Fast auf den Tag genau vor zwei Jahren kündigte die Bundesregierung an, in den Bundesländern Gewaltambulanzen zu errichten – mit dem Ziel, die Verurteilungsquote nach Gewalttaten (auf Frauen) zu erhöhen. Dort werden Gewaltverletzungen dokumentiert und Spuren gesichert, sodass sie in Gerichtverfahren als Beweise verwendet werden können. Eine Studie hätte gezeigt, dass in Österreich dringender Bedarf an Gewaltambulanzen bestehe, ließen die zuständigen Ministerinnen Alma Zadić (Grüne) und Susanne Raab (ÖVP) damals bei einer Pressekonferenz wissen.
Zwei Jahre später gibt es ein Pilotprojekt in der Steiermark. Auch in Wien, Tirol und Salzburg sollten Gewaltambulanzen entstehen – doch was immer wieder angekündigt wurde, scheint aktuell in die Ferne gerückt zu sein. Wien wurde von 2024 auf 2025 verschoben und das Land Salzburg will das Projekt in der Steiermark zuerst evaluieren, bevor Entscheidungen getroffen werden. Die „notwendige Entscheidungsgrundlagen“ sollen im kommenden Jahr vorliegen, so Salzburgs Gesundheits- und Frauenlandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) auf S24-Anfrage.
853 Betretungsverbote 2023 in Salzburg
In Salzburg gab es im vergangenen Jahr exakt 853 Betretungsverbote, 392 (46 Prozent) davon wurden allein in der Landeshauptstadt dokumentiert. Und im Oktober dieses Jahres wurde in Adnet (Tennengau) eine 67-jährige Frau getötet – von ihrem eigenen Sohn. Gewalttaten sind nicht erst seit Corona im Steigen begriffen. Im Kampf gegen Gewalt an Frauen seien Gewaltambulanzen eine wichtige Einrichtung – das betonen auch die Salzburger Frauensprecherinnen von SPÖ, Grüne und KPÖ immer wieder, die sich mehr Tempo in der Sache wünschen. Die Grünen pochen zusätzlich auf eine Regionalisierung der Gewaltambulanzen, wie das in der Steiermark geplant ist.
Gutschi will Doppelgleisigkeit vermeiden
Bereits jetzt würden an allen Standorten der Salzburger Landeskliniken (SALK) Spuren von Gewaltverbrechen gerichtsverwertbar dokumentiert werden, betont Landesrätin Gutschi. So gebe es flächendeckend geschultes Personal, das bei typischen Verletzungen einer Person die notwendigen Schritte vornimmt. Mit Checklisten, Dokumentationsbögen und Untersuchungssets würden die Spuren von Gewaltverbrechen gerichtsverwertbar dokumentiert. Eine Gewaltambulanz in Salzburg mache aus ihrer Sicht nur dann Sinn, wenn dadurch das bestehende System verbessert, Synergien genutzt und keine Doppelgleisigkeiten aufgebaut würden. Den Standort für eine Gewaltambulanz sieht die zuständige Landesrätin „am ehesten im Bereich der Stadt Salzburg“.
Gewaltambulanz auch als präventive Maßnahme
Gewaltambulanzen sollen dabei helfen, nicht nur die Zahl der Verurteilungen zu erhöhen – so landet aufgrund von fehlenden Beweisen immer noch nur ein Bruchteil der angezeigten Vergewaltigungen überhaupt vor Gericht. Ihre Leistungen sind auch kostenlos und von einer Anzeige unabhängig, auch eine E-Card wird in der Regel nicht benötigt. Damit könnte die hohe Zahl der Dunkelziffer erhellt werden, woraus sich präventive Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft ableiten ließen, sind sich Gewaltschuztexpert:innen einig.
Dass das Angebot offensichtlich angenommen wird, zeigen die Zahlen aus Graz, wo im Mai dieses Jahres die neue Gewaltambulanz am Campus der Med Uni eröffnet wurde. Die Zahl der Menschen, die die Gewaltambulanz aufsuchten ist seither stetig gestiegen. Das Gesundheitsministerium rechnet mit über 200 Personen, die bis Jahresende die Gewaltambulanz besucht haben werden. Zudem hätte es im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres 80 Prozent mehr Untersuchungen gegeben, wird die verantwortliche Fachärztin in einem ORF-Bericht zitiert.
Gewaltambulanzen Teil der Koalitionsgespräche
Die von der türkis-grünen Noch-Bundesregierung versprochene Gewaltschutzmaßnahme sei derzeit auch Teil der Regierungsverhandlungen auf Bundesebene zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS, weiß die Salzburger SPÖ-Frauensprecherin Karin Dollinger, die für eine Gewaltambulanz in jedem Bundesland plädiert. Dass es Gewaltambulanzen in Österreich braucht, scheint – zumindest aus Expertensicht – unbestritten, doch wie immer geht es auch hier ums Geld. Denn in welcher Höhe sich der Bund bei der Finanzierung schlussendlich beteiligt, dürfte bei den Gesprächen eine der zentralen Fragen – auch für die Bundesländer – sein.
In der Modellregion Süd mit ihrer Gewaltambulanz in Graz stellte der Bund 1,8 Millionen Euro zur Verfügung, 500.000 Euro wurden von der Steiermark beigesteuert. Im Falle einer Umsetzung des Projekts in Salzburg zahle das Land zwangsläufig mit, „da es öffentliche Gesundheitsversorgung finanziert und die Einrichtung eine Gewaltambulanz nach derzeitigem Stand nur im Spitalsbereich umsetzbar scheint", so Gesundheitslandesrätin Gutschi. Aber auch hier sei die Höhe der Mitfinanzierung abhängig vom Ergebnis der Prüfung und den Empfehlungen der Expert:innen. Seit September dieses Jahres besteht für Betreiber von Gewaltambulanzen jedenfalls die Möglichkeit, Fördergelder vom Bund abzuholen. Damit will man eine langfristige Finanzierung sichern.
16 Tage gegen Gewalt an Frauen endet
Die internationale Kampagne „16 Tage gegen Gewalt gegen Frauen“, an der sich Bundesregierung, das Land Salzburg, Parteien sowie eine Reihe von Institutionen beteiligt haben, endet am morgigen Dienstag. Dabei scheint allen klar: Beim Gewaltschutz können Gewaltambulanzen nur ein Teil eines Maßnahmenbündels sein, denn Gewalt beginnt nicht mit Vergewaltigung oder Mord. Auch dazu zählen sexistische Witze, frauenfeindliche Sprache, Geschlechterklischees, sexuelle Belästigung oder Hass im Netz. Gewalt in einer Beziehung beginnt oft schleichend: Mit Streitereien, Beschimpfungen, Erniedrigungen. Ein häufiges Muster ist der Versuch, die Partnerin zu kontrollieren, sie einzuschränken und ihre sozialen Kontakte zu beherrschen.
Die SPÖ fordert daher den „Nationalen Aktionsplan Gewaltschutz“, eine Gesamtstrategie gegen Gewalttaten an Frauen, zu der beispielsweise auch die Vermittlung eines positiven Buben- und Männerbildes gehört. Neben der akuten Prävention sollen damit auch langfristige Maßnahmen, wie in der Bildung, Gleichstellung und der Integration in den unterschiedlichen Ministerien für den Gewaltschutz genutzt werden.
(Quelle: salzburg24)