Der Ton im Internet wird immer rauer und hinter scheinbar anonymen Pseudonymen verlieren manche jede Hemmung. Dabei vergessen sie oft, dass sie mit ihren Hasskommentaren oder Cybermobbing nicht nur die Grenzen der Netiquette sprengen, sondern sich auch strafbar machen. "Die Vorfälle haben stark zugenommen", schildert Hannah Zischg von Akzente Salzburg im S24-Gespräch.
Todesdrohungen im Internet
"Jugendliche zwischen elf und 15 Jahren sind am meisten von Cybermobbing betroffen und Mädchen mehr als Burschen", weiß die Expertin vom Saferinternet-Team. Cybermobbing umfasst wiederholende Beleidigungen, Bedrohungen und Belästigungen im Internet und über Smartphones. Betroffene werden in sozialen Medien, Chats, Onlineforen oder über Messenger-Dienste diffamiert und schikaniert, teilweise sogar mit Todesdrohungen. Für viele sei die Hemmschwelle im Internet geringer. Aggressoren können abwertende Fotos oder Videos veröffentlichen oder Gruppen gründen, um über ihr Opfer zu lästern.
Warum Mädchen mehr als Burschen betroffen sind
Mädchen seien mehr davon betroffen, weil sie stärkerem Druck in Sozialen Medien ausgesetzt seien, vermutet Zischg und verweist auf Selbstdarstellung und Schönheitsideale. Einer WHO-Studie zufolge hat jedes sechste Kind in Europa bereits Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Diese Zahlen könne man getrost auf Salzburg runterbrechen, so die Expertin von Akzente, der Initiative für junge Leute. "Cybermobbing findet an jeder Salzburger Schule und in fast jeder Klasse statt", berichtet sie aus Gesprächen mit Lehrpersonen.
Oft beginnt es harmlos und die Betroffenen nehmen es zunächst nicht ernst. Ein Bild, das eine peinliche Situation zeigt, wird mit einem fiesen Kommentar ins Netz gestellt, ohne die Person vorher zu fragen. "Das kann sehr belastend für die Betroffenen sein." In einer 2022 in Österreich erschienen Studie hat über ein Drittel der befragten Schülerinnen und Schüler angegeben, bereits Opfer von Cybermobbing gewesen zu sein.
Kein Rückzugsort bei Cybermobbing
Cybermobbing kennt keine Pausen, da digitale Geräte ständig präsent sind. "Es gibt keinen Rückzugsort, weil man immer wissen will, was auf dem Smartphone passiert", beschreibt die Medienexpertin den Teufelskreis. Vieles werde heutzutage aus dem realen Leben ins Internet verlagert, was Cybermobbing schwerwiegender als klassisches Mobbing im Klassenzimmer macht. Werden Kontaktdaten öffentlich geteilt, kann das Mobbing auch über Anrufe, SMS oder E-Mails weitergehen und sogar zu persönlichen Bedrohungen und Stalking führen.
Massive psychische Folgen
Die Auswirkungen können massiv und folgenschwer sein, wenn sich Betroffene nicht an Vertrauenspersonen wenden. "Betroffene Kinder und Jugendliche ziehen sich häufig zurück, was zu sozialer Isolation und ernsthaften psychischen Belastungen wie Einsamkeit, Depression, Angstzuständen und Schlafstörungen führen kann." Alarmzeichen für Eltern, Angehörige und Freund:innen seien vor allem der soziale Rückzug, sagt Zischg. Dazu kommen Verhaltensänderungen, wie das Handy zu benutzen oder einzuschalten, sowie Konzentrationsschwierigkeiten. Auch Essstörungen und ein geringes Selbstwertgefühl können auf emotionale und psychische Folgen deuten. Ein Leistungsabfall in der Schule kann ebenfalls auftreten: "Kinder haben keine Lust mehr, in die Schule zu gehen, fürchten sich auf dem Schulhof und kämpfen mit massiven Konzentrationsschwierigkeiten."
Verhaltenstipps für Eltern
Eltern sollten wissen, was ihre Kinder im Internet machen. Vom Handyentzug als Sanktion hält sie aber wenig: Vielmehr sollten Eltern mit der Schule in Kontakt treten, "weil Cybermobbing meistens in der Klassendynamik auftritt und sich danach erst auf den digitalen Raum ausweitet." Wenn es bereits zu Vorfällen innerhalb einer Klasse gekommen ist, leitet Akzente den Sachverhalt an das Salzburger Friedensbüro und an die Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) weiter, die Interventionen in den Klassen durchführen können. "Schulen, Lehrkräfte und im speziellen Vertrauenslehrpersonen sehe ich bei der Intervention in der Verantwortung, genauso wie schulpsychologische Beratungsstellen bei Konflikten in der Schule, Vertrauenslehrpersonen", meint Zischg, die auf die "vielen Workshops und Unterrichtsmaterialen" hinweist.
Wichtig sei es, das eigene Umfeld zu sensibilisieren und offen mit allen Beteiligen darüber zu kommunizieren – und Fälle bei der Polizei anzuzeigen. Wer rechtliche Schritte in die Wege leiten möchte, muss alle Beweise sichern. Dazu sollten Screenshots von Postings angefertigt werden, wobei das Datum unbedingt sichtbar sein muss. Es ist wichtig, den gesamten Thread zu dokumentieren, um den Kontext vollständig zu erfassen. Ein "Thread" ist eine Folge von Nachrichten zu einem bestimmten Thema in Online-Foren, E-Mails oder Messaging-Diensten, die zusammenhängende Diskussionen organisiert und es ermöglicht, den Gesprächsverlauf zu verfolgen. Cybermobbing wird in Österreich übrigens nicht in einer eigenen Statistik geführt. Das Bundeskriminalamt zählt es in der Kriminalstatistik zu Cybercrime im weiteren Sinn, bei denen Informations- und Kommunikationstechnik als Tatmittel eingesetzt wird.
Der Handlungsbedarf sei jedenfalls groß. Schulen im Land Salzburg reagieren laut der Akzente-Expertin unterschiedlich auf Cybermobbing – und zwar je nach Wissensstand und Ressourcen der Lehrkräfte. "Studien zeigen eine alarmierende Entwicklung. Die Aufklärung darüber muss unbedingt in den Lehrplan, um Kinder frühestmöglich zu sensibilisieren."
Beratungsstellen und Meldestellen im Überblick
Betroffene können sich Cybermobbing nur selten entziehen. In Österreich gibt es eine Vielzahl an Beratungs- und Meldestellen:
- Rat auf Draht: kostenloser, anonymer 24h-Notruf für Kinder und Jugendliche per Telefon (147 ohne Vorwahl) oder online
- Rat auf Draht Elternseite: kostenlose Elternberatung
- Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg: Kontaktadressen, Angebote und Themen rund um die Rechte von Kindern und Jugendlichen
- Schulpsychologie-Bildungsberatung: psychologische Beratung in der Schule
- Familienberatung: Beratungsstellen in ganz Österreich
- elternberatung.at: Therapie und Beratung für Eltern
- Opfer-Notruf: kostenlose Beratung für Opfer von Straftaten unter der Nummer 0800/112 112
- Bundeskriminalamt: Kontaktaufnahme mit der nächstgelegenen Polizeidienststelle unter der Servicenummer 059-133 (österreichweit)
- 142 Telefonseelsorge: österreichweite Telefonberatung unter der Nummer 142 (ohne Vorwahl)
- Internet Ombudsstelle: Hilfe bei der Entfernung unerwünschter Onlineinhalte
- ZARA - #GegenHassimNetz: Unterstützung und Beratung durch juristisch und psychosozial geschulte Mitarbeiter:innen sowie Rechtshilfefonds für Betroffene und Meldestelle für Hasspostings sowie Cybermobbing
- No Hate Speech Movement: internationale Kampagne des Europarates gegen Hassrede im Netz mit vielen wertvollen Tipps
- Salzburger Friedensbüro: Konflikte gewaltfrei lösen
- RTR-Beschwerdestelle: Beschwerdestelle bei Problemen mit Kommunikationsplattformen (zum Beispiel bei Meldungen zu Hass im Netz)
(Quelle: salzburg24)