S24 Archiv

Pakistan vor "Schicksalswahl"

Veröffentlicht: 03. Mai 2013 15:07 Uhr
So hat sich Pervez Musharraf das sicher nicht vorgestellt. Als der ehemalige Machthaber am 24. März nach vier Jahren im Exil nach Pakistan zurückkehrte, hat er wohl erwartet, mit offenen Armen empfangen zu werden. Doch gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen und er steht nun unter Hausarrest. An der Parlamentswahl am Samstag, dem 11. Mai, darf Musharraf nicht teilnehmen. Die Wahl, die von vielen als "Schicksalswahl" gesehen wird, gilt gleichzeitig als "blutigste" überhaupt, schreibt die BBC-Journalistin Lyse Doucet in einem Kommentar.

Kein Tag vergeht, an dem nicht über Anschläge auf Politiker, Polizei oder in der Öffentlichkeit berichtet wird. Seit dem 11. April kamen bei Anschlägen und Übergriffen mehr als 60 Menschen ums Leben, meldete die Nachrichtenagentur AFP. Am Freitag wurde erstmals ein Kandidat für die Abstimmung getötet. Saddiq Zaman Khattak von der säkularen Awami-Nationalpartei (ANP) wurde zusammen mit seinem dreijährigen Sohn erschossen. Kurz zuvor fiel der Staatsanwalt, der im Mordfall um die ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto gegen Musharraf ermittelt hatte, einem Anschlag zum Opfer.

Trotz aller Gewalt zeigt sich aber auch eine Veränderung im Land. Der Erlass eines Haftbefehls gegen den Ex-General Musharraf ist für pakistanische Verhältnisse einzigartig. Bisher galt das ungeschriebene Gesetz, dass hochrangige Militärs, die das Land jahrzehntelang regiert hatten, ungeschoren davonkamen.

Die Wahl gilt als "Schicksalswahl", "weil es die ersten Wahlen sind, bei denen das Land von einer demokratisch gewählten Regierung zur nächsten wechselt", sagte der Londoner Autor und Historiker Tariq Ali dem Nachrichtenmagazin "profil". "Nach vielen Jahren mehrfacher Staatsstreiche des Militärs hat das eine große symbolische Bedeutung."

Laut Umfragen hat die regierende Volkspartei (PPP) von Präsident Asif Ali Zardari Chancen, wiedergewählt zu werden. Die größte Oppositionspartei, die in Umfragen gut dasteht, ist die Muslim Liga (PML-N) des früheren Ministerpräsidenten Nawaz Sharif. Allerdings sind Meinungsumfragen in Pakistan recht unzuverlässig. Und viele, vor allem junge Wähler, favorisieren die Kricket-Legende Imran Khan und dessen Bewegung für Gerechtigkeit Thereek-e-Insaf (PTI), die sich für Sozialthemen engagiert.

Junge Wähler könnten in dem rund 193 Millionen Einwohner zählenden Land durchaus ausschlaggebend sein. Geschätzte 35 Prozent der Wähler sind unter 30 Jahre alt, rund 20 Prozent zwischen 18 und 25 Jahre. Umfragen sagen außerdem eine hohe Wahlbeteiligung voraus. Bei der Wahl im Februar 2008 hatten 44 Prozent abgestimmt.

Nach dem Attentat auf Bhutto im Dezember 2007 hatte ihre Volkspartei PPP die Wahlen gewonnen. Der Regierungspartei werden mittlerweile allerdings Instabilität, hohe Korruption und wirtschaftliches Missmanagement vorgeworfen. Zardari, der Witwer von Benazir Bhutto, wird wegen Korruptionsvorwürfen als "Mister Ten Percent" verspottet, so die Nachrichtenagentur dpa. Im Korruptionsindex von Transparency International ist das Land auf den 139. von 176 Rängen abgerutscht.

Doch nicht nur mit internen Problemen hat Pakistan zu kämpfen. Im Konflikt mit Indien um die umstrittene Kaschmir-Bergregion gibt es immer wieder Zwischenfälle. Beide Atommächte beanspruchen die mehrheitlich muslimische Himalaya-Region für sich und haben seit ihrer Unabhängigkeit 1947 bereits drei Kriege gegeneinander geführt. Indien vermutet außerdem die Drahtzieher für den Terroranschlag von Mumbai (Bombay) von 2008, bei dem mehr als 160 Menschen getötet worden waren, in Pakistan.

Im Nordwesten, an der Grenze zu Afghanistan, hat Pakistan kaum noch Kontrolle über das sogenannte Stammesgebiet. Diese Region wurde zum Rückzugsgebiet für militante Islamisten, unter ihnen die Taliban. Die USA gehen mit unbemannten Drohnen gegen die Terroristen vor.

Der US-Drohnenkrieg, bei dem auch immer wieder Zivilisten ums Leben kommen, wird von Islamabad offiziell verurteilt, inoffiziell offenbar aber geduldet. "70 Prozent betrachten Amerika als die größte Bedrohung für Pakistan, noch viel mehr als etwa den Erzrivalen Indien oder Afghanistan", sagte Tariq Ali. Die Ablehnung des Drohnenkriegs ist dementsprechend zentrales außenpolitisches Thema von fast allen Parteien im Wahlkampf.

Die Wahlen am 11. Mai werden nicht nur die wichtigsten Wahlen des Landes, schreibt BBC-Journalistin Doucet. "Es wird auch eine entscheidende Machtprobe zwischen den Kräften, die entschlossen sind, das Land durch Gewalt zu formen, und jenen, die noch immer glauben, dass Wahlurnen von Bedeutung sind beim Versuch, die wachsenden Krisen Pakistans zu lösen."

(Grafik 0600-13, Format 88 x 110 mm)

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

22.10.2018
S24 Archiv

Laudamotion schließt Station in Salzburg

Von Nicole Schuchter
15.10.2018
S24 Archiv

Auto brennt in Anif völlig aus

Von Jacqueline Winkler
Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken