungsstelle Extremismus oder, bei Hass im Netz, an die Organisation Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit wenden. Online solle man außerdem unbedingt Screenshots machen sowie die betroffenen Nachrichten oder Postings der Plattform melden.
Welche weitere Handlungsmöglichkeiten Betroffene von rechtsextremistischen Angriffen, aber auch Zeuginnen und Zeugen haben, wird im Detail beim Workshop „Rechtsextremismus unter der Lupe“, den Zangerl gemeinsam mit einer Kollegin leiten wird, zum Thema gemacht. Er findet am 4. September von 9 bis 13 Uhr in der Bar der Homosexuellen Initiative Salzburg (Franz-Josef-Straße 22) statt.
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(Quelle: salzburg24)