Dass Menschen bei eisigen Temperaturen in Salzburgs Gewässer stürzen, passiert laut Christian Wölfler, Landesverbandsarzt bei der Salzburger Wasserrettung, mehrmals pro Jahr. Dabei handle es sich um Unfälle, bei denen Menschen etwa ausrutschen und in Flüsse fallen.
Fälle, bei denen jemand beim Eislaufen auf einem See einbricht, seien hingegen selten, berichtet Markus Gewolf, Pressesprecher der Wasserrettung. Aus den vergangenen Jahren sei ihm kein Fall bekannt, weil die meisten Gewässer nicht gefroren waren. Aktuell wagen sich aber wie berichtet zahlreiche Menschen in Salzburg auf natürliche Eisflächen wie den Leopoldskroner Weiher in der Landeshauptstadt.
Gefahr von Unterkühlung bei Sturz in kaltes Wasser
Sollte man ungeplant im eiskalten Wasser landen, kann das lebensgefährlich werden, so Wölfler. „Der Körper drosselt die Blutversorgung der lebensunwichtigen Abschnitte, also den Extremitäten. Im Kern mit den wichtigsten Organen wie Herz, Lunge oder Hirn soll die Temperatur ein gewisses Niveau behalten. Das passiert bei einer Unterkühlung.“
Im Fall einer Kältesofortreaktion werden die Blutgefäße in der Haut außerdem plötzlich ganz eng, erklärt der Arzt. „Durch dieses Zusammenziehen in Kombination mit dem Wasserdruck beim Eintauchen kommt mehr Blut zum Herzen. Das Herz kann dieses Volumen an Blut schwer verarbeiten. Das kann im schlimmsten Fall zum Herz-Kreislauf-Stillstand führen, besonders, wenn jemand zum Beispiel eine Herzerkrankung hat“, führt Wölfler aus.
Dass Extremitäten absterben, ist laut Wölfler nicht das primäre Problem. „Wenn es zu einer Unterkühlung kommt und sich durch die Bewegung warmes und kaltes Blut mischen, kann es zu Herzrhythmusstörungen bis hin zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommen.“
Atmung wird unkontrolliert schnell
Zusätzlich bestehe die Gefahr, zu ertrinken. „Durch die Unterversorgung mit Sauerstoff entsteht eine Sauerstoffschuld und die Organe werden nicht mehr ausreichend versorgt“, so der Mediziner. Und auch die Atmung verändert sich bei einem Sturz ins eiskalte Nass. Unkontrolliert schnelles Atmen – Hyperventilation – ist die Folge. „Man kann zum Beispiel beim Eisschwimmen mit der entsprechenden Vorbereitung ein wenig trainieren, die Phase der Hyperventilation besser zu kontrollieren. Sonst kommt es zu einer Panikreaktion.“
Durch dieses Zusammenspiel an körperlichen Reaktionen sei ein „koordiniertes Handeln“ nur noch schwer möglich. „Zuerst versucht man wahrscheinlich, sich mit Schwimmbewegungen über Wasser zu halten. Aber auch gute Schwimmer verlieren durch die Unterkühlung rasch an Muskelstärke und können schon nach wenigen Metern untergehen“, warnt Wölfler.
Treiben lassen statt schwimmen
Deshalb sollte man laut dem Landesverbandsarzt im Ernstfall nicht versuchen, möglichst viele Schwimmbewegungen zu machen, um sich warm zu halten. Er empfiehlt stattdessen, sich möglichst ruhig zu verhalten und nach Möglichkeit im Wasser treiben zu lassen. Denn das spart Energie. „Je mehr Energie der Körper verbraucht, umso schneller kühlt er aus.“ Hat man eine Auftriebshilfe wie eine Boje dabei, sollte man eher eine kauernde Haltung einnehmen. Ist das nicht der Fall, rät der Experte, sich auf den Rücken zu legen.
Körper kühlt nach Rettung weiter aus
Doch mit einer Rettung aus dem kalten Gewässer ist es noch nicht getan, weiß der Arzt. „Wenn jemand zum Beispiel einbricht und sich selbst befreien kann, sollte man trotzdem bedenken, dass es außerhalb des Wassers derzeit meist Minusgrade hat. Der Körper kühlt also weiter aus und muss dringend versorgt werden.“ Es könne etwa sein, dass man zu zittern beginnt. Mit dieser Reaktion will sich der Körper erwärmen, führt Wölfler aus. Doch das lasse mit der Zeit nach und die Betroffenen würden immer müder, schlafen womöglich sogar ein. „Irgendwann wird der Herzschlag langsamer bis man so abgekühlt ist, dass es zu Herzrhythmusstörungen bis hin zu einem Stillstand kommen kann. Diese Gefahr besteht meist, wenn die Körperkerntemperatur auf unter 28 Grad sinkt.“
Die richtige Versorgung nach der Befreiung aus dem kalten Gewässer ist also essenziell. Dabei sei große Vorsicht geboten. „Die Leute werden von den Einsatzkräften behandelt wie ein rohes Ei, dem sie eine Haube aufsetzen. Man versucht, sie nur ganz vorsichtig zu bewegen. Wichtig sind der Wärmeerhalt und die notfallmedizinische Versorgung. Sie bekommen warme Getränke und werden warm eingepackt.“ Der Prozess, bis Patient:innen wieder aufgewärmt sind, könne sich über Stunden oder sogar Tage ziehen.
Von unfreiwilligem Sturz zu freiwilligem Baden
Etwas anders sieht es aus, wenn Hartgesottene sich freiwillig in kalte Gewässer begeben, etwa beim Eisbaden. Die entsprechende Vorbereitung sei das A und O, meint Josef Niebauer vom Institut für Sportmedizin am Salzburger Uniklinikum. Beim Eisbaden werde das Immunsystem Umständen ausgesetzt, die es sonst nicht bekommt. „Der Körper lernt auf das zu reagieren, was ihn fordert“, hält der Mediziner im S24-Gespräch fest. Für ihn ist das Eisbaden „mehr für den Kopf, als für den Körper.“ Neben dem Austesten der eigenen Grenzen profitiere das Selbstvertrauen. Hinzu komme die Erfahrung mit den Temperaturen und der Natur. „Aus jeder Hürde, die man überwindet, schöpft man Kraft. Man kann fast nicht scheitern, weil man ja einfach schnell wieder aus dem Wasser hinausgehen kann.“ Man habe also grundsätzlich fast immer ein Erfolgserlebnis, was die Basis dafür sei, eine Aktivität zu wiederholen.
Wie fängt man mit Eisbaden an?
In der Literatur gebe es kaum Daten über den gesundheitlichen Nutzen des Eisbadens. Niebauer ist aber der Meinung: „Es braucht nicht für alles eine Studie. Es spricht nichts dagegen, wenn keine Gefahr für sich selbst oder andere besteht.“ Wichtig sei ein kontrollierter Ablauf. Diese Maßnahmen empfiehlt der Mediziner, um sich langsam heranzutasten und herauszufinden, wie der Körper auf die kalten (Wasser-)temperaturen reagiert:
- Mit einer kalten Dusche daheim starten
- Mit weniger/dünnerer Kleidung hinausgehen
- Geringere Raumtemperatur einstellen
- In eine Badewanne mit kaltem Wasser steigen
- Vor dem Eisbaden aufwärmen, z.B. mit Gymnastik, damit die Muskulatur gut durchblutet und erwärmt ist
- Langsam in das Gewässer hineingehen, womöglich zuerst nur mit den Füßen
- In flache, stehende Gewässer gehen anstatt in tiefe, fließende Gewässer
- Eisbaden bei Windstille
- Verschiedene Atemübungen ausprobieren
Grundsätzlich sollte man sich nicht von anderen überreden lassen, so Niebauer abschließend. „Man sollte auch nicht enttäuscht sein, wenn etwas bei jemand anderem klappt, aber bei einem selbst nicht. Jeder sollte seinen eigenen Weg und sein Tempo finden. Und der Winter ist ja noch lang.“
(Quelle: salzburg24)