Die Causa um mutmaßlichen Missbrauch an mehreren Standorten des SOS-Kinderdorf weitet sich aus. Laut einem ORF-Bericht vom Donnerstag sollen im SOS-Kinderdorf in Seekirchen (Flachgau) insgesamt sechs Mädchen betroffen sein. Der Verdächtige war bis 2019 dort tätig, wie die Organisation am Mittwoch auf SALZBURG24-Anfrage betonte. Österreichweit gibt es Vorwürfe auch in Kärnten und Tirol.
SOS-Kinderdorf will Opferschutz verbessern
Das SOS-Kinderdorf kündigte infolge des Bekanntwerdens der Vorwürfe unter anderem Verbesserungen im Opferschutz an. Geschäftsführerin Annemarie Schlack sagte am Donnerstag in einer Aussendung, es sei ihr "höchstes professionelles und auch persönliches Anliegen, dass so etwas in unserer Organisation nie wieder passiert". Es sei seit 2021 viel getan worden, "wir müssen offenbar aber noch viel mehr tun", sagte Schlack. Verwiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die Ombudsstellen für Opferschutz für ehemalige Betreute, die interne Meldestelle für Kinderschutz sowie eine anonyme und nach internationalen Standards aufgesetzte Whistleblowing-Plattform.
Auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft (kija) steht allen jungen Menschen unter 21 Jahren, die in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden – als unabhängiger Ansprechpartner in Form einer kinderanwaltlichen Vertrauensperson – zur Seite. Die kija Salzburg agiert fachlich unabhängig von der Kinder- und Jugendhilfe des Landes Salzburg. "Wir stehen parteiisch auf der Seite der Kinder. Diese geben die Richtung vor", betonte Kinder- und Jugendanwältin Johanna Fellinger am Freitag im SALZBURG24-Gespräch.
635 Kinder und Jugendliche in Salzburg in Einrichtungen
Im Bundesland Salzburg leben insgesamt 635 Kinder und Jugendliche außerhalb ihrer Familien, 495 davon in sozialpädagogischen Wohngruppen, 176 bei Pflegeeltern, wie die Kinder- und Jugendhilfestatistik 2024 ausweist. Österreichweit waren es 13.050 Kinder und Jugendliche. Insbesondere diese Kinder und Jugendlichen hätten den Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates, verweist Fellinger auf die UN-Kinderrechtskonvention und das Bundesverfassungsgesetz.
"Acht Personen aus unserem Team von psychosozialen und juristischen Beraterinnen und Beratern werden demnächst wieder regelmäßig die Wohngemeinschaften besuchen", kündigte Fellinger an. Das Angebot bestehe in Salzburg zwar bereits seit zehn Jahren, werde aber aktuell auf neue, breitere Beine gestellt. Jede WG soll mindestens drei Mal pro Jahr besucht werden. "Dabei handelt es sich weniger um eine Kontrolle, sondern um ein Kennenlernen, damit die Kinder und Jugendlichen ein vertrautes Gesicht haben", betonte Fellinger. Über die Vorwürfe in Seekirchen hätte die kija auch erst aus den Medien erfahren. Die Fälle würden verdeutlichen, wie wichtig konsequenter Kinderschutz sei. Sie nimmt auch das Land Salzburg bzw. den österreichischen Staat in die Pflicht, zu prüfen, "welche Strukturen derartiges Fehlverhalten begünstigen bzw. ermöglichen".
Klare Forderungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft
Zwar wurde das Budget der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren vom Land Salzburg aufgestockt – von 60,5 Millionen Euro im Jahr 2023 auf 72,5 Millionen Euro im heurigen Jahr – erklärte LH-Stv. Marlene Svazek (FPÖ) im Juni in einer Aussendung. Das ist für Fellinger jedoch nicht ausreichend. "Als Kinder- und Jugendanwältin spreche ich mich dafür aus, sowohl die öffentlichen als auch die privaten Träger der Kinder- und Jugendhilfe mit adäquaten finanziellen Mitteln und qualifiziertem Personal auszustatten", fordert sie. Eine konkrete Summe konnte sie nicht nennen. Die Träger müssten aber auf jeden Fall mehr Spielraum haben, um auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen gezielt reagieren zu können.
Des Weiteren fordert sie die Erarbeitung bundesweit einheitlicher und verbindlicher Standards für die stationäre Kinder- und Jugendhilfe sowie verpflichtende Kinderschutzkonzepte mit klaren Prozessabläufen im Falle von Beschwerden. Seit dem Schuljahr 2024/25 sind etwa alle Schulen verpflichtet, ein Kinderschutzkonzept zu erstellen. Auch in vielen Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es diese bereits. Zudem solle die Aufgabe der Kinderanwaltlichen Vertrauensperson gesetzlich verankert werden.
Kinderrechte seien jedenfalls nicht verhandelbar. "Es ist die Pflicht von Politik und Gesellschaft, Strukturen so auszugestalten, dass Gewalt und Misshandlung weder begünstigt noch ermöglicht werden", stellte Johanna Fellinger abschließend klar.
(Quelle: salzburg24)