Vom Frautragen über das Anglöckeln und Ausräuchern bis zu den Schnabelperchten: Im Bundesland Salzburg werden in der Weihnachtszeit bis heute verschiedene Bräuche und Traditionen gelebt. Einige von ihnen sind weit verbreitet, andere in einzelnen Gemeinden zu finden. Manche werden hingegen mittlerweile so gut wie gar nicht mehr praktiziert. Anlässlich des zweiten Adventsonntags haben wir uns mit Michael Greger, dem Leiter des Salzburger Landesinstituts für Volkskunde, drei vergessene Bräuche näher angesehen.
"Nikolo- bzw. Nikolausgarten"
Vor 100 Jahren hat Karl Adrian die Volkskunde-Abteilung im Salzburg Museum begründet. Ihm zufolge konnte man Nikolo- bzw. Nikolausgärten in den 1890ern am Nikolaimarkt – dem Vorläufer des heutigen Salzburger Christkindlmarktes – erwerben. Die „Garteln“ wurden auf einem quadratischen Holzbrett mit einer Seitenlänge von 30 bis 40 Zentimetern gestaltet. Die Fläche wurde zuerst mit Moospolstern gefüllt. Drumherum oder zumindest an die Vorderseite kam ein kleiner Zaun mit acht bis zehn Zentimeter langen Latten. Im Brett sollten an drei Seiten auch Löcher für Tannenreisig gebohrt werden. Ehemals waren auch mit Schaumgold verzierte Buchssträußchen an den Ecken Teil der Nikolausgärten. Kleine Nikolaus- und Krampusfiguren wurden hinten platziert, weiter vorne waren Äpfel, Nüsse, gedörrte Feigen und Zwetschken oder Bockshörndln zu finden – alles, was man Kindern damals schenken wollte. Aufgestellt wurden die „Gartln“ vom Nikolaus-Vorabend bis zum Heiligen Abend. Das „Gartl“ war also ein jahreszeitlich-chronologischer Vorläufer des Christbaumes – so wie der Nikolaus als Gabenbringer vor dem Christkind, führt Michael Greger vom Institut für Volkskunde aus.

2020 starteten Wirtschaftstreibende in der Flachgauer Gemeinde Oberndorf um den Werkzeug- und Maschinenhändler Hans Hinterholzer eine Belebungsinitiative für den Brauch. In den Schaufenstern von mehreren Oberndorfer Betrieben, Schulen und einem Notariat wurden Nikologartln in unterschiedlicher Ausführung präsentiert. Auch in der Partnerstadt Laufen am anderen Salzachufer waren bei einer Bäckerei und einer Schreinerei Nikologartln zu sehen. In Oberndorf setzen sich heute noch die Pfadfinder und der Krippenbauverein, in Kuchl (Tennengau) der Krippenbauverein für eine Wiederbelebung des Nikologartens ein. Vor einigen Jahrzehnten gab es das „Gartl“ auch in Bramberg im Pinzgau, so Greger.
"Windfüttern"
In volkskundlichen Texten aus dem späten 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wird das „Windfüttern“ als Opfer an die Elemente beschrieben. Der Brauch wurde teilweise wohl noch in den 1950er-Jahren ausgeführt, sagt Greger. In der Zeit der Raunächte oder direkt an Heilig Abend haben die Menschen Speisen an den Wind gegeben, um diesen zu besänftigen. Meist wurden dem Wind Mehl und/oder Salz entgegengeworfen. Im Pinzgau wurde dagegen das Bachlkoch – ein mit Honig-Butterschmalz und Gewürzen angereichtes Mehlkoch – in hölzernen Tellern auf das Dach gestellt. Dort blieben die Teller zum Schutz für das ganze Jahr stehen. Seltener wurden auch jahreszeitlich gebundene Gebäckformen an den Wind gegeben und dafür vor die Hoftore gestellt oder auf Zaunpfähle gesteckt.
Neben den Raunächten fand das „Windfüttern“ manchmal auch am Blasiustag am 3. Februar statt. Damit sollte zum Winterende bzw. Ende des „äußeren Weihnachtsfestkreises“ der Schutz vor dem Wind, der mit dem Heiligen Blasius verbunden wird, gestärkt werden. Auch das periodische „Windfüttern“, besonders bei argen Stürmen, war bekannt. Es gibt jedoch auch andere Erklärungen, die besagen, dass der Wind mit der Essensgabe gar nicht besänftigt werden sollte. Im Gegenteil: Der Wind wurde am Heiligen Abend zum Bleiben eingeladen, weil er für eine gute Ernte nötig war.
Das "Roasgehen" der Frauen
In der Vormoderne war es üblich, dass sich die Frauen zur Winterzeit gemeinsam in den Spinnstuben einfanden. Arbeit war damals noch teils streng geschlechterbezogen aufgeteilt, merkt Michael Greger an. Spinnen war tendenziell Frauensache. Marie Posch (1859-1914) wurde als Bauerntochter geboren, später zur Handarbeitslehrerin ausgebildet und leitete schließlich die St. Andrä-Mädchenschule. Sie beschrieb in den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde im Jahr 1912 einen mit dem Spinnen und den Spinnstuben verbundenen Brauch: Das alljährliche „Roasgehen“. Die Frauen eines Dorfes suchten einen geräumigen Bauernhof eines Nachbardorfes auf, wo selbst mehrere Töchter oder Mägde bzw. Dirnen mit dem Spinnen beschäftigt waren. Zuvor hatte man die „Roaserinnen“ z. B. beim sonntäglichen Kirchgang eingeladen. Beim „Roasen“ banden sich die Frauen das Spinnrad auf den Rücken. In ihren Schürzen verpackten sie Flachs oder Werg. Die Frauen sollten unbedingt darauf achten, dass die Männer von diesem Plan mitbekamen, da diese sonst allerlei Schabernack ausheckten.

Auf den Höfen im Nachbardorf stand etwa eine ausführliche Führung durch den Stall an. Man wollte zeigen, wie gepflegt das Vieh ist. In der Stube wurden den Besucherinnen außerdem Truhen und Kästen sowie deren feinst geordnete Inhalte – zum Beispiel Schmuck – präsentiert. In der Zwischenzeit brachten die Männer an den Spinnrädern spezielle Knoten an, sodass sich die Spule nicht mehr drehte. Den Knoten zu lösen, war sehr aufwendig und lästig und oft nur mit vereinten Kräften möglich, sagt Greger. Wenn die Frauen wieder nach Hause gingen, warteten an der Tür schon die Männer, die viel Lärm mit Topfdeckeln und Pfannen machten. Sie zwangen die Frauen in eine Art Spalier. Wer versuchte auszubüxen, wurde kräftig mit Ruß angestrichen. Das Ganze ging bis zur Gemeindegrenze. „Es zeigt stark das Regime, das Männer sich gegenüber Frauen herausgenommen haben“, ordnet Greger ein.
Von welchen dieser vergangenen Salzburger Bräuche zur Weihnachtszeit habt ihr schon einmal gehört? Fallen euch noch weitere ein? Schreibt gerne in die Kommentare! Kommenden Sonntag, am 15. Dezember, lest ihr bei uns, welches Essen im Advent bei den Salzburgerinnen und Salzburgern auf den Tisch kommt.
(Quelle: salzburg24)