Nach der Präsidentenwahl in Georgien am heutigen Sonntag endet nach knapp zehn Jahren die zweite und letzte Amtszeit des ungestümen, pro-westlichen Politikers. Sein Nachfolger soll nicht mehr in die eigenwillige Mischung aus Weißem Haus und Deutschem Bundestag einziehen, den Palast, den er sich eigens in Tiflis neu errichten ließ. So will es die ihm kritisch gesinnte, seit dem Vorjahr amtierende Regierung, die darin verschwenderischen Luxus sieht.
"Er hat viele Fehler gemacht, aber auch Positives in die Wege geleitet", sagt der Historiker Lascha Bakradse über Saakaschwili. Er würdigt wirtschaftliche Entwicklung, Straßenbauprojekte; daneben die Schaffung einer "anständigen" Polizei und die Einführung einheitlicher, anonymisierter Studienzulassungsprüfungen - zwei Felder, wo davor die Korruption grassierte und von der die Georgier im Alltag betroffen waren. Seine Aussage, dass eine Armee geschaffen wurde, die "wie eine Armee aussieht", deutet bereits daraufhin, dass einiges, was Saakaschwili anging, jedoch Fassade geblieben ist.
Nicht nur mit dem Präsidentenpalast fiel der heute 45-Jährige mit hochtrabenden Prestigeprojekten auf, die nicht immer glückten. So ließ er das Parlament im Namen der Regionalentwicklung von der Hauptstadt in das fast drei Stunden Autofahrt entfernte Kutaissi in ein rund 200 Millionen Dollar (145,17 Mio. Euro) teures Neugebäude verlegen. Umständlich und kostspielig auch in Betrieb und Logistik, wie sich für Kritiker erwiesen hat. Die Regierung will die Volksvertretung ins alte Sowjet-Gebäude in Tiflis zurückholen und sucht eine neue Verwendung für das in der Landschaft liegende Glasauge.
In der Tourismusstadt Batumi am Schwarzen Meer ragt ein weiteres Großprojekt Saakaschwilis in die Luft: ein weißer Turm mit goldenem Riesenrad a la London Eye hoch an einer Außenseite. Während die belebte Uferpromenade und das Zentrum je nach Geschmack schön oder hässlich revitalisiert wurden und weiter werden, steht das Hochhaus leer. Saakaschwili wollte hier eine Technische Universität unterbringen, fand zunächst kein Partnerinstitut in den USA und seit der neuen Regierung ist die Uni Geschichte mit Ende aber ohne Anfang.
Saakaschwili, der in den USA Jus studierte und nach der sogenannten Rosenrevolution vor zehn Jahren Hoffnungsträger für Demokratisierung und Entwicklung war, betrieb lange ein gekonntes Polit-Marketing, das ihm ein positives Image im Ausland verschaffte - bis zum Krieg mit Russland 2008, in den er sein Land führte, um die abtrünnigen Regionen Abachsien und Südossetien zurückzugewinnen. Die westlichen Partner gingen auf Distanz.
In Georgien war Saakaschwilis Image schon vorher angekratzt. Seine Politik rief Massenproteste hervor, gegen die er Polizeigewalt einsetzte, er wurde aber - noch vor dem Krieg - doch noch einmal wiedergewählt.
Saakaschwili habe Reformen zu schnell durchgeführt hat und ohne sie zu erklären, sagt Bakradse, Direktor des Literaturmuseums in Tiflis. "Er hat mit seiner ganz kleinen Gruppe von Leuten gedacht, besser zu wissen, wie es weiter gehen soll, was gut ist für das Land. Die breitere Bevölkerung und auch den wohlgemeinten Rat anderer hat er ignoriert." Die Polizei habe letztlich zu viel Macht erhalten und sei ebenso wie die Justiz politisch gesteuert worden. Vor der Abwahl von Saakaschwilis Regierung im Vorjahr wurden Videos von Folterungen in Gefängnissen publik.
Bakradse glaubt vor allem aber auch, dass dem Sohn eines Mediziners und einer Geschichtsprofessorin bei den Georgiern auf den Kopf gefallen ist, die gravierenden, sozialen Probleme wie genereller und Altersarmut oder Arbeitslosigkeit mangels einer Industrie nicht wie versprochen in den Griff zu bekommen. So sei das georgische Arbeitsrecht geradezu "unmenschlich", weil Saakaschwili unerwartet in diesem Bereich einen "libertären" Kurs gefahren sei. Es gebe keine Arbeitslosenunterstützung, die Landwirtschaft sei vernachlässigt worden. Auf den Straßen von Tiflis warten zwischen alten Frauen in Schwarz, die Nüsse und andere Kleinigkeiten verkaufen, um sich die Pension aufzubessern, täglich Männer vom Land in der Hoffnung auf einen Tagesjob am Bau. Als Hochschulprofessor muss Bakradse feststellen, dass das Schulbildungsniveau sehr niedrig geblieben ist.
Unter diesem negativen Eindruck scheidet Saakaschwili 45-jährig in aller Stille aus dem Amt. Interviewanfragen der APA und anderer ausländischer Medien, um Bilanz zu ziehen, ließ er angesichts der zahlreichen Passiva unbeantwortet. Ob er in der Politik bleibt, ist offen. Noch ist er Ko-Chef seiner oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung. Er muss mit Justizermittlungen rechnen; mehrere seiner früheren Minister sitzen wegen mutmaßlicher Vergehen im Amt in U-Haft.
So steuert Georgien auf eine unsichere Zeit zu, denn auch Saakaschwilis einstiger Unterstützer und nun größter Widersachser, Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili, will in Kürze sein Amt zurücklegen. Der Milliardär, der nur die Notbremse gegen Saakschwili ziehen wollte und im Gegensatz zu diesem höchst populär ist, will sich eigenen Angaben nach nur mehr in der Zivilgesellschaft engagieren. Sein Parteienbündnis Georgischer Traum, das er aufgebaut hat, ist heterogen, seine Regierungsriege, die er zurücklässt, besteht großteils nicht aus Polit-Profis.
(Quelle: salzburg24)