30 Jahre ist es her, dass Österreich der Europäischen Union (EU) beigetreten ist. Ob das nun ein Fluch oder ein Segen für das Land war – an dieser Frage scheiden sich bis heute die Geister. Jede:r Dritte in Österreich ist einer aktuellen Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik zufolge gegen die Mitgliedschaft in der EU. Politikwissenschafterin Doris Wydra ist sich aber sicher: Die Vorteile überwiegen. Und gerade das Bundesland Salzburg profitiere von der EU-Mitgliedschaft besonders, betont sie im Gespräch mit SALZBURG24. Auch, weil Salzburg die EU gezielt für sich zu nutzen wisse.
40 Millionen Euro Plus durch EU-Gelder
Für Salzburg habe sich durch den Beitritt sehr viel geöffnet – nicht nur die Grenze zu Deutschland. Das Bundesland sei beispielsweise ganz vorne dabei, wenn es um Förderungen geht, schildert Wydra. Rund 35 Millionen Euro schickt das Land jährlich an die EU, bekommt dafür aber zwischen 75 und 80 Millionen Euro zurück. Es ist damit ein Netto-Empfänger. Zusätzlich fließen auch aus anderen EU-Programmen Gelder nach Salzburg zurück, wie etwa aus Programmen für Jugendliche. Die Gelder werden dann in Projekte, bei denen Salzburger Interessen mit Unionsinteressen zusammentreffen, investiert. Das sei etwa bei Umweltschutz, Landwirtschaftsförderungen, der Entwicklung ländlicher Gebiete, Infrastruktur sowie Tourismusprojekten der Fall, erklärt die Expertin. Gefördert wurde etwa das Projekt Salzachauen (mit 6,3 Mio. Euro), der Nationalpark Hohe Tauern (regelmäßig mit unterschiedlichen Summen) und ein Bus-Shuttle in Werfenweng (27.000 Euro).
Die EU sei bei den Förderungen auf der Suche nach Innovationspotenzial. „Und Salzburg bietet das an.“ Zudem habe die EU-Mitgliedschaft die Wirtschaft hierzulande ganz wesentlich angekurbelt – auch, weil der Tourismus durch offene Grenzen und gemeinsame Währung noch einmal einen Aufschwung erfuhr.
Salzburg mischt in Brüssel und Co aktiv mit
Gleichzeitig habe die EU Salzburg auch vor neue Herausforderungen gestellt: Was passiert mit den Skitarifen für Einheimische? Wie will man mit Zweitwohnsitzen umgehen? Wann darf ein Wolf abgeschossen werden? „Salzburg muss jetzt immer auch Europa mitdenken.“

Zu glauben, das Bundesland bekomme nun bloß Regeln von „denen da oben“ auferlegt, sei aber ein Fehlschluss. „Salzburg macht auch selbst EU-Politik“, betont sie. Denn für die Länder gibt es durch Verbindungsbüros und Co diverse Möglichkeiten für Lobby-Arbeit – und diese seien durchaus effektiv. Gesehen habe man das etwa beim Wolf: Auf Drängen von landwirtschaftlich starken Ländern wird der Schutzstatus des Raubtieres nun gesenkt. Das heißt aber natürlich noch lange nicht, dass in Brüssel generell alles nach Salzburgs Pfeife tanzt. „Es ist wie überall in der Demokratie. Ich habe das Recht, angehört zu werden. Nicht das Recht, dass jeder auf mich hört“, führt Wydra aus.
In vielen Bereichen darf die EU ohnehin kaum mitmischen. „Und das sind vor allem die Bereiche, die den Leuten wichtig sind“, stellt sie fest. Bildung und Soziales etwa sind nach wie vor nahezu vollständig in den Händen der Mitgliedsstaaten. In der Wirtschaft übernimmt die EU nur eine koordinierende Rolle. Seine Souveränität hat Österreich mit dem EU-Beitritt also nicht abgegeben.
EU „so stark, wie Mitgliedsstaaten sie machen“
Mit Herbert Kickl (FPÖ) dürfte heuer ein heftiger EU-Kritiker ins österreichische Kanzleramt einziehen – ein weiterer Anti-EU-Regierungschef im Europäischen Rat also. Die EU könnte das schwächen. „Der Wille ist eine wesentliche Grundvoraussetzung für das Funktionieren dieses Projekts“, erklärt Wydra. Und: „Die EU ist nur so gut und stark, wie die Mitgliedsstaaten sie machen.“
Öxit? „Wären alleine auf weiter Flur“
Ein kompletter Austritt – mit dem die FPÖ in der Vergangenheit bereits liebäugelte – wäre für Österreich von großem Nachteil, ist sich die EU-Expertin sicher. Wirtschaftlich sei Offenheit für den Staat extrem wichtig. Das habe auch die Osterweiterung 2004 gezeigt, die die heimische Wirtschaft noch einmal gepusht habe. Und auch den Grenzschutz könne Österreich alleine kaum meistern. „Wie würde man das schaffen wollen? Mit einer Mauer? Woher nimmt man das Personal?“, fragt sie sich. Man müsse bedenken: „Wir sind dann alleine auf weiter Flur. Und das genau in der Mitte des Kontinents.“ Ständiges Kompromisse finden sei nicht leicht – aber eben im Sinne eines friedlichen Europas alternativlos.
(Quelle: salzburg24)