"Sitzen ist das neue Rauchen"

Salzburgs Kraftakt gegen den Bewegungsmangel

Der "Tag des Sports" ist eine von vielen Veranstaltungen, um der Bevölkerung das Sportangebot näher zu bringen.
Veröffentlicht: 09. Oktober 2024 17:06 Uhr
Salzburg gilt als aktives und sportliches Bundesland. Studien sprechen allerdings eine andere Sprache und zeigen eine deutliche Schieflage in der Bevölkerung. Was dagegen getan wird und warum Bewegungsmangel Folgen für die gesamte Gesellschaft hat, erfahrt ihr hier.

Immer mehr Menschen in Salzburg bewegen sich zu wenig – und das hat folgenschwere Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. Viele von uns verbringen ihren beruflichen Alltag in sitzender und vorgebeugter Haltung am Schreibtisch. Der Ausdruck "Sitzen ist das neue Rauchen" beschreibt genau dieses Phänomen: Wer übermäßig viel sitzt, bekommt orthopädische Probleme wie Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen. Aber der Bewegungsmangel führt auch zu einem niedrigeren Kalorienverbrauch, was wiederum etliche Krankheiten begünstigt. Studien zeigen, dass Bewegungsmangel mit bis zu 33 chronischen Erkrankungen in Verbindung steht.

Vermeidbare Erkrankungen und Arbeitsausfälle

Kennzeichen mangelnder Bewegung sind zweifellos Rückenprobleme, die laut Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) der dritthäufigste Grund für Krankenstände sind. "Der zunehmende Bewegungsmangel und der damit verbundene Anstieg chronischer Erkrankungen verursacht enorme finanzielle und strukturelle Belastungen für die Gesundheitssysteme", sagt Sportwissenschafter Minas Dimitriou von der Uni Salzburg gegenüber SALZBURG24. Mehr als acht von zehn Menschen haben im Laufe ihres Lebens mindestens einmal erhebliche Probleme mit dem Bewegungsapparat, teilt die ÖGK auf S24-Anfrage mit. Etwa 40 Prozent der Krankenhausaufenthalte könnten demnach durch Prävention vermieden werden. Für Österreich gibt es Schätzungen, dass die Kosten durch Folgen des Bewegungsmangels mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr betragen. Rund 20 Prozent der Arbeitsunfähigkeitsfälle sind laut dem österreichischem Bundesinstitut für Gesundheitswesen auf Bewegungsmangel zurückzuführen.

Dramatische Zahlen zum Bewegungsmangel bei Jugend

Dennoch hört man immer wieder, dass die Salzburger Bevölkerung besonders sportlich und aktiv sei. Das sieht auch der für Sport zuständige Landesrat Martin Zauner (FPÖ) im S24-Gespräch so: "Die Salzburgerinnen und Salzburger gehören zu den sportlichsten Menschen in Österreich, insbesondere im ländlichen Gebiet." Aber ist das tatsächlich so? Laut dem Eurobarometer "Sport und körperliche Betätigung" machen 58 Prozent der Menschen in Österreich wenig oder gar keinen Sport. Konkrete Zahlen für das Land Salzburg gibt es nicht. Die beliebtesten Orte zum Sporttreiben sind Parks bzw. die Natur sowie die eigenen vier Wände und das Fitnessstudio. Erst danach kommen Sportvereine. Die Bewegungsempfehlungen werden nur von 25 Prozent der Bevölkerung erfüllt, ergab die österreichische Gesundheitsbefragung 2022.

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Bewegungsmangel betrifft nahezu alle Alters- und Bevölkerungsgruppen, schildert der Salzburger Sportwissenschafter Dimitriou. Studien zeigen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche die täglichen Bewegungsziele oft nicht erreichen. Bei den Burschen betrifft dies 70 Prozent der Elfjährigen und bis zu 90 Prozent der 19-Jährigen. Bei den Mädchen verfehlen drei Viertel der Elfjährigen und beinahe 95 Prozent der 17-Jährigen die empfohlenen Bewegungsvorgaben. Ebenfalls besonders von Bewegungsmangel betroffen sind Ältere sowie Menschen mit Behinderung und körperlichen Beeinträchtigungen, merkt Dimitriou an.

Strategien für mehr Sport in Bevölkerung

Wie schafft man es also, mehr Menschen für Sport zu begeistern? "Wichtig ist, dass wir die Jugend in Bewegung bringen", betont Landesrat Zauner sein Anliegen. Beim Breitensport sieht er das Land grundsätzlich "sehr gut aufgestellt". Eine gewisse Sportbegeisterung würde zudem das Interesse am Spitzensport wecken, wo es "Luft nach oben" gebe. Spitzensport soll in Salzburg künftig zielgerichteter gefördert werden, um Vorbilder zu schaffen und eine Wechselwirkung zwischen Breiten- und Spitzensport zu ermöglichen.

Gezielte Maßnahmen sollten auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten der verschiedenen Altersgruppen abgestimmt werden, meint Dimitriou. Bei Kindern und Jugendlichen sei Bewegungsförderung in Schulen und der verbesserte Zugang zu Sportvereinen essenziell – unabhängig von der finanziellen Situation der Familien. Freizeitprogramme und Feriencamps können ebenfalls zur Aktivierung beitragen und sollten weiter ausgebaut werden.

Bei Erwachsenen sind Dimitriou zufolge Arbeitsplatzinitiativen sowie kommunale Angebote, wie das seit 2020 laufende Programm "Bewegte Stadt" in der Landeshauptstadt, wichtige Motivationsfaktoren. Digitale Technologien wie Fitness-Apps, Wearables und Online-Kurse gewinnen indes zunehmend an Bedeutung und ermöglichen individuelles, ortsunabhängiges Training. Ältere Personen benötigen hingegen spezielle Bewegungsprogramme und gemeinschaftliche Aktivitäten zur Förderung sozialer Interaktionen. Die Bereitstellung von Informationen und online verfügbaren Videos für Gymnastik kann Älteren helfen, auch zu Hause aktiv zu bleiben.

Niederschwelliges Sportangebot

Neben Sportvereinen und Verbänden setzt auch die Landespolitik Maßnahmen und Projekte um, um die Bevölkerung zu mehr Bewegung zu motivieren. Im Rahmen der neu entwickelten Landessportstrategie soll ein "möglichst niederschwelliges Angebot geschaffen werden". Eine eigens dafür erstellte Umfrage soll noch diesen Herbst die Vorlieben der Salzburger Bevölkerung herausfinden und das bestehende Angebot überprüfen. Anschließend sollen neue Schwerpunkte gesetzt werden. Zauner: "Im städtischen Bereich besteht eine dringende Notwendigkeit an Schwimmhallen". Hier soll mit den geplanten Hallenbädern im Salzburger Stadtteil Leopoldskron und in Seekirchen (Flachgau) Entlastung geschaffen werden. Im Sportzentrum Hallein-Rif steht indes auch der Umbau des Hallenbads und der weiteren Infrastruktur an, kündigt der Landesrat an. Viele Gemeinden würden außerdem Outdoor-Sportanlagen bauen, die allen zugänglich sind.

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Wie viel Sport wir machen sollten

Für Erwachsene empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche, für Kinder sogar eine Stunde täglich. Besonders Ausdauersportarten mit unterschiedlichen Belastungsstufen sowie gymnastischen und koordinativen Inhalten sind besonders empfehlenswert. "Die Muskulatur will bewegt werden und braucht Reize, die sie im heutigen Alltag oft nicht mehr bekommt", weiß der Salzburger Physiotherapeut und Sportwissenschafter Manuel Weissenbacher. Kleinere Übungen seien dafür schon ausreichend.

  • Bewegung mit mittlerer Anstrengung: Während der Bewegung kann man noch sprechen, aber nicht mehr singen.
  • Bewegung mit hoher Anstrengung: Während der Bewegung kann man nur mehr ein paar Worte sprechen. Ihr könnt Bewegung mit mittlerer und höherer Anstrengung zusammenrechnen. Zehn Minuten Bewegung mit höherer Anstrengung zählen gleich viel wie 20 Minuten Bewegung mit mittlerer Anstrengung.

Am wichtigsten sei allerdings, dass jede und jeder einen Sport für sich findet, der vor allem Spaß macht. Denn mit etwas sportlicher Bewegung im Alltag können weitreichende negative Folgen auf unsere Gesundheit verhindert werden. Oftmals muss einfach nur der leidige innere Schweinehund überwunden werden.

(Quelle: salzburg24)

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