Mit steigenden Temperaturen kommt auch der Partysommer in Salzburg in Schwung. Das bedeutet: Festivals, Konzerte, Sommerfeste. Schnell kann die Feieratmosphäre aber auch umschlagen – nämlich dann, wenn es zu Übergriffen und Belästigungen kommt, wie Debora Dominguez vom Salzburger Frauennotruf heute im Gespräch mit SALZBURG24 erzählt. Denn weiblich gelesene Menschen (Menschen, denen aufgrund ihres Aussehens das weibliche Geschlecht zugeschrieben wird, Anm.) seien bei Partys und im Nachtleben nach wie vor häufig von sexualisierter Gewalt betroffen. Gerade deshalb brauche es auch in der Gastro- und Kulturszene geschützte Orte, an denen Übergriffe nicht geduldet werden und das Personal weiß, was im Fall des Falles zu tun ist.
Sexualisierte Gewalt: Wo sie anfängt, wo sie aufhört
Aber wo beginnt überhaupt sexualisierte Gewalt? Diese Frage zu beantworten ist so einfach wie kompliziert. Denn Grenzen seien je nach Person sehr unterschiedlich und eine persönliche Sache, erklärt Dominguez. Klar ist für sie aber: „Es reicht absolut, wenn ich mich unwohl fühle. Dann ist das, was passiert ist, übergriffig gewesen.“ Betroffene definieren ihre Grenzen also selbst – und damit auch, wann diese überschritten werden. Das Konzept hinter dieser Herangehensweise nennt sich „Definitionsmacht“. Im Nachtleben gehe es häufig um ungewollte Berührungen, aufdringliches Verhalten oder ungefragtes oder sogar unbemerktes Fotografieren, beispielsweise unter den Rock oder das Kleid, schildert die Sozialpsychologin. K.O.-Tropfen seien in Salzburg ebenfalls ein Thema. Und: „Auch häusliche Gewalt findet im Nachtleben statt, wenn die Betroffene zusammen mit dem Täter unterwegs ist.“
„Was dann der Polizei gemeldet werden kann, ist aber eine andere Sache“, räumt Dominguez ein. Es sei zu unterscheiden zwischen subjektiver und rechtlicher Gewalt. Für Safe Spaces nach den Kriterien des Frauennotrufs würden juristische Definitionen aber eher eine untergeordnete Rolle spielen. Hier gelte immer: „Sobald ich mich unwohl oder unsicher fühle, habe ich Recht auf Hilfe.“
„Luisa“-Siegel kennzeichnet sichere Partylocations in Salzburg
Sichere Partylocations werden vom Frauennotruf mit dem „Luisa“-Siegel ausgezeichnet. Hintergrund ist die Kampagne „Ist Luisa hier?“. Die namensgebende Frage fungiert als Codewort. Ziel ist es, Menschen diskret und schnell Hilfe zukommen zu lassen, wenn sie das Lokalpersonal nach Luisa fragen. Wie diese Hilfe im Idealfall dann aussehen sollte, wird Kellner:innen, Securities und Co vorab in Workshops vermittelt.
Im Salzburg gibt es 23 „Luisa“-Lokale, zwölf davon in der Landeshauptstadt. Seit 2022 wird das Konzept auch auf dem Electric Love Festival angewandt, das kommende Woche am Salzburgring steigt.
Alle „Luisa“-Lokale in Salzburg im Überblick
Was der Frauennotruf Lokalen empfiehlt
Beigebracht wird dem Personal der „Luisa“-Lokale beispielsweise, dass im Falle einer Belästigung oder eines Übergriffs nicht in Eigenregie gehandelt werden sollte, erklärt Dominguez. Stattdessen solle die Situation entschleunigt und ein sicherer Raum für die hilfesuchende Person geschaffen werden, in dem diese offen sprechen kann.
Wie es dann weitergeht, entscheide ausschließlich der:die Betroffene. Warum? Ein Übergriff an sich erzeuge bereits einen Zustand der Machtlosigkeit. Werde dann auch noch über den Kopf hinweg entschieden, wie es weitergeht, setze sich diese Machtlosigkeit weiter fort. Zudem wisse man aus Erfahrung, welchen Schaden ein Strafverfahren anrichten könne, für das sich Betroffene nicht selbst entschieden haben: „Das kann retraumatisierend wirken.“ Ohne Absprache sollte dem „Luisa“-Konzept nach also nicht die Polizei alarmiert werden.
Hiervon ausgenommen seien Verstöße gegen die Hausordnung – dann könne das Lokalpersonal selbst aktiv werden.
Was, wenn ich Zeug:in werde?
Auch für Gäste, die Zeug:in von mutmaßlich sexualisierter Gewalt werden, hat die Expertin ein paar nützliche Tipps parat. Zunächst sei ratsam, die betroffene Person anzusprechen: Ist alles okay bei dir? War beziehungsweise ist das, was ich gesehen habe, in Ordnung für dich? Ist die Antwort nein, gelte es herauszufinden, was der:die Betroffene nun brauche. Wieder solle die Situation nicht in Eigenregie irgendwo gemeldet werden. „Aber selbst wenn die Person sagt, dass alles okay ist, muss das noch nichts heißen. Vielleicht kann sie gerade nicht offen sprechen oder steht unter Schock“, erklärt Dominguez. Dann könne man ihr die eigene Telefonnummer geben, falls etwa später doch noch Zeug:innen für den Vorfall gebraucht werden.
Auch hier nennt die Sozialpsychologin aber eine Ausnahme, in der man in jedem Fall aktiv werden sollte, und zwar dann, wenn sich jemand in einem offensichtlich stark berauschten Zustand befindet und von einer anderen Person nicht in Ruhe gelassen wird. „Das sollte man dann sehr wohl melden“, betont sie.
Awareness Day soll Salzburgs Partycommunity sensibilisieren
Abseits der „Luisa“-Kampagne arbeitet der Salzburger Frauennotruf heuer schon das dritte Mal mit der Salzburg Club Commission daran, die Partycommunity im Bundesland für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren und im Umgang damit zu schulen. Der erste Workshop des Jahres steht am Samstag an. Ein zweiter Termin ist heuer für den 19. Oktober geplant.
Der Awareness Day der Salzburg Club Commission:
- Wann? 29. Juni, 10.30 Uhr
- Wo? ARGEkultur, Ulrike-Gschwandtner-Straße 5, 5020 Salzburg
- Was? Workshop zur Sensibilisierung und dem Umgang mit sexualisierter Gewalt im Nachtleben
- Für wen? Club- sowie Barbetreiber:innen, Veranstalter:innen, Kollektive, Künstler:innen und alle anderen Akteur:innen des Nachtlebens und der Kulturwirtschaft, auch interessierte Gäste. Die Teilnahme ist kostenlos.
Alle Infos zum Awareness Day der Salzburg Club Commission
(Quelle: salzburg24)