Millionenschwere Investitionen

Salzburgs Wintertourismus in der Zwickmühle

Veröffentlicht: 18. Oktober 2023 17:21 Uhr
Millionenschwere Investitionen in Skigebiete, zunehmend wärmere Winter und immer mehr internationale Urlaubsgäste als Einheimische auf Salzburgs Pisten – wie lange geht sich das noch aus?

Der Winter steht vor der Tür und die heimische Tourismuswirtschaft reibt sich schon erwartungsvoll die Hände. Zwar ist ein Ende der Preisspirale längst nicht in Sicht, das tut der positiven Stimmung aber kaum einen Abbruch. Schon im vergangenen Winter erreichten die Nächtigungszahlen im Land Salzburg fast 98 Prozent des Vor-Corona-Niveaus – Tendenz steigend, denn die aktuelle Buchungslage sei derzeit beinahe auf demselben Niveau wie 2019. Ein neuer Rekord-Winter im Tourismus dürfte also nur eine Frage der Zeit sein.

Insgesamt 22 Wintersportregionen zählt der Salzburger Land-Tourismus. Das seien rund 2.000 Pistenkilometer mit über 570 unterschiedlichen Liftanlagen. 85 Prozent der Salzburger Skipisten seien künstlich beschneibar.

Skigebiete auf einem Blick

Da scheint es doch ins Gesamtbild zu passen, dass im Großarltal 70 Millionen Euro für eine neue Kabinenbahn und Skipisten investiert werden. Oder etwa doch nicht? "Weil im Großarltal kaum Tagesgäste sind, ist es eine besondere Situation", erklärt Eva Brucker, Studiengangsleiterin für Innovation & Management im Tourismus an der FH Salzburg, gegenüber S24. Heißt: In dem Pongauer Tal wird traditionell auf Übernachtungsgäste vornehmlich aus dem Ausland gesetzt. "Hier zeigt sich das spezielle Zusammenspiel von Bergbahnen, weswegen die Urlauber überhaupt in die Region kommen und den Hotelbetrieben, in denen sie übernachten." Eines würde also das andere bedingen, so Brucker. Darum sei es wirtschaftlich erforderlich, das touristische Angebot zweigleisig aufzustellen – auch aus Mangel an Alternativen.

In den wenigsten Tälern gebe es Industrie- oder Gewerbebetriebe sowie nur begrenzte Erträge durch Bergbauern. Ohne Investitionen könnte es künftig wie in einigen verwaisten italienischen Seitentälern aussehen, warnen vor allem Seilbahner in aller Regelmäßigkeit. Deshalb möchte man hierzulande nicht nur den Wintertourismus zukunftsfit machen, sondern auch mehr Sommertourismus forcieren. "Zwei Saisonausrichtungen sind heute nötig", ist sich Brucker sicher.

Skigebiete investieren Millionensummen

Der Tourismus spielt in Österreichs Volkswirtschaft bekanntlich eine bedeutende Rolle, "womit Investitionen für die nächste Generation vertretbar sind", ergänzt Martin Mayerhofer vom Tourismusberatungsunternehmen Kohl & Partner. "Weil der Sommer schrittweise eine größere Bedeutung bekommt, dürfen Investitionen in Bergbahnen nicht nur am Winter festgemacht werden." Dennoch sei man "an einem Zeitpunkt angekommen, wo regional geprüft werden muss, ob die geplanten Investitionen mit einer haltbaren Nutzung korrelieren. Hier spielt die generelle Klimaerwärmung, aber auch die regionalen Wetterbedingungen eine wesentliche Rolle."

Und solche riesigen millionenschweren Investitionen wie aktuell im Großarltal sind beileibe kein Einzelfall im Land Salzburg, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Snow Space investierte erst vor sechs Jahren rund 50 Millionen Euro in Erneuerungen und Ski Amadé im Jahr 2021 trotz Corona-Rückschlägen 66 Millionen Euro. Schließlich soll dem Urlaubsgast etwas geboten werden. Immerhin trägt die Tourismus-Wertschöpfung zu über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. Und ein Einbruch beim Tourismus hätte nicht unerhebliche Folgen für den heimischen Arbeitsmarkt, denn etwa fünf Prozent aller Beschäftigten sind in Hotels oder der Gastronomie tätig. "Unser hoher Lebensstandard in Österreich ist bedingt durch den Tourismus", so Brucker.

Abhängigkeit von internationalen Urlaubsgästen

Österreichs Tourismus ist massiv abhängig von den ausländischen Gästen, zeigten zuletzt die Corona-Jahre 2020 und 2021. "Ausländische Gäste sind seit jeher ein wichtiger Faktor im Tourismus", weiß Tourismus-Experte Mayerhofer, "und wir werden sicherlich noch ein Stück weit internationaler." Das liege primär an den steigenden Kosten. Dabei sei Skifahren in Relation zu anderen Freizeitaktivitäten schon immer preislich höher gewesen, auch wenn Skitickets einen nur geringen Kostenteil eines gesamten Skiurlaubs ausmachen würden. Eines dürfte aber sicher sein: Der Skiurlaub wird künftig nicht mehr günstiger, sondern eher teurer. "Steigende Kosten erfordern steigende Preise und im internationalen Vergleich ist das in Österreich noch recht moderat", sagt Eva Brucker von der FH Salzburg. Aktuelle Studien zeigen, dass im Winter ein "zahlungskräftigeres Publikum" Urlaub in Österreich macht. "Skifahren bleibt in einem Preissegment, in dem es für Teile der Gesellschaft kaum oder nicht leistbar ist", führt Mayerhofer aus.

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Und genau das könnte zur sogenannten negativen Touristengesinnung führen. Sprich: Die Stimmung der Einheimischen gegenüber den Gästen könnte negativ kippen. Brucker: "Die unterschiedlichen Interessen zu vereinen ist neben der Mobilität die große Zukunftsfrage im Tourismus." Die An- und Abreise der Gäste sowie die Mobilität am Urlaubsort sind schließlich für mehr als 90 Prozent des CO2-Fußabdrucks im österreichischen Tourismus verantwortlich, was unmittelbar mit der Klimakrise in Verbindung steht.

Klimawandel und Skitourismus

Kürzlich hat eine Studie drastische Auswirkungen des Klimawandels auf den heimischen Skitourismus prognostiziert. So soll ab 2050 unterhalb von 1.300 Metern kein Skibetrieb mehr möglich sein. Im Alpenraum haben sich die Durchschnittstemperaturen seit Ende des 18. Jahrhunderts bereits um zwei Grad erhöht. Im gesamtösterreichischen Mittel hat die Dauer der Schneedecke seit 1961 um 40 Tage pro Jahr abgenommen, zeigen Analysen von Geosphere Austria.

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"Aktuell und für die Zeit bis 2050 sind die Seilbahnen mit den bestehenden (Beschneiungs-)Systemen gut aufgestellt", schildert Mayerhofer. "Die großen Skigebiete haben ihre Beschneiung laufend optimiert, um schnell und effizient die Grundbeschneiung sicherzustellen oder mit Snowfarming einen gewissen Polster gehalten." Alles Weitere würde auch davon abhängen, ob es gelingt die festgelegten Klimaziele zu erreichen und die weitere Klimaerwärmung zu reduzieren. "Gelingt es nicht, sind Gebiete in niedrigeren Tallagen sicherlich gefährdet."

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Nicht ohne Grund haben Liftbetreiber und Gemeinden in ganz Österreich in den vergangenen Jahren massiv in Beschneiungsanlagen und die dafür nötige Infrastruktur wie den Bau von Speicherteichen investiert – und das Sommertourismus-Angebot stetig ausgebaut, um die Abhängigkeit vom Winter zu reduzieren. Vorreiter im Land Salzburg sind die Pinzgauer Gemeinden Saalbach und Leogang, die mittlerweile untrennbar mit dem Radsport verbunden sind. "Mit nachhaltigem Tourismus punkten auch die Schmittenhöhe und das Kitzsteinhorn", weiß Brucker und weiter: "Das Gasteinertal lockt Urlaubsgäste mit Wellness und Werfenweng mit sanfter Mobilität, Wandern und Nachhaltigkeit." Nicht erst seit heute sei für Touristenorte eine konkrete und klare Positionierung der Zielgruppen nötig, sind sich Touristiker:innen einig.

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Eher seien kleinere Gebiete in niedrigeren Lagen gefordert, alternative Freizeitangebote aus dem Sommer möglichst flexibel auch im Winter anzubieten. Aber auch Hotels könnten mit Wellness, Top-Kulinarik und umfassenden Betreuungsangeboten die Buchungsrelevanz auf andere Bereiche verlagern. "Die Nachfrage- und Angebotsstruktur verschiebt sich", bringt es Brucker auf den Punkt. Dazu zählt auch eine Entzerrung der Saison. Verlängerte Nebensaisonen eröffnen etwa Möglichkeiten für Aktivitäten, die unabhängig vom Schnee sind: Anstelle bereits im November Skier zu nutzen, können Mountainbiken und Wandern bis in den späten Herbst oder frühen Winter hinein eine Option sein und zur erforderlichen Anpassung an touristische Ganzjahreskonzepte beitragen. "Der Transformationsprozess hat gerade erst begonnen", sagt Brucker. "Und bis morgen wird sich der Skitourismus sicher nicht grundlegend verändern."

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(Quelle: salzburg24)

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