Laute Nebengeräusche

Umstrittene Salzburger Testspiele gegen WM-Gastgeber Katar

Das Bürgerau-Stadion in Saalfelden muss für den Profi-Fußball noch adaptiert werden.
Veröffentlicht: 28. Juni 2022 13:30 Uhr
Wenn der Gastgeber der kommenden Fußball-Weltmeisterschaft für ein Testspiel anreist, fällt der Jubel für gewöhnlich riesig aus. Wenn dieser jedoch Katar heißt, sind Nebengeräusche inkludiert. Der Scheichstaat bereitet sich im Bundesland vor und testet unter anderem gegen zwei Salzburger Regionalligisten.

Für die Amateurkicker ist ein Testspiel gegen eine Nationalmannschaft immer ein Highlight. Zudem Katar sich bei der im Winter stattfindenden Weltmeisterschaft mit den besten Ländern des Planeten messen und man dann als Salzburger Breitensportler behaupten darf, dass man denen Monate zuvor gegenübergestanden ist.

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Katar APA/AFP/KARIM JAAFAR
Die Nationalmannschaft von Katar bereitet sich vor der Heim-WM in Salzburg vor. (SYMBOLBILD)

Bereits in den vergangenen zwei Jahren lockte die Agentur von Hannes Empl, SLFC, die Kicker aus dem Golfstaat nach Österreich und organisierte für sie Trainingscamps. Am 2. Juli steigt bereits der erste Probegalopp gegen den FC Pinzgau, ehe am 12. Juli auch Drittliga-Konkurrent St. Johann ein Testspiel veranstalten wird. Der englische Top-Klub Liverpool FC hat indes ein Testspiel-Angebot ausgeschlagen.

 

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Für Saalfelden "nur ein Fußballspiel"

Anders sieht die Situation beim FC Pinzgau aus. Die Saalfeldener sind ein sogenannter "fan owned club", also ein Verein, der von Anhängern mitfinanziert und organisiert wird. Der Regionalligist spielt am Samstag gegen die Asiaten und betont auf SALZBURG24-Anfrage am Dienstag: "Für uns ist es wichtig, dass wir in der Vorbereitung viele Spiele gegen Gegner mit einem unterschiedlichen Leistungsniveau absolvieren können, damit unsere neu formierte Mannschaft schnell zu einem homogenen Team zusammenwachsen kann. Daher haben wir die sportliche Herausforderung angenommen und sehen es als einen kleinen Teil in unserer geplanten Vorbereitung. Für uns ist es ein Fußballspiel, nicht mehr und nicht weniger."

Im Internet mehrt sich indes die Kritik an den Duellen. "Unfassbar – wie kann man das mit seinem Gewissen vereinbaren?", lautet ein Kommentar auf der Facebook-Seite vom FC Pinzgau, der mehr "Gefällt mir"-Angaben als die Ankündigung einheimste.

FC Pinzgau, Katar Facebook/FC Pinzgau
Reaktionen auf die Bekanntgabe des Testspiels zwischen dem FC Pinzgau und Katar.

Testspiel-Absage für St. Johann kein Thema

Empl selber meint, dass man "Sport und Politik nicht vergleichen kann." Der 52-Jährige wolle aber nichts schönreden. "Wenn Arbeiter angeblich ausgebeutet werden, ist das natürlich schlimm, aber eigentlich überhaupt nicht mein Thema. Ich versuche dem Nationalteam sportliche gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Wenn ich die Camps nicht organisiert hätte, hätte es halt eine andere Agentur gemacht. Finanziell ist das für meine Firma freilich lukrativ, da brauchen wir nicht drum herumzureden", erklärte Empl gegenüber S24.

Auch der TSV St. Johann verschwendete keine Gedanken, das Testspiel-Angebot nicht anzunehmen. "Wenn man so eine Chance erhält, muss man sie schon nützen. Ich mache mir aber natürlich Gedanken, was sich dort abspielt. Freilich ist das sehr fragwürdig, aber was sollen wir als kleiner Verein ausrichten", erklärte St. Johann-Präsident Josef Klingler am Dienstag auf S24-Anfrage.

Regionalligisten ernten Unverständnis im Netz

Auch auf Twitter tauchen erste Reaktionen auf.

WM-Gastgeber heftig kritisiert

Sportlich hat das Kräftemessen im Rahmen eines Testspiels freilich kaum Aussagekraft – dafür jedoch politisch umso mehr. Stichwort tote Arbeiter:innen beim Bau der WM-Stadien, Verstöße gegen Menschenrechte etc.

Noch vor dem Anpfiff zur WM 2022 wird deutlich: Regime wie Katar oder Saudi-Arabien nutzen die enorme Strahlkraft des Sports zur Image-Politur. Denn selten war ein Gastgeberland eines großen Turniers im Vorfeld derart öffentlich diskreditiert: Mehr als 15.000 Arbeitsmigrant:innen sind im Zuge der Stadionbauarbeiten gestorben. Homosexualität ist in Katar ein Straftatbestand und wird wohl auch während der Veranstaltung bleiben. Zudem sind Menschenrechte, Pressefreiheit und Alkoholkonsum in der Monarchie nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen massiv eingeschränkt.

 

Bei der Vergabe vor fast zwölf Jahren war die Freude noch groß. Es folgten unzählige Diskussionen. Fans der teilnehmenden Nationen dachten laut über einen Boykott nach, teilnehmen werden allerdings alle qualifizierten Länder.

"FIFA mitschuldig an Ausbeutung in Katar"

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch macht den Fußball-Weltverband FIFA mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen im WM-Gastgeberland Katar. Anstatt die Behörden zum Handeln zu drängen, habe die FIFA Katars "Selbstgefälligkeit" gedeckt, kritisierte die Organisation. Der Verband habe die Pflicht, Wiedergutmachung für die mitverursachten Missstände zu leisten, sei dieser Verantwortung aber bisher nicht nachgekommen.

Begriff Sportswashing ist geboren

Der viertreichste Staat der Welt hat schon längst seine Fangarme im internationalen Fußball ausgefahren. Der reichste Klub der Welt, Paris St. Germain (PSG) aus Frankreich, gehört bekanntlich dem Wüstenstaat. Startschuss dafür war die 2003 gegründete "Qatar Sports Investment“-Gruppe. An deren Spitze sitzt der Politiker Nasser Al-Khelaifi, der Präsident bei PSG ist.

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Die Fluglinie Qatar Airways zahlt Bayern München als Sponsor einen zweistelligen Millionenbetrag. Auch der Wut der Fans konnten den deutschen Rekordmeister nicht zu einem Umdenken überzeugen. Österreichs Serienmeister Red Bull Salzburg absolvierte 2014, 2015 und zuletzt 2020 ein Trainingslager im Wüstenstaat.

Die Kritik wird Katar in der Fußballbranche wohl nicht stören. Der Scheichstaat selbst will die Strahlkraft des Sports als Bühne nutzen, um das ramponierte internationale Image aufzupolieren. Der englische Premier League-Klub Newcastle United ist vergangenen Herbst an ein Konsortium mit saudischer Beteiligung verkauft worden. Diese Praxis ist mittlerweile so beliebt, dass für sie ein eigener Begriff geprägt wurde: Sportswashing. Und es scheint sich auszuzahlen.

(Quelle: salzburg24)

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