Die Zukunft der Salzburger Landesumweltanwaltschaft (LUA) wird immer mehr zum emotionalen Wahlkampfthema. Die Abschaffung fordert neben der Industriellenvereinigung auch die Salzburger FPÖ. Das geht der ÖVP zu weit, die allerdings eine Gesetzesänderung ins Spiel bringt. Die SPÖ sieht das ähnlich wie die Volkspartei und setzt sich für eine personelle Neuausrichtung ein. Gegen eine Schwächung oder gar Abschaffung sind die Grünen und KPÖ Plus – dazu kommt nun eine Reihe von NGOs wie die Naturfreunde, Alpenverein, WWF, BirdLife, Ökobüro und Umweltdachverband.
"Artensterben bedrohlicher als Klimawandel"
Alle Organisationen der neu geschmiedeten Allianz betonten bei einem Medientermin am Dienstag unisono, dass die Schwächung oder Abschaffung der LUA einem großen Rückschritt gleichkommen würde: "Die LUA ist unverzichtbar, gerade wenn wir uns mit den dramatischen Folgen des Artensterbens beschäftigen müssen", sagte Robert Lindner, Direktor des Salzburger Hauses der Natur. Und das habe tiefgreifende Wirkungen auf das menschliche Leben.
Die Biodiversitätskrise sei demnach bedrohlicher als der Klimawandel, denn auch in Österreich sei ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Und das mit unabsehbaren Folgen. "Der Verlust der biologischen Vielfalt bedroht die Zukunft unserer Kinder", mahnt Lindner.
Haslauer: LUA Thema bei Koalitionsverhandlungen
Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) erklärte in der Vorwoche, dass eine Reform der LUA auf jeden Fall Teil der Koalitionsverhandlungen nach der anstehenden Landtagswahl am 23. April 2023 sein müsse. Eine Abschaffung sei für ihn zwar "überschießend", es gehe aber um die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten und Verfahrensbeschleunigungen.
Den Schwarzen Peter als Verhinderer, so wie die LUA zuletzt von Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) dargestellt wurde, lässt sich Winfried Herbst vom Salzburger Naturschutzbund nicht vorwerfen: "Wenn unsere Arbeit den gewünschten Erfolg hätte, dann würden wir jetzt nicht vor den Trümmern der Artenvielfalt stehen." Und dass ehrenamtliche Naturschützende im gleichen Atemzug als Verhinderer des Klimaschutzes genannt werden, sei "mehr als bedenklich".
"LUA personell und finanziell aufwerten"
Die Debatte um die LUA ortet Herbst bei der Pressekonferenz im Salzburger Haus der Natur indes als "schleichenden Versuch, die Sinnhaftigkeit der LUA in Zweifel zu ziehen." Schon seit Jahren würde es entsprechende Äußerungen seitens der Politik geben: "Es ist der Versuch, mit allen Mitteln und der schlimmsten Polemik eine negative Stimmung zu erzeugen, damit in der Bevölkerung das Verständnis für eine Abschaffung der LUA wächst." Das alles sei "mehr als nur Wahlkampfgetöse, sondern eine ernstzunehmende Gefahr für den Naturschutz in Salzburg".
"Wir können auf rechtlich abgesicherte Instrumente wie die Umweltanwaltschaft nicht verzichten", betonte Herbst. "Die Debatte um eine Abschaffung ist unzeitgemäß und indiskutabel." Vielmehr gehöre die LUA personell und finanziell aufgewertet. Auch könne man überlegen, die rechtliche Kompetenz noch zu erweitern. "Aber man darf sie auf keinen Fall abschaffen, nur weil sie eine unbequeme Wahrheit vermittelt", sagt Herbst. Die LUA sei ein unverzichtbarer Anwalt für Natur und Umwelt und damit auch für alle Menschen.
Salzburgs früherer Landesumweltanwalt Wolfgang Wiener spricht in einer Stellungnahme von "haltlosen Behauptungen, die durch ständige Wiederholungen nicht wahr werden". Und auch Naturschutzbund-Vorsitzender Herbst widersprach heute der Industriellenvereinigung und ÖVP entschieden: Das Argument mit der Aarhus-Konvention sei unrichtig, weil entsprechende Rechte für NGOs nur dann gelten, wenn europarechtliche Belange, nicht aber landesrechtliche Belange, betroffen seien. In der Realität fehle es NGOs und Vereinen zudem an den Ressourcen für eine fundierte Parteienstellung. "Das, was die LUA leistet, kann keine NGO, kein ehrenamtlicher Verein wahrnehmen", waren sich alle Organisationen einig.
Verzögerungen bei Umweltverfahren
"In ganz Europa ist der Trend zum Klimaschutz zu erkennen, nur Salzburg macht genau das Gegenteil", zeigt sich Sophia Burtscher von den Salzburger Naturfreunden enttäuscht von der Landespolitik. Dass sich Umweltverfahren verzögern, passiere meist auch nicht wegen Einwänden der LUA, sondern oft aufgrund von nicht ordnungsgemäß vorbereiteten Einreichpläne. Zudem seien die Behörden mit der Flut an Verfahren überlastet. Auch hier könne die Politik ansetzen und mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
"Grüne Kammer für die Natur"
Gegründet wurde die Salzburger Landesumweltanwaltschaft im Jahr 1985 unter LH Wilfried Haslauer senior – er habe sie einmal "Kammer für die Natur" genannt. Die LUA wird vom Land finanziert, ist rechtlich verankert, agiert weisungsfrei und hat bei Verfahren, die naturschutz- oder umweltschutzrechtliche Belange betreffen, Parteienstellung. Seit Anfang des Jahres häuften sich die medialen Attacken auf die LUA.
In 400 von 800 möglichen Verfahren nimmt die LUA ihre Parteienstellung wahr. Dabei gebe es jährlich durchschnittlich 15 Beschwerden an die Verwaltungsgerichte: In 95 Prozent der Verfahren gibt es also weder Beschwerden noch Rechtsmittel. Bei den beeinspruchten Verfahren bekommt die LUA in rund 80 Prozent der Fälle Recht.
Die Chefin der Salzburger Grünen, Landesrätin Martina Berthold, betonte unterdessen, dass es bereits jetzt ein deutliches Ungleichgewicht in der Vertretung der unterschiedlichen Interessen gebe: "Projektentwickler, Konzerne, Wirtschaftskammer mit Standortanwalt, Industriellenvereinigung und viele andere kämpfen mit Millionenbudgets und Anwaltsarmeen für ihre Bauvorhaben." Demgegenüber würden in der Umweltanwaltschaft Salzburg fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Vollzeitbasis sitzen – inklusive einer Sekretärin.
Das letzte Wort in der Causa ist – etwas mehr als drei Monate vor der Salzburger Landtagswahl – noch lange nicht gesprochen.
Bildergalerien
(Quelle: salzburg24)