Vor nicht allzu langer Zeit – keine drei Jahre ist es her – sorgten die täglichen Touristenströme in Salzburg für Sorgenfalten bei vielen Einwohner:innen und Teilen der Stadtpolitik. Nun haben wir nach mehr als zwei Jahren Corona bekanntlich ganz andere Gegebenheiten.
Millionen weniger Übernachtungen
Im ersten coronageplagten Tourismusjahr 2020/21 wurden in der Stadt Salzburg rund 1,2 Millionen Nächtigungen gezählt. Zum Vergleich: 2017 hat man mit über drei Millionen Übernachtungen eine Tourismus-Schallmauer in der Mozartstadt gesprengt. Dazu kamen jährlich bis zu sieben Millionen Tagesgäste und jene, die ihre Unterkunft via Airbnb buchen. Die Zahlen stiegen bis vor Beginn der Corona-Pandemie noch weiter an, ehe sie schlagartig einbrachen. Noch im Jahr 2003 lag die Zahl der Nächtigungen übrigens bei rund 1,6 Millionen.
"Bis heute ist der Städte-Tourismus noch lange nicht auf Vor-Krisen-Niveau", berichtet Werner Taurer von der Fachhochschule (FH) Salzburg am Mittwoch gegenüber SALZBURG24. "Die Experten sind sich einig, dass es noch bis 2024 dauern wird, bis sich die Situation wieder normalisiert hat." In der Hochzeit der Pandemie "mussten Städtereisen wegen ihrer beengten Verhältnisse starke Einbußen hinnehmen“, führt der Fachbereichsleiter für Innovation und Tourismus an der FH aus. "Destinationen am Land waren deutlich beliebter, weil dort auch die Abstände zu anderen Menschen leichter einzuhalten sind."
Ländliche Regionen profitierten
Warum in den Sommermonaten 2020 der Lungau und Pinzgau davon profitierten, liegt für Taurer auf der Hand: "Menschen, die früher etwa nach Kroatien gereist sind und das wegen der Beschränkungen plötzlich nicht mehr konnten, haben ihren Urlaub alternativ in der näheren Nachbarschaft verbracht – das wurde einfach kompensiert."
Im Folgejahr hingegen wurden wieder vermehrt internationale Ziele bereist, was auch an gelockerten Corona-Regeln gelegen haben dürfte: Mit 16,1 Mio. Urlaubsreisen im Jahr 2021 haben die Österreicher:innen um rund ein Viertel (+27,6%) mehr Reisen als im Jahr 2020 unternommen. Damit liegt der Wert allerdings noch immer um rund ein Viertel (-23,9%) unter dem Vorkrisenniveau von 2019 mit 21,2 Mio. Urlaubsreisen.
Große Lust auf Urlaubsreisen
"Die aufgestaute Reiselust ist nachweislich, die Menschen wollen wieder verreisen und – wenn möglich – auch mit dem Flugzeug", betont Taurer. Der Wirtschaftssektor habe sich in Sachen Hygienebedingungen und Co den neuen Voraussetzungen angepasst. "Die Reisebranche hatte schon immer neue Herausforderungen, wie etwa Anfang der 2000er-Jahre nach den ersten Terroranschlägen."
(Noch) fehlende Flugverbindungen
Dennoch dürfte es noch einige Zeit dauern, ehe wieder tausende Touristen gleichzeitig durch die Mozartstadt strömen. Zumal der Städte-Tourismus stark abhängig ist von Flugverbindungen, die noch längst nicht alle wieder aufgenommen wurden. "Urlauber aus den USA und Asien kommen langsam wieder, das geht aber erst ganz langsam los", weiß Taurer. Unsicherheitsfaktoren seien neben Corona auch der derzeitige Krieg in Europa. "Auf der Weltkarte sind Salzburg bzw. Österreich nicht weit vom Kriegsgebiet in der Ukraine entfernt, das kann durchaus abschrecken."
Unterschiede zwischen Urlaubsgästen
Man müsse außerdem zwischen den verschiedenen Touristengruppen unterscheiden, gibt Taurer zu bedenken. "Während Tagesgäste tendenziell weniger Geld ausgeben und in Gruppen für enge Straßen und Gassen sorgen, bringen Aufenthaltsgäste dem Städte-Tourismus bedeutend mehr Wertschöpfung." Als plakatives Beispiel für Letztgenannte nennt der Tourismus-Forscher die "zahlungskräftigen Festspielgäste". Urlauber:innen, die hingegen nur einen Tag auf Besuch sind, sollten demnach "in geordnete Bahnen gelenkt werden". Dazu zählen auch Tourist:innen aus den Salzburger Gebirgsgauen, dem Salzkammergut und Oberbayern, die insbesondere an Schlechtwettertagen in die Stadt Salzburg kommen.
Touristenmassen durch Salzburg lenken
Um die Touristenmassen besser zu lenken, werden in der Stadt Salzburg seit 2019 spezifische Messungen durchgeführt. "Mit Mobilfunk- sowie WLAN-Daten und elektronischem Monotoring können entsprechende Rückschlüsse gezogen werden." Ein weiteres Mittel, um Touristenströme zu bändigen, ist die im Herbst 2020 eingeführte Betten-Obergrenze, die besagt, dass neu gebaute Hotels nur mehr maximal 60 Zimmer und 120 Betten haben dürfen.
Dennoch entsteht mitten in der Salzburger Altstadt – in der AVA-Passage zwischen Griesgasse und Franz-Josef-Kai – ein Hotel mit 120 Zimmern und theoretisch bis zu 240 Betten. Das liegt daran, dass der Betreiber das Projekt wenige Tage vor Ende der Frist eingereicht hatte. Und das Hotel "Zum Hirschen" in der Elisabeth-Vorstadt wird von 62 auf 99 Zimmer erweitert, um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen. Gegenbeispiele dafür sind zwei Kapselhotels – also einer Absteige auf sehr kleinem Raum – in der Landeshauptstadt. Laut Tourismus Salzburg gibt es in der Mozartstadt derzeit insgesamt 121 verfügbare Hotels mit über 14.000 Betten.
Neue Modelle für Hotelbetriebe?
Doch wie passt es zusammen, dass auf der einen Seite Städtereisen im Vergleich zu anderen Urlaubsarten derzeit noch hinterherhinkt und die gesamte Branche auf der anderen Seite über einen massiven Personalmangel klagt? Schließlich sind Tausende Arbeitskräfte entweder in andere Berufsgruppen abgewandert oder in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Im Land Salzburg wären zuletzt 1.926 Arbeitsplätze in der Gastronomie und Hotellerie zu haben gewesen. Dabei handle es sich nicht nur um abgewanderte Fachkräfte, sondern auch um Hilfskräfte, die seit der Pandemie größtenteils ausgeblieben sind.
Taurer: "Die Betriebe müssen ihre Konzepte anpassen, um gegen den eklatanten Mitarbeitermangel anzukommen." Entweder würden betroffene Standorte attraktiver für Mitarbeitende gemacht – das Personal bekommt also beispielsweise eigene Wohnungen und angepasste Arbeitszeiten. Oder die Firmen ändern das Geschäftsmodell etwa in ein Budget-Hotel, um beim Personal einzusparen. Und selbstredend spielt die Entlohnung bei vielen Arbeitnehmer:innen eine große Rolle. Wer über dem Kollektiv bezahlt, würde sich leichter tun, qualifizierte Angestellte zu finden.
Ausblick auf Salzburgs Städte-Tourismus
Abschließend wagt der Experte von der FH Salzburg noch einen kleinen Ausblick: Taurer ist davon überzeugt, dass zudem besonders die jüngere Generation vermehrt auf Nachhaltigkeit im Urlaub setzen wird. "Der Klimawandel-Gedanke ist keinesfalls zu unterschätzen, darum braucht es neben Freizeit- und Kulturangebot speziell für Jüngere auch leistbare Zugverbindungen und Unterkünfte."
Und auch der nicht unbedingt klassische Städte-Tourismus dürfte wieder einen Aufschwung erleben, denn Messen und Kongresse werden künftig wieder vermehrt in Präsenz durchgeführt, ist sich der Tourismus-Experte sicher: "Zum einen ist das persönliche Treffen als Reiseerlebnis nicht zu ersetzen, zum anderen werden Kongresse mit haptischen Produktpräsentationen zurückkommen."
Offen bleibt die Frage, wie man viele zahlungskräftige Tourist:innen nach Salzburg locken will, ohne das die Stadt aus allen Nähten platzt. "Das ist und bleibt die Krux von allem", so Taurer.
(Quelle: salzburg24)