Dass uns gerade heuer die Energiekrise derart beschäftigt, sorgt bei vielen Menschen für Verwunderung. Schließlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten kaum Probleme bei der Energieversorgung in Europa. Es stellte sich gewissermaßen ein Leben im Überfluss ein, bei dem nicht genau darauf geachtet werden musste, ob man Energie spart oder nicht.
Dies ändert sich nun. Zum ersten Mal seit dem vergangenen Jahrhundert wird Energiesparen für die breite Masse wieder zum Thema. Dabei ist die Entwicklung nicht neu: Zur ersten Ölkrise zu Beginn der 1970er-Jahre etwa wurden die Semesterferien an den Schulen als "Energieferien" eingeführt. Auch die Einführung der Sommerzeit war eine direkte Reaktion auf die damalige Energiekrise.
"Lage ist aktuell angespannt"
"Die Lage ist aktuell angespannt, aber stabil", beschreibt Siegfried Müllegger, Leiter Energietechnik bei der Salzburg AG und Vorsitzender des Energielenkungsbeirates, im Gespräch mit SALZBURG24 am Donnerstag die aktuelle Situation. Die Gründe dafür sind vielfältig: Während Österreich in der warmen Jahreszeit seinen Bedarf aufgrund der vielen Wasserkraftwerke weitgehend selbst decken kann, gibt es im Winter starke Einbrüche. Im gesamten Alpenraum wurde heuer aufgrund des geringen Niederschlags weniger Strom aus Wasserkraft produziert. "Aktuell sind wir acht Prozent unter Soll. Das ist viel."
Stromerzeugung mittels Gas im Winter
Diese Einbrüche wiederum kompensiert man in Österreich mittels Stromerzeugung durch Gas. Gerade im Winter: "In einem normalen Dezember macht der Anteil hier etwa 20 bis 25 Prozent aus", so Müllegger. Wie sehr Österreich auf diese Art der Energieerzeugung zurückgreifen muss, hängt zu einem großen Teil vom Wetter ab. So steigt der Stromverbrauch bei niedrigen Temperaturen an. "Eine extreme Kältewelle mit einer Dauer von zwei bis drei Wochen – noch dazu ohne Wind – wäre schlimm für uns."
Russland fällt als Gaslieferant aus
Beim Gas wiederum gab es bereits im letzten Jahr einen starken Preisanstieg. "Der Ukraine-Krieg, infolgedessen Russland die Gaslieferungen nach Europa drosselte, sorgte für weitere Unsicherheit am Markt", wie Müllegger weiter ausführt. Europa musste diesen Ausfall kompensieren, kaufte Gas daraufhin in Norwegen ein und setzte zudem auf Flüssiggas (LNG), etwa aus Abu Dhabi oder Katar. "Europa und auch Österreich haben hier die Hausaufgaben gemacht. Mit Stand 1. Dezember sind unsere Speicher zu 99 Prozent gefüllt", weiß der Experte.
Österreich von Strom aus dem Ausland abhängig
Im Winter muss Österreich dennoch rund 30 Prozent des Strombedarfs importieren, in Salzburg sind es sogar 50 Prozent. Dass dieser Anteil so hoch ausfällt, liegt laut Müllegger an den langen Genehmigungsverfahren bei der Errichtung von Kraftwerken. "Bei Wasserkraftwerken etwa dauert die Genehmigung zehn bis 15 Jahre. Die Errichtung eines Kraftwerks dauert weitere zwei Jahre. Es ergibt sich hier also ein Rückstau und eine zu geringe Erzeugerkapazität, was zu einer starken Abhängigkeit vom Ausland führt", schildert Müllegger.
Teurer Strom aus dem Ausland
Österreich kommt somit nicht umher, Strom im Ausland einzukaufen. Die Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten sei jedoch gegeben: "Der Markt funktioniert, allerdings bei aktuell sehr hohen Großhandelspreisen." Zusätzlich verschärft wird die Lage durch das Abschalten von Atomkraftwerken (AKW) in Frankreich. "Hier sind nun viele AKW in Revision. So wurde Frankreich vom Strom-Exporteur zum Strom-Importeur." Sollten noch zusätzlich Anlagen in der EU ausfallen, verschärfe das die Lage zusätzlich. Zudem müsse bei der Situation zwischen Strom und Gas unterschieden werden. Bei Gas stelle sich die Lage stabiler dar, da die Speicherstände derzeit hoch sind. Bei Strom hingegen sei die Situation angespannt.
"Energielenkungsmaßnahmen unwahrscheinlich"
Der Experte sieht Österreich also für den Winter weitgehend gerüstet. Grundsätzlich funktioniere der Energiemarkt, allerdings mit sehr hohen Preisen. "Wir befinden uns in Stufe 1 (freiwilliges Sparen) von drei Eskalationsstufen. Dass es zu Energielenkungsmaßnahmen (Stufe 3) kommt, ist unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen." Anderer Ansicht war hier zuletzt allerdings Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP), der eine Energielenkung durchaus für wahrscheinlich hielt.
Drei Stufen des Energiesparens
- Freiwilliges Sparen: Dazu ist die Bevölkerung Salzburgs bereits jetzt aufgerufen. Wertvolle und praktische Energiespartipps für den Alltag: www.salzburg.gv.at/energiesparen
- Angeordnetes Sparen: öffentliche Gebäude, gewerbliche Betriebe, Industrie und so weiter.
- Energielenkung durch abgestimmte Abschaltung von Großverbrauchern und dann gegebenenfalls gezielte und koordinierte Flächenabschaltung des Stroms als allerletzter Weg, wenn die Stufen 1 und 2 nicht ausreichen. Ziel: Die Sicherheit und Versorgung der Bevölkerung und die Aufrechterhaltung des Alltags so weit wie möglich zu gewährleisten.
- Ziel aller drei Eskalationsstufen: Der Bevölkerung und auch der Volkswirtschaft nur so viel zuzumuten, wie absolut nötig.
(Quelle: salzburg24)