"Milliardengrab"

Vehementer SPÖ-Widerstand gegen den S-Link

Diese SPÖ-Plakate zum S-Link wurden in der Stadt Salzburg aufgestellt.
Veröffentlicht: 29. Juni 2023 13:26 Uhr
Es wird nicht ruhig um den S-Link: Wegen mangelnder Kostentransparenz formiert sich großer Widerstand bei der SPÖ in der Stadt Salzburg. Aus derzeitiger Sicht könne dem Projekt nicht zugestimmt werden, sagt Vizebürgermeister Bernhard Auinger. Er befürchtet eine jährliche Belastung von mindestens 30 Millionen Euro. Mit einem Baustart vor der Gemeinderatswahl 2024 rechnet er nicht.

Das umstrittene milliardenschwere Infrastrukturprojekt S-Link – die teils unterirdische Verlängerung der Salzburger Lokalbahn – sorgt dieser Tage einmal mehr für viel Gesprächsstoff. Wer derzeit durch die Stadt Salzburg geht, dem dürften die SPÖ-Plakate bereits aufgefallen sein: "Der S-Link kostet dich deine Zukunft" und "1x S-Link = 50 Jahre Schuldenberg" ist darauf zu lesen.

Zweifel an Kosten für S-Link

Die Stadt-SPÖ hat das Projekt in der Vergangenheit bereits kritisch gesehen, nun gibt es aber vehementen Widerstand. Damit positionieren sich die Sozialdemokraten weniger als ein Jahr vor der Gemeinderatswahl eindeutig. Bernhard Auinger und Co zweifeln "trotz einiger offener Fragen“ nicht an der Wirksamkeit des S-Links, sondern vielmehr an der Kostenschätzung – und den damit verbundenen Folgen für den Stadt-Haushalt.

Salzburgs Vize-Bürgermeister hat am Donnerstag bei einem Medientermin von einem "Milliardengrab" gesprochen, das in den kommenden Jahrzehnten auf die Landeshauptstadt zukomme. Die Befürchtung der SPÖ: Durch die Investitionen würden andere Projekte auf der Strecke bleiben und zum Erliegen bringen. Das sei "schlichtweg unverantwortlich." Skeptisch zeigte sich Auinger, ob sich die Stadt Salzburg den Bau neben der Festspielhaus-Sanierung überhaupt leisten könne und bezweifelt, ob die hohen Kosten für den S-Link den Nutzen rechtfertigen würden.

Steigen die Kosten in die Höhe?

Angesichts der anhaltenden Inflation und aktueller Zinssteigerungen nennt Salzburgs Vize-Bürgermeister Gründe, warum die bisher kommunizierten Kostenschätzungen unrealistisch seien. Demnach würde die erste unterirdische S-Link-Etappe vom Salzburger Hauptbahnhof bis zum Mirabellplatz rund 250 Millionen Euro kosten. Im Endausbau bis nach Hallein (Tennengau) wären laut Auinger sogar vier Milliarden Euro an Baukosten fällig. Zuletzt ist man seitens der Projektgesellschaft – je nach Trassenvariante – von knapp zwei bis zu drei Milliarden ausgegangen. Bei den aktuellen Schätzungen würden die jährliche Valorisierung der Baukosten sowie die Finanzierungskosten noch gänzlich fehlen, kritisiert die SPÖ.

SPÖ-Widerstand gegen S-Link SALZBURG24/Pfeifer
Diese SPÖ-Plakate zum S-Link wurden in der Stadt Salzburg aufgestellt.

Das würde "im besten Fall" eine jährliche Belastung von 30 Millionen Euro pro Jahr für die Stadt Salzburg bedeuten, führt Auinger aus. "Und das für nur ein einziges Projekt, das ist ein Drittel unseres gesamten Investitionshaushaltes." Deshalb könne dem Projekt aus derzeitiger Sicht nicht zugestimmt werden. "Den Leuten muss man sagen, was in den nächsten 20 Jahren auf die Stadtbevölkerung zukommt", meint Auinger, der von bereits bestehenden Finanzierungsproblemen anderer Projekte spricht. Andere Vorhaben, wie Wohnbau, Schulen und Kundenbetreuung sowie die Pflege wären dadurch gefährdet, warnt Auinger.

Mit Unverständnis auf Auingers Aussagen reagierte man bei der Projektgesellschaft S-Link: "Bei der kostenintensivsten Variante würde die Investition vom Lokalbahnhof bis zur Stadtgrenze 1,54 Mrd. Euro betragen. Bei einem Kostenschlüssel mit 25 Prozent Beteiligung der Stadt Salzburg bis zum Mirabellplatz und 12,5 Prozent Beteiligung im Abschnitt vom Mirabellplatz zur Stadtgrenze (Kostenschlüssel zwischen Stadt und Land wird noch verhandelt, Anm.) würden die Investitionskosten für die Mozartstadt bei gesamt 217,5 Millionen Euro liegen. Auf die kolportierten 20 Jahre wären dies 10,9 Millionen Euro pro Jahr", heißt es in einer Stellungnahme. Auch bei hohen Zinsen und Valorisierung seien die von Auinger genannten Beträge demnach "nicht nachvollziehbar".

Im Dezember 2020 wurde von Stadt und Land Salzburg sowie dem Bund eine Rahmenvereinbarung unterzeichnet, wonach der Bund 50 Prozent der Kosten für die gesamte S-Link-Strecke bis Hallein übernimmt.

SPÖ-Forderungen für Öffentlichen Verkehr

Konkret fordert der Vize-Stadtchef eine transparente "kaufmännisch richtig gerechnete" Auflistung aller Kosten – und eine Verkehrswende, die jetzt und sofort erfolgt und nicht erst in den kommenden Jahren. Für die Stadt-SPÖ sei der S-Link nach Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen unfinanzierbar – man könne derzeit nicht für das Projekt stimmen. Auinger: "Der Stadt Salzburg gelingt es nicht einmal, das Bus-System zu modernisieren, da sehe ich für den S-Link schon überhaupt keine realistische Umsetzungschance. Mit weit weniger Mitteln könnten viele andere verkehrstechnische Lösungen angedacht werden."

Ein Gesamtverkehrskonzept bzw. eine Strategie vermisst neben Auinger auch SPÖ-Verkehrssprecher Tarik Mete. Bevor die Lokalbahn verlängert wird, fordert die SPÖ die rasche Umsetzung anderer Maßnahmen im Öffentlichen Verkehr: "Wir benötigen in der Stadt Salzburg als ersten Schritt ein funktionierendes O-Bus-System mit einem Zehn-Minuten-Takt", so beide Politiker unisono.

Die Forderungen der Salzburger Stadt-SPÖ für eine sofortige Verkehrswende:

  • Zehn-Minuten-Takt bei den Obussen, künftig Fünf-Minuten-Takt
  • Bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftige
  • Fahrrad-Offensive
  • Park&Ride-Parkplätze in Umlandgemeinden ausbauen
  • Sanierung der bestehenden Obus-Infrastruktur
  • Salzburger Altstadt von parkenden Autos befreien

Allein beim Obus gebe es laut Auinger einen Investitions-Nachholbedarf von 150 bis 240 Millionen Euro.

Bürgerbefragung zum S-Link

Bis Ende 2023 soll das Umweltverträglichkeitsverfahren abgeschlossen sein. Und die Anti-S-Link-Initiative "Stopp U-Bahn" hat bekanntlich mehr als 2.000 Unterschriften gesammelt, was Voraussetzung für eine Bürgerbefragung in der Stadt Salzburg ist, die noch heuer im Herbst durchgeführt werden soll. Unterdessen hat LH-Stv. Stefan Schnöll (ÖVP) eine landesweite Befragung angekündigt. Deshalb rechnet Salzburgs Vize-Bürgermeister Auinger auch nicht damit, dass der Baustart für den S-Link vor den Gemeinderatswahlen im März 2024 stattfinden wird.

ÖVP-Reaktion auf SPÖ-Widerstand

Die erste Reaktion auf den SPÖ-Widerstand ließ heute nicht lange auf sich warten: Die Salzburger ÖVP ortet eine "rein parteipolitisch motivierte, unverantwortliche Agitation gegen das Kernstück der Mobilitätswende", wie Klubobmann Wolfgang Mayer über eine Aussendung mitteilte. Die Debatte um das Infrastrukturprojekt sei damit am "populistischen Tiefpunkt angelangt".

Bei der endgültigen Streckenführung gibt es noch offene Fragen zu klären. Denn derzeit ist unbekannt, wie die Trasse hinter der Salzburger Stadtgrenze konkret über Anif und Grödig (beide Flachgau) bis nach Hallein verlaufen soll. Hier gebe es einige Varianten zur Auswahl und noch Klärungsbedarf mit den Gemeinden und Grundeigentümer:innen, heißt es seitens der Projektgesellschaft.

Am heutigen Donnerstag (14 bis 19 Uhr) findet im Salzburger Kongresshaus eine Info-Veranstaltung der S-Link-Projektgesellschaft für Anrainer:innen und Interessierte statt.

(Quelle: salzburg24)

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