Die AK fordert "dringend ein Programm gegen den Bildungsabbruch in Schule und Lehre", so die Leiterin des Bereichs Bildung, Melitta Aschauer. Vor dem Wechsel in weiterführende Ausbildungen müsse die Berufsorientierung verbessert werden. In den berufsbildenden Schulen sei mehr Förderung beim Einstieg nötig, in der Lehrausbildung Qualitätsmanagement etwa durch die Einführung von Kompetenzchecks bereits während der Lehrzeit.
Der Anteil an vorzeitigen Bildungsabbrechern ist laut der bei einer AK-Veranstaltung am Montagnachmittag präsentierten Studie in den letzten Jahren gesunken - von zehn Prozent im Jahr 2008 auf 8,6 Prozent 2010 und eben 7,9 Prozent im Jahr 2012. Im internationalen Vergleich ist der Österreich-Wert verhältnismäßig gering (EU-27: 12,9 Prozent).
Besonders oft brechen Jugendliche mit Migrationshintergrund (bis zu 26 Prozent), Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern (18,2 Prozent) und mit arbeitslosen Eltern (17,7 Prozent) vorzeitig ab. Zum Vergleich: Nur 4,7 Prozent der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund sind solche "Early School Leavers", 2,9 Prozent der Kinder von Eltern mit mindestens Matura und 5,5 Prozent der Kinder von Beschäftigten.
Auch die Auswirkungen des Abbruchs wurden untersucht: Demnach beträgt die Arbeitslosenquote der frühen Abbrecher 12,4 Prozent - bei Jugendlichen mit Abschluss der Sekundarstufe II (also etwa Lehre, berufsbildende mittlere Schule oder Matura) dagegen nur 6,9 Prozent. Und falls die Niedrigqualifizierten doch einen Job finden, handelt es sich in drei Viertel der Fälle um Hilfstätigkeiten. Darüber hinaus sind knapp 30 Prozent der "Early School Leaver" außerhalb des Arbeitskräftepotenzials ("Out of Labor Force", also etwa ausschließlich im Haushalt tätig oder in Pension).
Ebenfalls untersucht wurde eine Untergruppe - nämlich jene Jugendlichen, die ohne Pflichtschulabschluss geblieben sind. Dabei handelt es sich um 3,9 Prozent einer Alterskohorte: Sie haben nicht einmal die Hauptschule/Neue Mittelschule oder eine AHS-Unterstufe abgeschlossen. Dieser Wert schwankt zwischen den Bundesländern deutlich: Die niedrigsten Werte werden im Burgenland verzeichnet (2,6 Prozent), die höchsten in Vorarlberg (5,4 Prozent) und Wien (5,6 Prozent). Burschen (4,9 Prozent) sind stärker betroffen als Mädchen (2,8 Prozent).
Deutliche Unterschiede gibt es auch zwischen Jugendlichen mit deutscher Umgangssprache (2,7 Prozent ohne Pflichtschulabschluss) und mit nicht-deutscher Umgangssprache (9,6 Prozent). Interessantes Detail: Diese Werte sind je nach Bundesland unterschiedlich stark ausgeprägt: Während im Burgenland und in Kärnten die Lücke nicht allzu stark auseinanderklafft, bleiben in Tirol 2,9 Prozent der deutschsprachigen Schüler ohne Pflichtschulabschluss, aber 12,1 Prozent der nicht-deutschsprachigen. In Vorarlberg beträgt das Verhältnis sogar 2,8 Prozent zu 16,9 Prozent. "Wenn man annimmt, dass das Kompetenzniveau der MigrantInnen gleich über Österreich verteilt ist, kann aus diesem Befund der Schluss gezogen werden, dass die Tiroler und Vorarlberger Pflichtschulen wesentlich sozial selektiver sind als im Rest von Österreich", heißt es in der Studie.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Nur 60 Prozent der Neueinsteiger an AHS-Oberstufen bzw. der Anfänger an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) erreichen problemlos die Abschlussklasse der jeweiligen Schulform. Die restlichen 40 Prozent bleiben mindestens einmal sitzen (8 Prozent), wechseln die Schulform (25 Prozent) oder brechen gleich die gesamte Bildungskarriere (7 Prozent) ab.
Die größten Schwierigkeiten zeigen sich dabei erwartungsgemäß beim Übergang vom ersten ins zweite Jahr der Ausbildung, also nach der neunten Schulstufe. An diesem Punkt endet die Schulpflicht bzw. beginnt das duale Ausbildungssystem. Die einzelnen Schulformen sind vom Abbruch/Sitzenbleiben bzw. Wechsel unterschiedlich stark betroffen.
An den berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) schaffen es überhaupt nur 46,1 Prozent "friktionsfrei" bis in die Abschlussklasse. Demgegenüber bleiben 6,9 Prozent mindestens einmal sitzen, 35,3 Prozent wechseln die Schule und 11,8 Prozent brechen ihre Ausbildung ganz ab. "Hauptverantwortlich" für die hohe Zahl an Schulwechslern sind jene rund 25 Prozent, die nach der ersten Klasse BMS eine Lehre beginnen.
Innerhalb der BMS weisen die kaufmännischen Schulen die meisten Schüler mit Bildungsknick auf: Nur 36 Prozent der Anfänger an dieser Schulform erreichen problemlos die Abschlussklasse: 10,4 Prozent müssen wiederholen, 34,7 Prozent wechseln die Ausbildung und 18,9 Prozent brechen ganz ab. Selbst wenn man die knapp 23 Prozent Wechsler in die Lehre vom ersten ins zweite Schuljahr abzieht, bleiben noch immer 42 Prozent Problemschüler, "die die Frage nach einer Reform dieser Form der Ausbildung aufwerfen".
Deutlich geringer sind die Abbruch- und Wechselquoten in den berufsbildenden höheren Schulen (BHS): Sie kommen auf eine "Erfolgsquote" von immerhin 58 Prozent - allerdings müssen immerhin 10,6 Prozent eine Klasse wiederholen, 26,4 Prozent wechseln die Schule und 5,1 Prozent brechen ganz ab.
Die mit Abstand niedrigste "Schulversagensrate" (IHS) gibt es an den AHS-Oberstufen: Hier gibt es nicht nur die mit Abstand wenigsten Schulwechsler (15,1 Prozent), auch die Anteile der Wiederholer (8,8 Prozent) bzw. der Bildungsabbrecher (6,5 Prozent) sind vergleichsweise gering. Dies gilt auch dann, wenn man die gerne gewählte "Laufbahnvariante" des Wechsels in die Lehre nach einem Jahr BMHS abzieht. "Dies führt zu dem Befund, dass sich diese Schulform nach der starken sozialen Selektion beim Eintritt (nach der Volksschule, Anm.) als die am wenigsten selektive im Laufe der weiteren Ausbildung herauskristallisiert", heißt es in der Studie.
Gleichzeitig zeigte sich, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob die Jugendlichen eine Hauptschule (Neue Mittelschule/NMS) besucht haben oder eine AHS-Unterstufe: Die "Verlustraten" der Hauptschulabsolventen in der Oberstufe sind um rund 15 Prozentpunkte höher als jene der AHS-Unterstufenschüler. Das hänge zwar zum Teil mit dem Wechsel vieler Hauptschulabsolventen über ein zwischengeschobenes BMHS-Jahr in die Lehre zusammen: "Zugleich sind diese Ergebnisse durchaus dazu angetan, Zweifel an der These zu formulieren, AHS-Unterstufe und Hauptschule (NMS) würden in gleichem Maße auf die Herausforderungen der Sekundarstufe II vorbereiten und auch den HauptschulabsolventInnen stünden im Anschluss alle Wege gleich offen. De jure mag das stimmen, de facto sind sie mit größeren Problemen konfrontiert, die sich in deutlich erhöhten Verlustraten ausdrücken."
Unter Heranziehung von anderen Untersuchungen errechnete Steiner außerdem noch eine Abbruchstatistik für die Lehre: Dabei zeigte sich, dass das duale System mit 16,6 Prozent die meisten Bildungsabbrecher produziert (BHS: 5,1 Prozent, AHS: 6,5 Prozent, BMS: 11,8 Prozent).
(Quelle: salzburg24)