Der 18. Salzburg Europe Summit, der heuer von 23. bis 25. Oktober im Salzburg Congress stattfindet, steht ganz im Zeichen der aktuellen Krisen. 68 führende Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Journalismus und Kultur aus ganz Europa begeben sich in Salzburg gemeinsam auf die Suche nach Visionen, definieren Erwartungen und Realität – für eine friedvolle Zukunft.
Landeshauptmann a. D. Franz Schausberger ist Präsident des Instituts der Regionen Europas, das den Kongress veranstaltet. Wie jedes Jahr haben wir auch heuer im Vorfeld des Salzburg Europe Summits den ehemaligen Politiker und Historiker zum Interview gebeten. Wir sprechen mit ihm über die Zukunft und warum die Politik nicht umher kommen wird, die Jungen in ihre Entscheidungen miteinzubeziehen. Und dabei richtet Schausberger auch mahnende Worte an die Politiker:innen von heute.
SALZBURG24: Mit dem Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine erleben wir eine Zeitenwende. Der Krieg stellt ganz Europa vor neue Herausforderungen – sicherheitspolitisch und wirtschaftlich. Wie kann Europa diesen Herausforderungen begegnen?
FRANZ SCHAUSBERGER: Wir müssen realisieren, dass wir eine solche multiple Krisensituation wie wir sie jetzt haben, nach 1945 in Europa noch nicht gehabt haben. Es gab schon kritische Situationen, aber im Wesentlichen war das immer eine Krise, maximal zwei. Jetzt haben wir die Corona-Krise noch nicht wirklich überwunden, den Kampf gegen den Klimawandel noch nicht im Griff. Dazu der Krieg, der enorme Folgen haben wird. Und jetzt poppt auch noch die Migrationskrise neuerlich auf. Das alles zusammen hat es wirklich seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gegeben.
Und ich muss auch sagen, die Ungeduld, die man mit der Politik generell hat – auch in den Regierungen anderer Länder – ist nicht angebracht. Denn keiner der Politikerinnen und Politiker hat bisher eine solche Situation erlebt. Und daher kann man auch nicht auf Beispiele zurückgreifen. Alle sind Suchende, um den richtigen Weg zu finden. Ich bin davon überzeugt, dass es noch sehr lange dauern wird, bis wir hier herauskommen und es wäre sehr gut, wenn die Politik hier klar und auch ehrlich sagt, dass wir uns noch länger damit beschäftigen und dass die Krisen noch länger eine Herausforderung für die Regierung und für die Bevölkerung sein werden.
Sind Sie besorgt, was die Zukunft betrifft?
Natürlich macht man sich Sorgen, wenn man sich die Entwicklung der Energiepreise und anderer Preise ansieht und wenn man sieht, wie sich die Budgets und die Verschuldungen der Regierungen entwickeln. Ich mache mir Sorgen – aber wissen Sie, das Schlechteste in der Politik ist es, nicht trotzdem positiv zu denken und optimistisch in die Zukunft zu schauen. Denn es hat natürlich schon wesentlich kritischere Situationen in der Geschichte gegeben, auch im 20. Jahrhundert. Und die Menschheit ist immer wieder herausgekommen.
Der Salzburg Europe Summit findet dieses Jahr auch unter Einbeziehung der Jugend statt (Europäisches Jahr der Jugend). Können die jungen Menschen in Europa positiv in Ihre Zukunft blicken?
Nicht zuletzt hat die Europäische Union dieses Jahr zum Jahr der Jugend ausgerufen. Ohne die Mitwirkung der Jugend werden wir die Krisen nicht lösen und daher ist es auch so wichtig, dass die Jugend ihr Vertrauen in unser System, in die Demokratie, nicht verliert. Das wäre das Allerschlimmste. Und deshalb werden wir auch bei unserem Summit mit Jugendlichen aus verschiedenen Ländern in Europa über diese Fragen diskutieren.
Sie selbst sind vor rund 50 Jahren in die Politik eingestiegen. Wie hat sich die Politik in dieser Zeit verändert?
Ich betrachte die Politik nach wie vor sehr aufmerksam – aber nicht nur als ehemaliger Landeshauptmann, sondern auch als Historiker, der ich nach wie vor mit Leidenschaft bin. Und ich kann sagen, in dieser Zeit hat sich schon einiges getan. Wir haben damals noch etwas mehr Zeit gehabt über verschiedene Dinge nachzudenken. Die heutige Zeit ist viel schnelllebiger geworden – das betrifft auch die Zeit, die man den Politikern gibt. Man braucht manchmal die Möglichkeit, um in die Vogelperspektive zu gehen und von oben herunterzuschauen und alles zu betrachten. Es wird heute viel zu viel von heute auf morgen, für die nächste Schlagzeile, entschieden. Der Politiker braucht dringend mehr Zeit, um nachzudenken, zu analysieren, um sich mit Experten zu besprechen und dann zu entscheiden. Es tritt heute irgendwo eine Krise auf und im selben Moment soll schon eine Lösung am Tisch liegen. Das ist eben nicht möglich und wenn, dann ist diese Lösung meistens sehr oberflächlich und nicht nachhaltig.
Das zweite ist, wir haben früher mehr darauf geschaut, dass man in schwierigen Zeiten zusammenhält. Ich muss der heutigen Politik den Vorwurf machen, dass sie sehr spaltet, dass man sehr aggressiv aufeinander los geht und dass dadurch auch in der Gesellschaft eine Spaltung entsteht. Ich bin absolut für harte politische Diskussionen, aber sie sollten gehaltvoller sein, man sollte ein bisschen mehr Respekt voreinander haben und diesen auch zeigen.
Sehen Sie aktuell die Demokratie gefährdet?
So weit würde ich nicht gehen, aber eines ist mir schon klar: Die Demokratie ist nicht etwas Selbstverständliches und sie muss immer wieder aktiv verteidigt werden und dabei müssen alle mitmachen, die sich zur Demokratie bekennen.
Wie muss sich die Politik verändern, um zukunftsfähig zu sein? Braucht es vielleicht eine ganz neue Generation an Politikerinnen und Politikern?
Ich würde schon meinen, dass wir schauen müssen, dass wir junge Menschen in die Politik bringen. Das, was für die Jungen heute selbstverständlich ist, muss auch in die Politik miteinfließen, sonst betrachten wir die Dinge aus einer ganz anderen Generation, die längst vorüber ist.
Wir brauchen die jungen Leute in der Politik, aber wir haben die Entwicklung, dass diese nicht wollen. Weil sie sehen, was sich in dieser Branche abspielt. Wenn ich mit jungen Menschen darüber spreche, sagen sie mir, ich gehe doch nicht in die Politik, dass ich übermorgen vor dem Staatsanwalt lande, meine Karriere kaputt ist, meine Familie darunter leidet. Ich sehe die Gefahr, dass wir nicht mehr die geeigneten Leute bekommen, weil die nicht in die Politik wollen, sondern solche bekommen, die dann wirklich anfällig für Machtmissbrauch sind. Also wir brauchen einen neuen Stil und mehr junge, gut ausgebildete Leute, in der Politik.
Zum Programm des Salzburg Europe Summits
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(Quelle: salzburg24)