Gibt's noch "echte Hackler"?

4-Tagewoche, schnelle Jobwechsel & Co: Arbeit im Wandel

Veröffentlicht: 22. Juni 2023 15:39 Uhr
Die großen Veränderungen in der Arbeitswelt der letzten Jahre erfordern auch andere Fertigkeiten und fordern besonders Arbeitgebenden viel ab. Teilzeitarbeit, der Wunsch nach der Viertagewoche und die "Generation Z" machen das Arbeiten 2.0 zur Herausforderung.
Oliver Klamminger

Die Arbeitswelt hat sich besonders in den letzten 25 Jahren stark gewandelt. Die Anforderungen sind damit stetig gestiegen. Darauf hat die Universität Salzburg reagiert und bietet bereits seit einigen Jahren einen Studiengang an, der wieder im Herbst startet. In sieben Semestern lernt man im berufsbegleitenden Master-Studium „Supervision, Coaching und Mediation“, wie Konflikte in Wirtschaftsbetrieben gelöst und Personen richtig gecoacht werden – Kostenpunkt rund 18.500 Euro.

Denn schon längst arbeitet man nicht mehr wie vor 30 Jahren. Betriebsstrukturen, Arbeitsmittel und Anforderungen der Angestellten haben sich stark verändert. „Das alles unter einen Hut zu bringen, führt schnell zu Konflikten“, erklärt die Leiterin des Lehrgangs, Eva Traut-Mattausch, im Gespräch mit SALZBURG24.

„Generation Z“ bringt verändertes Arbeitsklima

Steile Hierarchien, ein autoritärer Führungsstil und einseitige Kommunikation gehören in den meisten Betrieben schon länger der Vergangenheit an, bestätigt auch die stellvertretende AMS-Landesgeschäftsführerin Christa Schweinberger gegenüber S24. Mitarbeitende erfahren und fordern mehr Wertschätzung und werden meist besser in die Unternehmen eingebunden. „Das Finanzielle steht nicht mehr im Vordergrund“, weiß Schweinberger. Nicht zuletzt, weil nun die sogenannte „Generation Z“ in die Arbeitswelt eingestiegen ist. Jene, die zwischen 1996 und 2012 geboren wurden, bringen ihre Werte und Einstellungen mit in die Arbeit bzw. suchen sich ihre Arbeitgeber auch danach aus. Denn ihnen ist wichtig, dass sie für Unternehmen arbeiten, die ihre eigenen Ziele und Werte widerspiegeln. Wertschätzung wird durch gute Bezahlung und eine zufriedenstellende Work-Life-Balance erwartet. Diese Ideologie hat natürlich Einfluss auf die übrige Belegschaft und auf das Arbeitsklima.

 

„Früher war man stolz für eine Firma zu arbeiten und blieb daher sehr lange im Betrieb. Heute ist man stolz auf seine Tätigkeit, was einen schnellen Wechsel erleichtert“, erklärt die Universitäts-Professorin.

 

Um die Balance zu halten und zwischen den Generationen und Kulturen im Betrieb zu vermitteln, sei eine Supervision sehr hilfreich. Kommt es zum Konflikt, bräuchte es schon eine Mediation. Es sei denn, Führungskräfte besitzen diese Fähigkeiten. Das wäre nicht nur für das Arbeitsklima, sondern auch für den Stresslevel und die Gesundheit der Angestellten von großem Vorteil. Denn kurzzeitiger Stress kann zwar aktivierend sein und sich positiv auf die Leistung auswirken. "Wird aus der Ausnahme allerdings ein Dauerzustand, den die Führungskraft nicht durch Unterstützung abfedert, kann Stress mittelfristig krank machen", so das Meinungsforschungsinstitut Gallup in einer Aussendung.

Rund um die Uhr im Dienst

In Österreich fühlen sich 36 Prozent im Job gestresst, zeigt der Report "State of the Global Workplace 2023". Das erhöht die Wechselbereitschaft. Gefühlter Stress komme nicht von ungefähr. Der rasche Fortschritt der IT-Technik und die Erreichbarkeit rund um die Uhr hätten ihn laut Traut-Mattausch auch gefördert. „Wer hätte sich vor 25 Jahren vorstellen können, selbst für Arbeitsmittel wie Handys aufzukommen und zu jeder Zeit zur Verfügung zu stehen?“ Zudem würden es Social Media und Nachrichtendienste schwerer machen, in der Freizeit von der Arbeit loszukommen. „Früher ging man heim und hat abgeschaltet. Nun geht danach alles weiter“.

Stress erhöht Wunsch nach Jobwechsel

Stress gehe außerdem oft mit einer niedrigen emotionalen Bindung an den Arbeitgeber einher. "Er ist langfristig Gift für die Unternehmenskultur und damit auch den wirtschaftlichen Erfolg", hält Gallup-Direktor Marco Nink fest. Hierzulande ist der Erhebung zufolge nur jeder Zehnte (11 Prozent) emotional hoch an seinen Arbeitgeber gebunden. 79 Prozent machten Dienst nach Vorschrift, 13 Prozent hätten sogar bereits innerlich gekündigt. Man spricht vom sogenannten „Quiet Quitting“.

 

Richtiger Führungsstil fördert Bindung der Beschäftigten

Eine niedrige emotionale Bindung an den Arbeitgeber fördere die Wechselbereitschaft. "Entgegenwirken können Unternehmen mit der Qualität der erlebten Führung", betonte Nink. Beschäftigte unter guter Führung fühlten sich weniger gestresst und mehr gebunden als Beschäftigte, deren emotionale Bedürfnisse am Arbeitsplatz übersehen würden.

Mitarbeitende bestimmen Arbeitsmarkt

In Zeiten, in denen wir in Salzburg von einer Vollbeschäftigung sprechen, müssen sich Betriebe also deutlich mehr um ihre Angestellten kümmern, als noch vor Jahren. „Wir haben einen Mitarbeitermarkt, bei dem sich das Personal die besten Konditionen aussuchen kann“, bestätigte jüngst auch der Tourismus-Branchensprecher der Wirtschaftskammer (WKS), Georg Imlauer, im Gespräch mit S24. AMS-Chef, Johannes Kopf, formulierte es noch etwas drastischer: „Die Betriebe müssen tanzen, um Mitarbeiter:innen zu bekommen!“

 

Das gilt mittlerweile für fast jede Branche. Am akutesten ist es jedoch in der für Salzburg so wichtigen Gastronomie und Hotellerie. Unzufriedene Arbeitnehmer:innen könnten schneller weg sein, als gedacht. Derzeit bewerten viele die Chance, einen neuen Job zu finden, als durchaus positiv. Diesen Trend bestätigt auch die Gallup-Erhebung. In Österreich geben 50 Prozent der Befragten an, es sei eine gute Zeit, den Arbeitgeber zu wechseln. Europaweit liegt der Schnitt bei 56 Prozent.

Neue Herausforderungen durch flexible Arbeitszeiten

Den Personalmangel machten AMS und Wirtschaftskammer im Frühjahr zum Teil am steigenden Trend zur Teilzeitarbeit fest. Während bereits vermehrt eine Viertagewoche gefordert wird, arbeiten viele – besonders seit der Corona-Pandemie – nur noch 20 oder 30 Stunden. Das und der Wunsch nach mehr Homeoffice könne laut Traut-Mattausch für firmeninternes Konfliktpotenzial sorgen. „Ich habe jüngst von einem Betrieb gehört, dass sie ihr nächstes Meeting, bei dem alle anwesend sind, erst in drei Monaten abhalten können“, erzählt die Arbeitspsychologin. Wenn sich das Team nicht regelmäßig sehe, leide die Kommunikation im Betrieb darunter und somit auch das Arbeitsklima und die Produktivität.

 

Ist der „40-Stunden-Hackler“ ein Auslaufmodell?

Als produktiv wurde früher auch der klassische „40-Stunden-Hackler“ gesehen, der sich für seinen Betrieb aufopferte, sogar noch stolz Überstunden ansammelte. Diese firmenfreundliche Mentalität geht mit Ansichten der jüngeren Generation schon lange nicht mehr einher. „Meiner Meinung nach wird es immer ‚Hackler‘ geben, das ist eine Sache der persönlichen Einstellung. Sie werden aber wahrscheinlich immer weniger“, meint Schweinberger vom AMS Salzburg abschließend.

Betrachtet man die momentane Arbeitswelt in all seinen Facetten, möchte man meinen, dass sie mit jener von vor 30 Jahren kaum mehr etwas gemeinsam hat. So divers sind Einstellung, Material und das Verhältnis zwischen Führungskräften und Angestellten heutzutage. Und legt man die rasante Entwicklung der letzten Jahre zugrunde, dann ist wohl davon auszugehen, dass sich künftige Veränderungen am Arbeitsmarkt noch schneller einstellen werden.

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(Quelle: salzburg24)

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