Auf der Anklagebank vor dem Sondertribunal für den Libanon (STL/TSL) sitzen vier libanesische Schiiten, die der radikal-islamischen Hisbollah angehören und den Anschlag auf den sunnitischen Ex-Ministerpräsidenten und Milliardär geplant haben sollen. Da die Männer auf der Flucht sind, findet die Verhandlung ohne sie statt.
Schon das Attentat auf Hariri am 14. Februar 2005 in Beirut hatte das Land an den Rand des Bürgerkrieges gebracht. Es löste Massenproteste gegen Syrien aus, die dazu führten, dass der mächtige Nachbarstaat wenige Monate später sein Militär nach 29 Jahren aus dem Libanon abzog. Hariri hatte die syrische Militärpräsenz immer wieder kritisiert. Zugleich nahmen im Libanon, wo erst 1990 ein 15-jähriger Bürgerkrieg geendet hatte, schon damals die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten wieder zu.
Im Verhandlungssaal in Den Haag zeigte ein großformatiges Modell den Tatort an der viel befahrenen Küstenpromenade, wo der bis heute nicht identifizierte Selbstmordattentäter in einem Kleinbus seine Bombe mit gut 2,5 Tonnen Sprengstoff gezündet hatte. 22 Menschen starben, 226 wurden verletzt. Hariri, der die Unterstützung des Westens genossen hatte, wurde nach dem Attentat auf dem nahe gelegenen Märtyrer-Platz beigesetzt - neben der großen Mohammed-Al-Amin-Moschee mit ihren blauen Kuppeln, deren Bau er ebenso wie den Wiederaufbau der Innenstadt nach dem Bürgerkrieg mitfinanziert hatte.
Die gigantische Explosion, die einen tiefen Krater in die Straße riss, habe die Bevölkerung des ganzen Landes in Panik versetzen sollen, erklärte der Ankläger Norman Farrell zum Auftakt der Verhandlung am Donnerstag in Den Haag. "Die Angreifer benutzten eine außergewöhnlich große Menge Sprengstoff - weit mehr als zur Tötung ihres Hauptziels nötig war", sagte er. "Ihr Bestreben war ganz offensichtlich, nicht nur sicherzustellen, dass ihr Ziel getötet wird, sondern sie wollten eine Botschaft des Schreckens aussenden und Panik in der Bevölkerung Beiruts und Libanons auslösen."
Die Hisbollah bestreitet eine Verwicklung in den Anschlag, lehnt die Zusammenarbeit mit dem Sondertribunal aber ab und hat den Ermittlern mit Vergeltung gedroht, falls sie die Angeklagten verhaften sollten. "Jede Hand, die sie berührt, wird abgehackt", sagte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah 2010. Im Falle einer Verurteilung durch die libanesischen und internationalen Richter droht den Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass sich der Prozess über Jahre hinziehen dürfte. Die Hisbollah ist nicht nur eine von Syrien unterstützte Extremistenorganisation, sondern auch eine der Regierungsparteien im Libanon.
Politiker im Westen hoffen, dass der Prozess um den Hariri-Mord eine Kultur der Straflosigkeit im Libanon beendet, wo viele Gewalttaten seit Beginn des Bürgerkriegs in den 70er-Jahren ungesühnt blieben. Die Verhandlung sei ein Schritt in die richtige Richtung, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, und eine Warnung an diejenigen, die weitere Verbrechen planten, erklärte auch der libanesische Präsident Michel Sleimane (Suleiman).
Doch auch am Tag des Prozessbeginnes in Den Haag kommt das kleine Land am Mittelmeer nicht zur Ruhe. Bei einem Sprengstoffanschlag in der Hisbollah-Hochburg Hermel im Nordosten des Libanon kamen drei Menschen ums Leben. Ein Sprengsatz detonierte in einem Auto, das vor einer Bank geparkt worden war. Vier der insgesamt 43 Verletzten seien in kritischem Zustand, hieß es.
Zum jüngsten Terroranschlag bekannte sich indes der örtliche Ableger der Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front. Das Gebiet im Nordosten des Landes ist eine Hochburg der schiitischen Hisbollah-Bewegung.
Der Anschlag sei eine Vergeltung für die sunnitischen Opfer des Bürgerkriegs im unmittelbar benachbarten Syrien, hieß es in dem Bekennerschreiben, das über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurde.
(Quelle: salzburg24)