Christoph Freund war in seiner Rolle als Sportdirektor nicht nur ein Architekt des sportlichen Erfolgs, sondern auch ein Meister der Transferpolitik. Unter seiner Ägide erzielte Salzburg Transferüberschüsse, die in den letzten sechs Saisonen zwischen 40 und 80 Millionen Euro betrugen. Diese Saison schrumpfte der Überschuss hingegen auf nur acht Millionen.
Ein Indikator dafür, dass Freunds geschickte Verhandlungstaktiken mehr als nur ein Vorteil waren – sie waren essenziell. Zudem sorgten seine zwischenmenschlichen Charakterzüge für viel Stabilität im Klub. Klar: Jahr für Jahr finanzielle und sportliche Rekorde zu fordern, wäre vermessen – auch für die Ansprüche des Liga-Krösus. Dennoch ist ein Abwärtstrend deutlich erkennbar.
Im Schatten großer Salzburg-Wechsel
Auch der Verlust von Dietrich Mateschitz, dem Gründer des globalen Red Bull-Imperiums, wiegt schwer. Mateschitz war nicht nur ein finanzieller Förderer, sondern auch das emotionale Rückgrat des Vereins. Mit seinen Visionen und seiner Leidenschaft trieb er das gesamte Projekt an. Sein Ableben hinterließ ein Vakuum, das bislang niemand ausfüllen konnte und das große Leiden begann.
Bröckelnde Bullen-Substanz
Die Substanz des Teams zeigt deutliche Schwächen. Die Salzburger Innenverteidigung, einst das Prunkstück des Defensivverbunds, wurde durch die Abgänge von Strahinja Pavlovic und Oumar Solet empfindlich geschwächt. Pavlovic und Solet brachten zwar gemeinsam 28 Millionen Euro ein, doch blieb die Frage im Raum, ob diese Spieler nicht unter Wert verkauft wurden. Solet wechselt gar ablösefrei zu Udinese und hinterlässt eine Lücke, die zwei unerfahrene 20-Jährige füllen sollen.
Transferpolitik und Kaderstruktur
Auch die Transferpolitik zeigt ihre Tücken. Während früher Talente wie Erling Haaland, Karim Adeyemi und Dominik Szoboszlai aus Liefering hochgezogen wurden, fiel der diesjährige Sommer enttäuschend aus. Teure Neuzugänge wie der 17-jährige Joane Gadou (nicht für die CL nominiert) und der 19-jährige Bobby Clark sowie Stefan Bajcetic konnten bisher nicht überzeugen. Ein weiterer schmerzhafter Verlust war Mamadou Sangaré, der nun bei Rapid Wien große Leistungen zeigt. Für den 22-jährigen Malier erhielten die Bullen eine niedrige Millionen-Ablösesumme.
Führungsvakuum und taktische Fehler
Salzburg-Trainer Pep Lijnders sorgte nach dem titellosen Jahr bei seinem Amtsantritt im Sommer für eine Euphoriewelle. Der 41-Jährige hat gezeigt, dass er stilprägend sein kann. Er muss die akute Krise schnell überwinden. Dass Führungsspieler wie Andreas Ulmer unfreiwillig in die Pension geschickt wurde und Ignace Van der Brempt überraschend nach Italien verliehen wurde, machte seinen Job nicht gerade leichter. Mit der Maßnahme, dass Amar Dedic, einer der wenigen Leader im Team, seine Kapitänsschleife an Leihkeeper Janis Blaswich verlor, sorgte zudem für Unmut und Unsicherheit im Team.
Auch, dass die beiden vom FC Liverpool gekommenen Talente auf Anhieb einen Stammplatz erhielten, stieß einigen Kickern sauer auf.
Verletzungen und große Abhängigkeit
Zu allem Überfluss fehlten Salzburg mit Aleksa Terzic, Maurits Kjaergaard, Fernando, Dorgeles Nene, Petar Ratkov und Moussa Yeo gleich mehrere Stammspieler verletzungsbedingt. Diese Ausfälle machten die Aufgabe für Lijnders und Seonbuchner nicht einfacher. Sie zeigen aber auf, wie verwundbar und abhängig Salzburg von einzelnen Akteuren ist.
Nachdem Terzic und Kjaergaard in zwei Wochen gegen Altach zurückkehren sollen, ist ein Comeback von Fernando noch nicht in Sicht. "Das dauert noch sehr lange", erklärte Lijnders auf SALZBURG24-Nachfrage.
Mario Gomez bei Red Bull Salzburg gefordert
Beim taumelnden Liga-Giganten läuft die Analyse der sportlichen Talfahrt auf Hochtouren. "Wie am Sonntag nach dem Sturm-Spiel angekündigt, arbeiten wir die letzten Wochen gerade sehr intensiv und auf verschiedenen Ebenen auf", ließ der Klub gegenüber S24 wissen. Dass Mario Gómez, Global Sports Director aller Red Bull Fußballklubs, bei einer Sitzung am Montagabend anwesend war, wollten die Bullen nicht bestätigen. Der ehemalige DFB-Nationalstürmer verfolgt die Negativ-Entwicklung des Lijnders-Teams genau und war unter anderem beim ersten Testspielsieg des Niederländers Ende Juni in Anif (Flachgau) zu Gast.
Die Bullen absolvierten am Dienstagvormittag ihre erste Trainingseinheit seit der 0:5-Abfuhr bei Meister Sturm Graz. Während 15 Spieler zu den Nationalteams gereist sind, muss der Rest ein Heimprogramm absolvieren, ehe am Montag in Taxham die nächste gemeinsame Einheit ansteht. Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits kann Lijnders nicht an den nötigen Stellschrauben drehen, andererseits können die Spieler die blamablen Auftritte in einem anderen Umfeld verarbeiten.
Können Bullen Krise?
Seit dem Abschied von Christoph Freund und dem Tod von Dietrich Mateschitz hat Red Bull Salzburg vieles von seiner früheren Kraft verloren. Die aktuellen Personalentscheidungen und Transfers zeigen immer deutlicher, wie wichtig diese beiden Persönlichkeiten für den Erfolg des Vereins waren. Als Folge dieser Abgänge steht der Verein nun vor der Herausforderung, eine neue Identität und Struktur zu finden, bevor der freie Fall nicht mehr aufzuhalten ist.
Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob Lijnders und Seonbuchner, bei denen die Schonfrist endet, in der Lage sind, diese Krise zu bewältigen. Gelingt das Salzburger Aufbäumen nicht, ist klar: Das Double von Sturm Graz war kein "One-Hit-Wonder".
(Quelle: salzburg24)