So reagiert die Bergrettung

Bergsteiger in Saalfelden zurückgelassen: "Es erschüttert uns"

Einsatz der Bergrettung Saalfelden. Ein Bergsteiger ließ seinen geschwächten Begleiter einfach zurück und ging alleine weiter.
Veröffentlicht: 22. August 2023 15:32 Uhr
Der Fall des von seinem Kameraden zurückgelassenen Bergsteigers in Saalfelden zieht auch zwei Tage später weitere Kreise. Laut Bergrettung Salzburg habe es einen solchen "vergleichbar rücksichtslosen" Vorfall bisher nicht gegeben. Schließlich sei gegenseitige Hilfeleistung auf dem Berg ein ungeschriebenes Gesetz.

Für großes Aufsehen und teils auch empörte Reaktionen sorgte am Montag der Bericht über die Rettung eines Bergsteigers in Saalfelden (Pinzgau). Der bereits geschwächte 64-Jährige wurde auf fast 2.000 Metern Seehöhe von seinem Begleiter zurückgelassen. Anstatt sich um seinen Bergkameraden zu kümmern, stieg der Bayer weiter auf und legte sich im Ingolstädter Haus schlafen, bis er geweckt und über die großangelegte Suchaktion nach seinem Begleiter informiert wurde: "Er meinte nur, dass er auch alleine zurechtkommen müsse", schilderte der Saalfeldener Ortsstellen- und Einsatzleiter Markus Reichholf.

Hilfe am Berg: "Das kann uns allen passieren"

"Soweit ich weiß, gab es in der Vergangenheit noch nie einen vergleichbar rücksichtslosen Fall", sagt Maria Riedler von der Salzburger Bergrettung am Dienstag zu S24. "Es erschüttert uns." Anderen am Berg professionell helfen zu können sei für die Bergretterinnen und Bergretter höchste Motivation, betont Riedler: "Denn wir wissen alle, wie schnell es gehen kann, dass jemand am Berg Hilfe braucht. Das kann uns allen immer passieren."

Zuletzt sorgte Ende Juli der Tod eines Trägers am K2 im Himalaya für einen Aufschrei. Der Mann soll nach einem Absturz noch am Leben gewesen sein, als nichtsdestotrotz rund 70 Alpinist:innen, beim Auf- und Abstieg über den leblosen Körper oder knapp daran vorbei gingen. Bergsteigerikone Reinhold Messner übte daran harte Kritik: "Solidarität ist einem Egoismus gewichen."

Weniger Hilfsbereitschaft und Empathie?

Es handle sich Messner zufolge um die Folgen des "Tourismus am Berg", der den traditionellen Alpinismus zunehmend verdrängte. Man könne ja mittlerweile den K2 und andere höchste Berge "wie im Reisebüro buchen" und werde anschließend "von den Sherpas auf Pisten hinaufgebracht". Diese "Expeditionen" hätten hunderte Teilnehmende – entsprechend herrsche auf den Bergen auch eine "Anonymität wie in der Großstadt". "Man kennt sich nicht mehr. Es schaut jeder nur auf sich. Es gibt keine Hilfsbereitschaft und Empathie, wie es früher noch selbstverständlich war. Damals sind sogar Weltklassebergsteiger abgestiegen, wenn jemand anderer Probleme hatte, um ihm zu helfen."

Das "ungeschriebene Gesetz" am Berg

Aber warum hat nun jener Bergsteiger seinen Kameraden in Saalfelden im Stich gelassen? "Wir können das nicht nachvollziehen, aber vielleicht wissen wir nicht genau, warum oder wieso das so passiert ist", gibt Riedler zu Protokoll. Saalfeldener Bergretter hätten noch in der Nacht mit dem Mann beim Ingolstädter Haus darüber gesprochen, "aber das Verhalten bleibt für uns unerklärlich". Möglicherweise sei der Bergsteiger selbst mit der Situation überfordert gewesen.

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"Ich war persönlich selbst sehr überrascht, als ich von dem Fall in Saalfelden gehört habe", sagt Gerhard Mössmer, Bergsportexperte beim Österreichischen Alpenverein, am Dienstag zu SALZBURG24, räumt aber ein: "Ich möchte mir dazu kein Urteil erlauben, weil ich selbst nicht mit dabei war und daher die genauen Umstände nicht kenne." Allerdings sei die gegenseitige Hilfe auf dem Berg "ein ungeschriebenes Gesetz", betont Mössmer. "Den Leuten, mit denen ich gemeinsam auf eine Bergtour gehe, vertraue ich zu 100 Prozent – das ist das Um und Auf." Wenn es einem:einer Alpinist:in schlecht gehe, "wird abgebrochen und umgedreht. Ohne Diskussion." Das sei nicht nur Zivilcourage, sondern vielmehr "moralische Verantwortung."

Ausnahmen gebe es lediglich dann, wenn der Selbstschutz – also etwa bei einem schweren Unwetter, Muren- oder Lawinenabgang – nicht mehr gewährleistet werden könne. "Zuerst muss man sich selbst in Sicherheit bringen, um dann Hilfe bei der Bergrettung zu rufen."

Wer zahlt für den Rettungseinsatz?

Für die Kosten eines solchen Rettungseinsatzes kommt indes wie üblich der:die Gerettete auf. Ob die beiden Bergsteiger vom jüngsten Vorfall in Saalfelden entsprechend versichert sind, darüber konnte die Bergrettung keine Auskunft geben. Unklar ist auch, ob es ein Nachspiel für jenen Bergsteiger gibt, der seinen Kameraden im Stich gelassen hat.

Abhilfe schaffen würden eine eigene Unfallversicherung oder eine Versicherung durch eine Mitgliedschaft bei alpinen Vereinen. "Wir sehen das leider besonders oft bei Touristen – auch Tagestouristen –, dass sie keine entsprechende Versicherung haben", schildert Riedler. Die durch den Einsatz entstandenen Kosten – das können rasch fünfstellige Beträge sein – müssen dann aus eigener Tasche gezahlt werden.

Ansturm auf die Salzburger Berge

Und ruhiger dürfte es auf den heimischen Bergen angesichts aktueller Entwicklungen nicht unbedingt werden. Immerhin wurden allein im Mai und Juni im Land Salzburg mehr als 3,4 Millionen Nächtigungen verzeichnet – das sind um 200.000 Übernachtungen mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019. Gefragt ist bei den Gästen vor allem eines: Das Wandern und Klettern in den Salzburger Bergen.

Den Trend, dass mittlerweile immer mehr Menschen ihre Freizeit auf und um den Bergen gestalten, bestätigt auch Mössmer vom Alpenverein. "Nach der Corona-Pause geht die Entwicklung nach oben." Trotz steigender Besuchszahlen würde das Unfallgeschehen jedoch nicht überproportional steigen, heißt es seitens des Alpenvereins. Anderer Ansicht ist hier die Salzburger Bergrettung: In diesem Jahr habe die ehrenamtliche Rettungsorganisation bis dato mehr Einsätze als in den Jahren zuvor zu bewältigen. Riedler: "Die Sommermonate sind bereits sehr fordernd. Manche Ortsstellen sind mehrmals täglich unterwegs." Und die Wander- und Klettersaison in Salzburg ist noch längst nicht zu Ende.

(Quelle: salzburg24)

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