Auch die Barrikaden in der Hauptstadt wurden verstärkt. Janukowitsch zeigte sich indes nur zu minimalen Zugeständnissen bereit, darunter zu einer Kabinettsumbildung. Bei einer Sondersitzung des Parlaments am Dienstag sollten zudem die im Eilverfahren erlassenen strikten Beschränkungen der Versammlungsfreiheit geändert werden, sagte Janukowitsch nach einem Treffen mit EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. "Wir werden diese Frage regeln."
Damit geht er auch auf Forderungen der deutschen Regierung ein. Überdies werde er die Regierung umbilden, sagte Janukowitsch. Die Kernforderungen der Opposition - seinen eigenen Rücktritt und vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen - will er aber nicht erfüllen. Sollte es keine politische Einigung geben, dann werde er "alle legalen Mittel" ausnutzen, drohte er.
Oppositionspolitiker Vitali Klitschko wies die von Janukowitsch in Aussicht gestellten Zugeständnisse als unzureichend zurück. "Janukowitsch muss gehen", sagte Klitschko am Freitag in Kiew. Die prowestlichen Regierungsgegner wären zu Beginn der Proteste mit der Entlassung von Innenminister Witali Sachartschenko zufrieden gewesen."Und vor zwei Wochen hätte uns der Rücktritt der Regierung genügt", sagte der Ex-Boxweltmeister. Heute würden die Menschen aber eine Neuwahl des Staatschefs fordern. Klitschko hatte Janukowitsch wiederholt "Krieg gegen das eigene Volk" vorgeworfen.
In der Hauptstadt rückten die Demonstranten ihre Festungen bis auf Sichtweite zum Präsidentenpalast vor. In der Nacht war das Landwirtschaftsministerium in Kiew gestürmt worden. Die Aktivisten der Bewegung Gemeinsame Sache (Spilna Sprawa) hätten das Gebäude auf der Chreschtschatik-Straße rund hundert Meter vom Unabhängigkeitsplatz besetzt, schrieb der Anführer der Bewegung, Olexander Daniljuk, auf seiner Facebook-Seite.
In Lemberg (Lwiw) hielten 200 Demonstranten das Gebäude der Regionalverwaltung besetzt, nachdem sie Gouverneur Oleg Salo gezwungen hatten, seinen Rücktritt zu unterschreiben. In Tscherniwzi an der Grenze zu Rumänien griffen Regierungsgegner den Sitz von Gouverneur und Parlament an und lieferten sich stundenlange Handgemenge, der Präsident des Regionalparlaments wurde am Kopf verletzt, schließlich überließen Sicherheitskräfte und Politiker das Gebäude den Angreifern. Auch in Luzk, Riwne, Ternopil und Chmelnizki wurden Verwaltungsgebäude besetzt.
In Lemberg erklärte der regionale Verband der Partei der Regionen von Präsident Janukowitsch, er werde die Partei verlassen, weil die Machthaber in Kiew für den Tod friedlicher Demonstranten verantwortlich sei. Der Regionalverband verbündete sich mit der Opposition und forderte vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
International wuchs daher die Befürchtung, die Konfrontation in der Ukraine könne in ein großes Blutvergießen münden. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellte den ukrainischen Botschafter ins Auswärtige Amt. Steinmeier wolle dem Botschafter klarmachen, dass es "keine Gewaltanwendung" geben dürfe und dass die im Schnellverfahren beschlossenen Gesetzesänderungen zur Versammlungsfreiheit überprüft werden müssten, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Bundesregierung verurteile die "empörende Gewalt" in Kiew, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert.
Die Auseinandersetzungen in Kiew sind seit vergangenem Wochenende eskaliert: Bei den bisher heftigsten Zusammenstößen waren nach Angaben der Opposition fünf Tote und 1700 Verletzte zu beklagen.
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- Video sorgt für Empörung
- Chronologie einer Eskalation
- "An seinen Händen klebt Blut"
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(Quelle: salzburg24)