Wer gegen einen krassen Außenseiter wie Austria Klagenfurt in der zweiten Halbzeit vier (!) Gegentore kassiert, hat einige offene Baustellen. Bei Red Bull Salzburg wird es jetzt immer ungemütlicher. Nach einer national und international verkorksten Saison droht eine titellose Spielzeit, die im Super-GAU enden könnte.
Drei Salzburg-Trainer zuletzt vor acht Jahren
Im Europacup überwintern, den Meistertitel holen und im Idealfall auch noch den ÖFB-Cup gewinnen: So sieht eine sportlich zufriedenstellende Saison beim zehnmaligen Serienmeister aus. Doch heuer ist alles anders. Nach dem überraschenden Abgang von Matthias Jaissle und der Trennung von Gerhard Struber soll mit Onur Cinel bereits der dritte Trainer eine Trophäe holen. Zum zweiten Mal in der Ära Bullen gab es heuer drei verschiedene Coaches in einer Saison. 2016 wurden die Salzburger unter Peter Zeidler (18 Spiele), Thomas Letsch (2) und Oscar García (16) Meister. Zudem verlor der Liga-Krösus mit dem Abgang von Christoph Freund zum FC Bayern München den "Mastermind" und Erfolgsgarant des letzten Jahrzehnts. Unruhen auf und neben dem Platz waren die Folge.
Sportlich blieb der laut transfermarkt.at 225 Millionen Euro teure Kader hinter den Erwartungen zurück. Lange Zeit war der aktuelle Tabellenzweite auf der Suche nach einem Torjäger vom Dienst. Weil die spielerischen Leistungen stark nach unten zeigten und die geforderte Dominanz fehlte, musste sich Struber nach nur 259 Tagen verabschieden. Die Hoffnungen, eine titellose Saison zu verhindern, ruh(t)en auf Cinel. Als "Feuerwehrmann" hielt der Trainereffekt nur ein Spiel an. Im zweiten Duell präsentierte sich "seine" Mannschaft desolat und zerfiel gestern gegen die Kärntner in ihre Einzelteile. Einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielten die Bullen zuletzt 2008. Der Meister wirkt mental angeschlagen und ist laut Tormann Alexander Schlager "verunsichert".
Nachdem die Defensive über weite Strecken der Saison ein Trumpf war und zwischenzeitlich sogar einen Liga-Rekord mit den wenigsten Gegentoren nach 22 Runden aufstellte, wird die Rückwärtsbewegung immer mehr zum Sargnagel. Nach Ballverlusten fehlt es den Bullen an Dynamik und vor allem an Entschlossenheit. Man hat das Gefühl, dass es einigen Spielern an Einsatz, Wille und die Hingabe zum Klub und zum Sport fehlt. Luka Sucic und Co. ließen gegen die Kärntner alles vermissen, was man von der nominell besten Mannschaft erwarten kann. "Nach der 2:0-Führung haben wir unverständlicherweise nicht mehr die Intensität und Energie auf den Platz gebracht, die wir sonst haben", bemängelte ein konsternierter Cinel.
Bullen drohen Champions League-Fixplatz zu verlieren
Ausgerechnet vor dem möglicherweise vorentscheidenden Heimduell mit dem auf drei Punkte enteilten Sturm Graz am Sonntag (ab 16.50 Uhr im S24-LIVETICKER) erlitten Alexander Schlager und Co. einen mentalen Tiefschlag. "Nicht würdig", urteilte der Tormann. Der Interimscoach suchte nach der Blamage nach den Gründen: "Ich habe keine Erklärung für diesen Rückfall, denn vor wenigen Tagen haben wir gegen die gleiche Mannschaft noch richtig gut Fußball gespielt".
"Seine" Truppe, in der Defensive zuletzt ohnehin vergleichsweise anfällig, bot dem Gegner einmal mehr zu viel an und zeigte zudem, wie fragil die mentale Verfassung derzeit ist. "Wir sind verunsichert, wenn wir ein Gegentor bekommen", stellte Schlager fest. Es scheint, als sei sich ein Großteil der Spieler der heiklen Situation nicht bewusst. Stichwort: Salzburger Qualifikations-Fluch. Nur der Meister erhält wie bisher auch 2024 ein fixes Ticket für die Champions League (CL). Das bedeutet auch, dass der heimische Vizemeister in der dritten Qualifikationsrunde zur Königsklasse einsteigt.
Sollte er an einer der beiden CL-Hürden scheitern, ist ihm lediglich ein Platz in der Gruppenphase der Europa League sicher. Ob die Spieler so weit in die Zukunft blicken, ist fraglich. Einige Leistungsträger wie Oumar Solet, Luka Sucic, Strahinja Pavlovic und Co. stehen vor dem nächsten Karriereschritt und könnten Salzburg im Sommer vor Ablauf ihrer Verträge für einige Millionen Euro zu einem größeren Verein verlassen.
Viele Verletzte bei Red Bull Salzburg
Eine ewig lange Verletztenliste warf die Bullen immer wieder aus der Bahn. Zwischenzeitlich fehlten 14 Profis. Vor allem Struber konnte fast nie seine Wunsch-Elf aufbieten. Den Ausfall von "Unterschiedsspieler" Fernando konnten die Mozartstädter nicht kompensieren. Sportdirektor Bernhard Seonbuchner befand den Kader in der Winter-Transferperiode für "gut genug" und verzichtete bis auf Flavius Daniliuc, Hendry Blank und Timo Horn auf eine Vergrößerung des Kaders. Bis auf Daniliuc spielten die anderen beiden Neuverpflichtungen keine Rolle. Blank soll in der kommenden Saison seine Einsatzzeiten erhalten.
Das letzte Mal, dass Salzburg nach 28 Spieltagen nicht an der Spitze stand, war in der Saison 2012/13, als der Meister Austria Wien hieß. Am Sonntag können die Bullen im Showdown gegen Sturm Graz die Kohlen aus dem Feuer holen und die Tabellenführung zurückerobern. Gegen starke und vor allem konstante Steirer müssen die Salzburger aber eine gewaltige Leistungssteigerung hinlegen. Nur mit einem Sieg kann der plötzliche Außenseiter in der ungewünschten Rolle des Jägers seine Titeltauglichkeit unter Beweis stellen.
Fehlen euch Gründe für die sportliche Talfahrt von Red Bull Salzburg? Dann lasst es uns in den Kommentaren wissen.
(Quelle: salzburg24)