Nach der Gemeinde- und Bürgermeisterwahl am Sonntag in Salzburg steht fest, dass Kay-Michael Dankl von der KPÖ Plus und Bernhard Auinger von der SPÖ in der Landeshauptstadt in die Stichwahl gehen. Vor dem mit Spannung erwarteten Rot-Roten-Duell waren beide Kandidaten in der „Zeit im Bild 2“ zu Gast. Wir haben Stimm- und Redecoach Arno Fischbacher und Katrin Hagenbeck, Expertin für Rhetorik, gefragt, wie sie die TV-Auftritte der beiden Kontrahenten einschätzen. Denn: Auch wenn die beiden das gleiche Ziel verfolgen unterscheiden sie sich in ihrer Rhetorik.
Grundsätzlich gibt es in Bezug auf die Sprechweise und den stimmlichen Ausdruck vier Aspekte, die man genauer unter die Lupe nehmen kann, weil unbewusste Botschaften mitgesendet werden, erklärt Arno Fischbacher im SALZBURG24-Interview am Dienstag.
- Augenhöhe
- Führung
- Empathie
- Anspannung und Stress
Redecoach bemerkt Unterschiede bei Sprechpausen
Augenhöhe: Was die Augenhöhe angeht, so stellt sich laut dem Coach die Frage: Werde ich als Individuum oder als Zuschauer angesprochen, also als Mensch oder in meiner Rolle als Interviewpartner? „Mir als Sprech- und Stimmcoach fällt auf, dass Auinger beim Sprechen eine Spur zu wenig Zeit lässt, damit das Gesagte wirken kann. Seine Satzenden sind gerne ein wenig hochgezogen, was ihn selbst etwas unter Druck setzt, weiterzureden. Das führt erlebbar dazu, dass das was er sagt bei mir als Zuschauer nicht als persönliche Botschaft ankommt, sondern als Argument.“ Auch Dankl mache keine „endlos langen Sprechpausen“. Dennoch fällt dem Experten ein Unterschied auf. „Ich habe nie das Gefühl, dass er gehetzt wird beim Sprechen oder ihn die Situation hektisch macht. Wie er das schafft, ist mir manchmal selbst schleierhaft“, schmunzelt er.
Auinger eher sachlich, Dankl lebendig
Katrin Hagenbeck, Expertin für Rhetorik mit dem Schwerpunkt Stimme und Atmung, merkt an, dass beide Kandidaten ein gutes Sprechtempo gewählt haben. Beide haben Pausen gemacht und man hätte ihnen folgen können. Aber: „Bei Herrn Auinger hatte ich das Gefühl, dass er sachlich rüberkommen möchte. Das geht aber auf Kosten der Lebendigkeit und der Überzeugungskraft.“ Lebendigkeit sei etwa an den Augen zu erkennen, aber auch auf die Stimme übertrage sich eine gewisse Begeisterung. „Die Stimme wird klangvoll, der Mensch ist deutlicher und im Tonfall ist eine Melodie zu erkennen.“ Im TV-Interview treffe das auf Dankl zu. „Er wirkt auf mich lebendig, frisch und jovial.“
Floskeln als Stolperfalle
Führung: Steht der oder die Interviewte hinter dem, was sie sagen? Wie viel (persönliche) Botschaft kommt an? Diese Punkte spielen beim Führungsaspekt eine Rolle. „Im Tagesgeschäft der Politik ist es schwer, weil es dazu verführt, mit Worthülsen, rhetorischen Figuren oder sich wiederholenden Formulierungen zu arbeiten“, weiß Fischbacher. Konkret nennt er Floskeln wie „von daher, wie gesagt oder ich habe immer gesagt.“ Diese würden auf die innere Haltung dem Gesprächspartner gegenüber schließen lassen.
In diese Falle sei Auinger in seinem Interview getappt. Gerade bei „Zib“-Interviews müsse man als interviewte Person damit rechnen, angegriffen bzw. kritisch hinterfragt zu werden. Im ersten Moment könne das oft als persönlicher Angriff wahrgenommen werden. „Bei Auinger sehe ich, dass er darauf mehrmals nicht sehr geschickt reagiert.“ Der Journalistin zu sagen, „schauen sie, das ist so“ wirke belehrend. Das bringe die Person, die interviewt wird, in eine nicht souveräne Position. „Das nimmt Auinger aus meiner Perspektive Wirkung, weil ich ihn funktionell antworten und weniger die Person oder die Persönlichkeit reden höre. Er wirkt dadurch für mich weniger empathisch, sondern eher als Politiker, weniger als Mensch oder Individuum“, analysiert Fischbacher.
Innere Sicherheit als Erfolgsrezept?
Apropos Empathie: Was bei den Zuschauer:innen Vertrauen schafft, sei die Fähigkeit des oder der Sprechenden, das Gegenüber nicht nur als Stichwortgeber wahrzunehmen. Viel wichtiger sei es, diese als Menschen wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren. „Obwohl Dankl deutlich jünger ist als Auinger, wirkt er auf mich mit einem persönlichen Standing und seiner Selbstwirksamkeit. Er strahlt innere Sicherheit aus, er steht am Boden und ihn wirft nichts um. Das macht sicher einen guten Teil seines Erfolgs aus“, führt der Coach aus.
Unwohlsein führt zu Sprechdruck
Anspannung: Fühlt man sich in einer Situation nicht wohl oder kann nicht in sich ruhen, entsteht Sprechdruck. „Als Zuseher erlebe ich im Interview den einen eher geführt von der Situation, den anderen lenkend und die Führung im Gespräch übernehmend.“ Fischbacher erläutert: „Wenn ich Dankl zuhöre, bin ich immer wieder überrascht, wie es ihm gelingt, dass ich immer das Gefühl habe, er spricht mich persönlich an. Er redet mit mir, er nützt einfache Sprache, verwendet sehr viele Fragen, die er aufwirft. Dadurch erlebe ich ihn in der Kommunikation führungsstark.“ Auinger habe im Interview auf jede Frage direkt geantwortet. Er sei im Verlauf des Gesprächs geführt von der Interviewerin geblieben, während Dankl den Spieß umgedreht und die Führung nie aufgegeben habe. „Er reagiert auf keinen einzigen Angriff verteidigend.“ Der KPÖ-Bürgermeisterkandidat habe mit dem Wohnen ein Monothema, was einen Vorteil biete. Dadurch gelinge es ihm, laufend irgendeinen Aspekt seiner Kernthemen unterzubringen.
Botschaften rüberbringen
Insgesamt hält der Stimm- und Redecoach einen zentralen Unterschied zwischen den beiden Politikern fest: „Wenn ich mich frage, was übrig bleibt vom kurzen Interview mit Auinger, merke ich, dass er Bürgermeister werden will und sich einigermaßen sicher ist, dass er es wird. Wenn ich Dankl zuhöre, bleibt übrig, dass es ihm um die anderen geht. Es ist ein sehr großer Unterschied in der Message, die rüberkommt.“ Auinger habe es allerdings deutlich schwieriger, denn in der politischen Landschaft der Stadt Salzburg sei er mit der SPÖ für verschiedene Themenbereiche zuständig.
Nicht außer Acht zu lassen ist die Körpersprache. Auinger, der gerade in die Kamera blickt, nimmt Fischbacher als körpersprachlich gefestigt wahr. „Wenn man vor einer Kamera zu viel wackelt, wirkt das sehr schnell etwas fahrig oder unsicher.“ Bei Dankl sieht er die „kleine Gefahr“ – so sympathisch dieser auch rüberkomme – dass er Dinge weglächeln könnte. „Das wirkt ab und zu ein bisschen eingefroren, selten aber doch.“
Ansprache vor Stichwahl als Herausforderung
Angesichts der bevorstehenden Bürgermeister-Stichwahl betont Fischbacher: „Es wird in hohem Ausmaß darum gehen, die Menschen zu motivieren, die bisher nicht zur Wahl gegangen sind. Nur zu sagen, die anderen sind schlecht oder sind eine Gefahr, führt nicht zum Erfolg. Das andere kann nur sein, zu sagen, wofür man steht, was einem wichtig ist und dabei nicht in Floskeln zu sprechen sondern transparent zu machen, was einem persönlich wichtig ist.“ Außerdem sollte man sich nicht von der Interviewsituation drängen lassen. Vielmehr sollten sich die Politiker überlegen: „Wofür genau soll jemand sein Kreuzerl machen? Je selbstbewusster und souveräner das in den Vordergrund gestellt wird, erledigen sich viele rhetorische Fragen von selbst.“
Eines der wichtigsten Dinge ist laut dem Coach, nicht sofort zu antworten, wenn eine Frage kommt. „Blitzschnell die erste Antwort auszusprechen, die einem in den Kopf kommt, ist ein Führungsverlust. Besser ist es, kurz innezuhalten und zu überlegen, was ich dem Zuschauer sage. Denn der Gesprächspartner im Interview ist nicht die Journalistin oder der Journalist, sondern diese eine Frau, dieser eine Mann vor dem Bildschirm oder am Radio.“ Das verringere Sprechdruck und das ergebe den kleinen Moment, den Dankl so großartig nutzen würde. „Man sieht ihn lächeln, weil er verstanden hat, was der andere will und sich innerlich denkt, nette Vorlage, aber in deine Falle gehe ich nicht. Und das macht Sympathiepunkte. Dadurch erlebt man den Sprecher als souverän und eher glaubwürdig als Führungspersönlichkeit. Und das erwarten wir in der Politik von den Rädelsführern ja mit Recht.“
Wobei sich Fischbacher und Hagenbeck einig sind: Die Gesprächssituation bzw. die Art und Weise der Fragestellung können sich auswirken. „Sind die Fragen wohlwollend gestellt, so gelingt es besser, sich authentisch zu zeigen, lebendig und ausdrucksstark zu reden. Werden wir in die Enge getrieben oder unter Druck gesetzt, neigen wir dazu uns zurückzuziehen. Die Kunst besteht also darin, in jeder Situation in der Größe zu bleiben. Die Kandidaten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Überraschungsphänomen bzw. Gewinner und etwas verteidigen bzw. sich rechtfertigen zu müssen“, hält die Expertin für Rhetorik abschließend fest.
Zwölf Tage sind es noch bis zur Bürgermeister-Stichwahl in der Stadt Salzburg. Bis dahin haben Bernhard Auinger und Kay-Michael Dankl also jedenfalls noch Zeit, an ihrem Auftreten zu feilen.
(Quelle: salzburg24)